Fast 190.000 Euro: Der Praxisüberschuss der Ärzte ist deutlich gestiegen

Die Einnahmen der niedergelassenen Ärzte sind in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als die Ausgaben. Trotz der Inflation hat sich auch der Jahresüberschuss erhöht, zwischen 2018 und 2021 um real 10,9 Prozent auf 189.400 Euro je Praxisinhaber. Die neuen, am Donnerstag veröffentlichten Zahlen sind bedeutsam, weil die Kassenärzte und die Krankenkassen derzeit über die Honorierung für 2024 verhandeln. Die Mediziner fordern signifikant höhere Vergütungen mit Verweis darauf, dass die Kosten viel stärker anschwöllen als die Einnahmen.

Die neuen Daten stehen in den Vorabinformationen zum „Praxis-Panel 2022“. Darin gibt das von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) getragene Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) Auskunft über die wirtschaftliche Lage der vertragsärztlichen und psychotherapeutischen Praxen zwischen 2018 und 2021. Demzufolge betrugen 2021 die Gesamteinnahmen je Praxisinhaber 357.500 Euro, rund 8 Prozent mehr als im Vorjahr und 16,4 Prozent mehr als 2018. Die Durchschnittssteigerung erreichte 5 Prozent im Jahr. Fast 80 Prozent des Umsatzes stammten aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Immerhin 16 Prozent wurden privat liquidiert, obwohl nur 10 Prozent der Bevölkerung so versichert sind. Die GKV-Bezüge nahmen dabei viel stärker zu als die aus dem privaten System.

Die Jahresausgaben betrugen 168.100 Euro, 7 Prozent mehr als im Vorjahr und 16,2 Prozent mehr als 2018. Fast 56 Prozent der Aufwendungen entfielen aufs Personal, 19 Prozent auf Miete und Nebenkosten, 10 Prozent auf Material und Labor. Mit einer Zunahme um 9,7 Prozent allein 2021 war die Teuerung in den Mitarbeiterbezügen besonders stark. Im Vergleich zu 2018 wuchsen die Kosten für Personal und Material um mehr als 20 Prozent. Der Jahresüberschuss von fast 190.000 Euro war nominal um 9 Prozent höher als 2020 und real um 5,7 Prozent.

Nettostundensatz von 45 Euro

Die preisbereinigte Steigerung seit 2018 erreichte 3,5 Prozent im Jahr. Zieht man die Altersvorsorge, die Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Einkommensteuer ab, blieben als verfügbares Nettoeinkommen 2021 im Durchschnitt 93.414 Euro übrig, im Monat 7785 Euro. Das ZI weist darauf hin, dass ein Praxisarzt im Mittel 45 Stunden in der Woche arbeite. Daraus ergebe sich ein Nettostundensatz von 45 Euro.

Das Institut streicht die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bilanzen der Praxen heraus. Insgesamt sei die Einnahmeentwicklung der vergangenen Jahre schwach gewesen, habe sich aber 2021 „durch singuläre Effekte etwas verbessert“. Gemeint ist die Impfkampagne, die jedem Praxisinhaber 13.000 Euro einbrachte. Ohne diese Sondererträge wäre laut ZI der Einnahmezuwachs 2021 halb so hoch ausgefallen wie ausgewiesen. Der Jahresüberschuss hätte nur 176.400 Euro erreicht, was real einem Rückgang gegenüber 2020 gleichgekommen wäre. Der ZI-Vorsitzende Dominik von Stillfried sagte, seit 2018 sei der Kostenanstieg in den Praxen mehr als dreimal so hoch gewesen wie der Auftrieb der Verbraucherpreise.

Die Vergütung einer Corona-Impfung von 28 Euro sei viel geringer gewesen als in den Impfzentren mit 100 bis 400 Euro. Er erwartet für die Praxen im laufenden Jahr stagnierende bis sinkende Einnahmen, während die Kosten weiterhin stark zulegten: „Die Corona-Sondereffekte aus dem Jahr 2021 sind damit spätestens 2023 wieder vollständig verpufft.“ Ihm zufolge wird die niedergelassene Tätigkeit immer unattraktiver: Ein Oberarzt erziele nach drei Jahren Klinik ohne unternehmerisches Risiko ein um 10 Prozent höheres Nettotarifgehalt als ein selbständiger Kollege.

Neuverhandlungen über Vergütung Mitte September

Derzeit verhandelt die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV mit dem GKV-Spitzenverband über den Orientierungswert für die Vergütung 2024. Die KBV fordert ein Plus von 10,2 Prozent, die Kassen bieten 2,1 Prozent. Als Erfolg gilt schon, dass die Kassen diesmal keine Nullrunde verlangen und dass auf der Sitzung am 24. August noch nicht das Schlichtungsgremium angerufen wurde. Die entscheidende Zusammenkunft ist für den 13. September geplant.

Die Ärzte interpretieren die neuen ZI-Zahlen als Beleg für ihre Position. „Sie zeigen, dass die Einnahmenentwicklung schon seit Jahren nicht mehr Schritt hält mit den stark gestiegenen Kosten“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen der F.A.Z. „2021 gab es Sondereffekte, weil die Kolleginnen und Kollegen wie die Weltmeister gegen Corona geimpft haben.“ Für die klassische GKV-Versorgung habe es nur eine Steigerung von 0,6 Prozent je behandeltem Patienten gegeben. Der Nettostundensatz „spiegelt den Wert der Arbeit weder materiell und erst recht nicht im Sinne der Wertschätzung wider“, so Gassen.

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