Herr Ministerpräsident, Sie müssen zum vierten Mal einen Haushalt aufstellen, bei dem Sie auf die Opposition angewiesen sind. Haben Sie die Minderheitsregierung satt?
Ich habe nie bewusst eine Minderheitsregierung angestrebt, es war nicht mein Traumprojekt. Im Februar 2020 aber, nach dem Kemmerich-Desaster, war sie unausweichlich. Es gab zu ihr keine realistische Alternative. Die Konsequenzen daraus habe ich mir leichter vorgestellt, weil ich da noch der Meinung war, wir stellen nur einen Haushalt auf und gehen in die Neuwahl. Dann kam die Pandemie und danach verweigerten vier Abgeordnete der CDU den Auflösungsbeschluss zur Neuwahl.
Nun stehen 2024 reguläre Wahlen an. Ist der Kampf um den Haushalt diesmal auch deshalb so verbissen?
Es sieht öffentlich alles viel verwurschtelter aus, als es ist. Wir brauchen einen Haushalt, der Verlässlichkeit schafft. Er hat im Moment nicht die Größe für Reformen, aber das ist bei einer fehlenden eigenen Mehrheit nicht ungewöhnlich. Genauso wenig kann die Opposition große Entwürfe durchsetzen. Wir passen den Haushalt jetzt an die Realitäten an. Die CDU hat uns aufgegeben, die Kasse nicht komplett zu leeren, und wir lassen deshalb ein Polster von 700 Millionen Euro für die künftige Landesregierung stehen.
Hat das Urteil aus Karlsruhe Konsequenzen für Thüringen?
Indirekt. Wir werden unser Corona-Sondervermögen jetzt auflösen, und das Parlament über die Verwendung der Mittel entscheiden lassen. Welche Folgen das Urteil für Investitionen hat, auf die wir uns verlassen haben, prüfen wir gerade.
Sind Sie deshalb sauer auf die Ampel?
Ich bin etwas irritiert, dass man die Folgen offenkundig nicht sehen wollte. Und das sage ich als jemand, der die Schuldenbremse immer abgelehnt hat. Ich habe meine letzte Rede im Bundestag 2009 gehalten mit der Aussage, dass diese Schuldenbremse, so sie beschlossen werde, zu einem Scherbenhaufen führen wird. Ich hatte die Sozialdemokraten deshalb gewarnt, dafür die Hand zu heben.
Glauben Sie, dass die Schuldenbremse Bestand haben wird?
So wie sie im Moment ist nein. Eine Schuldenbremse nur als Fetisch ist ein Fehler. Wir müssen Geld aufnehmen können für Zukunftsinvestitionen. Das haben auch die drei ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten dezidiert geäußert und werden einfach von Friedrich Merz im Bundestag in den Senkel gestellt. Der Satz „Die Entscheidungen werden hier im Bundestag getroffen und nicht im Rathaus von Berlin“, ist ja wohl ein heftiger Tritt in den Hintern des Regierenden Bürgermeisters.
Zurück zu Thüringen. Sie treten 2024 noch einmal an für die Linke an. So wie es derzeit aussieht, käme aber wieder nur eine Minderheitsregierung heraus.
Eine Minderheitsregierung ist kein Weltuntergang, aber auch nichts, was ich noch mal anstrebe. Deshalb kämpfe ich für Rot-Rot-Grün und eine starke Linke. Ein großes Problem sehe ich darin, wenn künftig rund 20 Prozent der abgegebenen Stimmen nicht im Landtag vertreten wären, wenn also Grüne, FDP und weitere Parteien es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Zusammen mit den 30 Prozent, die gar nicht erst zur Wahl gehen, wäre das eine große Belastung für die Demokratie.
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