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Thüringens CDU kündigt erste Gespräche mit BSW und SPD an. Sahra Wagenknecht fordert ein Umdenken bei der Ukraine-Politik als Bedingung für Koalitionen. Der Liveblog zum Nachlesen.
- Thüringer AfD will mit CDU und BSW reden
- Linke drängt CDU zur Öffnung für eine Zusammenarbeit
- Merz: „Ampel muss Asylpolitik ändern“
- AfD unterstreicht Ambitionen für Bundesebene
- Lindner: Ampel muss „rasch gemeinsam“ handeln
- CDU-Spitzenkandidat Voigt: „Weltpolitik wird nicht in Thüringen entschieden“
- Wahlleiter überprüft Ergebnis zur Landtagswahl in Sachsen
- AfD-Chefin Weidel optimistisch für Regierungsbeteiligung
- BSW-Co-Chefin: Außenpolitik auch in Landesregierungen Thema
Wir beenden an dieser Stelle den Liveblog – vielen Dank für Ihr Interesse!
Unionsfraktionsvize Jens Spahn hat in den tagesthemen erneut auf den Unvereinbarkeitsbeschluss zur Linkspartei hingewiesen. „Die Linkspartei ist problematisch als Partei“, so Spahn. „Teile der Linkspartei werden wegen Extremismus vom Verfassungsschutz beobachtet“, so Spahn. Das sei anders als beim BSW. Nun müsse sich aber zeigen, ob Wagenknecht Weltpolitik in der Landespolitik machen wolle. „Dann werden die Gespräche sehr sehr schwer.“
Die Thüringer CDU hat den Weg für erste Gespräche mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht und der SPD frei gemacht. Thüringens CDU-Generalsekretär Christian Herrgott sagte, der Landesvorstand habe ihn selbst und CDU-Landesparteichef Mario Voigt ermächtigt, diese Gespräche zu führen. Es handele sich noch nicht um Koalitions- und auch nicht um Sondierungsgespräche. Der Beschluss des Landesvorstandes sei einstimmig gewesen.
Herrgott machte zugleich klar, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU weiter gelte. „Das gilt, klar: Wir werden nicht mit der AfD zusammenarbeiten. Das haben wir vor der Wahl gesagt und das gilt auch nach der Wahl. Gleiches gilt für eine Koalition mit der Linken“, sagte Herrgott. Er machte klar, dass man am Beginn eines „langen, langen und intensiven Prozesses“ stehe. Zuvor hatte auch der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz betont, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss zur AfD und zur Linken stehe und dass es Sache der Landesverbände in Sachsen und Thüringen sei, wie damit umzugehen ist.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hat als Bedingung für eine Koalition erneut eine neue Politik im Umgang mit der Ukraine gefordert. „Ganz viele Menschen haben Angst davor, dass sich Deutschland in den Krieg hineinziehen lässt“, sagte Wagenknecht im ARD-Brennpunkt. Zwei Drittel der Menschen im Osten lehnten die US-Raketenpläne ab, so die Politikerin. Viele Menschen würde sagen, die Regierung sollte sich vielmehr um Diplomatie bemühen und nicht nur auf Waffen setzen. „Das sollte im Koalitionsvertrag verankert werden.“ Die Landesregierung sollte Position beziehen, forderte die Politikerin – und damit die Bundesregierung unter Druck setzen.
Thüringens AfD will nach ihrem Erfolg bei der Landtagswahl in Gespräche für eine mögliche Regierungsbildung eintreten. Der Landesvorstand habe einstimmig beschlossen, die Parteispitze der CDU sowie des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) zu Gesprächen einzuladen, teilte Parteivize Torben Braga mit. Es gehe darum, „zu sondieren, ob eine gemeinsame Basis für eine Zusammenarbeit vorhanden ist“.
Mit CDU und BSW bestünden programmatische Gemeinsamkeiten, aber auch erhebliche politische Differenzen, heißt es in der AfD-Mitteilung. „Thüringen und Deutschland stehen jedoch vor großen Herausforderungen, die eine zeitnahe Regierungsbildung erfordern.“ Sowohl CDU als auch BSW haben jedoch eine Zusammenarbeit mit der Partei von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke ausgeschlossen, einige in der CDU wollen aber zumindest in Gespräche gehen.
Am Abend sendet Das Erste einen Brennpunkt zu den Ergebnissen der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Als Gäste sind unter anderem Sahra Wagenknecht (BSW) und Tino Chrupalla (AfD) eingeladen, deren Parteien nun besonders im Fokus stehen: Mit der AfD ist erstmals eine als erwiesen rechtsextrem eingestufte Partei stärkste Kraft in einem Landesparlament geworden, mit dem BSW kommt einem politischen Neuling eine zentrale Rolle zu. Der ARD-Brennpunkt beginnt um 20.15 Uhr direkt nach der tagesschau.
Die Landeschefin der Thüringer Linken, Ulrike Grosse-Röthig, sieht die CDU in der Pflicht, das schwierige Wahlergebnis in ein mehrheitsfähiges Regierungsmodell umzusetzen. Es sei Aufgabe der nach der AfD zweitstärksten Partei, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow erklärte, er werde sein Mandat als direkt gewählter Abgeordneter antreten und die Interessen seiner Wähler in der kommenden Legislaturperiode im Landtag vertreten. Ramelow hatte trotz des schwachen Abschneidens seiner Partei bei der Landtagswahl seinen Wahlkreis in der Thüringer Landeshauptstadt direkt gewonnen.
Der 68-Jährige kündigte an, er werde die Arbeit der neuen Fraktionsführung unterstützen – „als Linker, in der Thüringer Linken“. Spekulationen, er könnte die Linke verlassen, seien völliger Unsinn. „Ich hatte zu keinem Zeitpunkt vor, meine Partei zu verlassen.“ Ramelow ist weiter Ministerpräsident, bis eine neue Regierung im Amt ist.
International sorgt der Ausgang der Landtagswahlen in Deutschland für Schlagzeilen. In russischen Staatsmedien wird das Ergebnis als „politische Sensation“ gefeiert, andere Länder reagierten differenzierter.
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat die Ergebnisse seiner Partei in Sachsen und Thüringen als „katastrophal“ bezeichnet und dafür die Russland-Politik der SPD mitverantwortlich gemacht. Als Konsequenz forderte er eine diplomatische Initiative der Bundesregierung zur Beendigung des Angriffskriegs gegen die Ukraine.
„Die Landtagswahlen sind für die SPD katastrophal schlecht ausgegangen“, sagte Schröder dem Nachrichtenportal Table.Briefings. „Die SPD hat mit dem Begriff der Zeitenwende in Bezug auf das Verhältnis zu Russland einen Fehler gemacht, gerade in Ostdeutschland.“ Trotz „ihrer berechtigten Kritik am Krieg Russlands“ gegen die Ukraine sollten die Sozialdemokraten nun „die Kraft sein, die sich nicht mit Waffenlieferungen begnügt, sondern sich kraftvoll für Verhandlungen zur Beendigung des Krieges zwischen Russland und der Ukraine einsetzt“.
CDU-Chef Friedrich Merz will nicht von der generellen Absage seiner Partei an eine Zusammenarbeit mit der Linken abrücken. Angesichts der schwierigen Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen erinnerte Merz in Berlin an das vor knapp fünf Jahren vom CDU-Bundesparteitag beschlossene Kooperationsverbot mit der Linkspartei. „Der Beschluss gilt“, sagte der CDU-Vorsitzende.
Allerdings ließ er durchblicken, dass er den betroffenen Landesverbänden Spielraum bei der konkreten Ausgestaltung lässt. „Damit umzugehen wird Sache der beiden Landesverbände in Sachsen und Thüringen sein“, sagte Merz. Auf die Frage, ob der Parteitagsbeschluss etwa auch die Duldung einer CDU-geführten Minderheitsregierung in Thüringen durch die Linke unmöglich mache, vermied Merz eine klare Antwort. „Die Dinge sind im Fluss“, sagte er. Er könne noch nicht beurteilen, was sich in den kommenden Wochen ergebe.
Nach den Verlusten bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat Linken-Chef Martin Schirdewan seine Partei aufgerufen, „nicht in Panik zu verfallen“. Die Ergebnisse müssten „mit Demut und Respekt“ angenommen werden, sagte er in Berlin. „Wir stehen natürlich vor einer Situation, wo die Partei sich erneuern muss – in mehrfacher Hinsicht“, sagte Schirdewan, der gemeinsam mit Co-Parteichefin Janine Wissler bereits seinen baldigen Rückzug von der Parteispitze angekündigt hatte.
Schirdewan sieht die Ergebnisse als Folge einer „insgesamt gesellschaftlichen Verschiebung der Kräfteverhältnisse“ und einer „fundamentalen Veränderung der Parteienlandschaft in Deutschland“. In beiden Ländern verlor die Linke hohe Stimmenanteile an das Anfang des Jahres gegründete BSW von Ex-Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Das Erstarken der AfD in beiden Landtagen nannte Schirdewan „absoluten Wahnsinn“.
Die Grünen werten die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen als eine „historische Zäsur“. „Wir müssen jetzt gemeinsam Demokratie und Rechtsstaat verteidigen“, sagte Parteichefin Ricarda Lang in Berlin mit Blick darauf, dass mit der AfD eine in Teilen rechtsextreme Partei erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft geworden sei. Dies sei „nichts, an das wir uns irgendwann gewöhnen dürfen“.
Die Ampelkoalition sei „den Anforderungen nicht gerecht geworden“, den Menschen in einer Zeit des Umbruchs Stabilität und Sicherheit zu geben, äußerte sich Lang selbstkritisch. „Das müssen wir ändern“, stellte sie klar. Sie nannte dabei sowohl die innere Sicherheit als auch den Bereich soziale Sicherheit. Zudem forderte die Grünen-Chefin einen Bildungspakt von Bund und Ländern, um besonders jüngeren Menschen ein Angebot zu machen. An der Ampelkoalition wollen die Grünen festhalten. Die Partei stehe zu ihrer Verantwortung, die sie für vier Jahre übernommen habe.
Unbekannte haben in Leipzig ein Auto mit CDU-Wahlwerbung in Brand gesetzt. Der Wagen brannte in der Nacht zum Sonntag fast vollständig aus, wie das sächsische Landeskriminalamt (LKA) heute in Dresden mitteilte. Aufgrund eines Bekennerschreibens sei von einer politisch motivierten Tat auszugehen. Das polizeiliche Terrorismus- und Extremismusabwehrzentrum des LKA nahm Ermittlungen wegen Brandstiftung auf.
Bei dem Feuer entstand ein Schaden von rund 30.000 Euro. Menschen wurden nicht verletzt. Nun werden Zeugen gesucht, die in der Nacht zum Wahlsonntag um den Brandort herum verdächtige Menschen oder Fahrzeuge gesehen haben.
Die Thüringer CDU sollte aus Sicht einer prominenten Landtagsabgeordneten nicht nur mit der Linkspartei, sondern auch der AfD in Sondierungsgespräche gehen. „Über 30 Prozent der Thüringer haben AfD gewählt. Und das ist ein Respekt vor dem Wähler, mit denen, die sie gewählt haben, auch zu reden“, sagte die Präsidentin des Thüringer Landkreistages und neu gewählte Abgeordnete Martina Schweinsburg der Nachrichtenagentur dpa.
„Diese Pippi-Langstrumpf-Politik, in der man sagt: ‚Die AfD ist ein böses Kind, mit dem darfst du nicht spielen‘ ist gescheitert“, sagte sie weiter. Sie gehe davon aus, dass die Partei sich in ernsthaften Sondierungsgesprächen auch entzaubern lasse. Sie plädierte weiter dafür, mit allen Parteien ins Gespräch zu gehen, auch mit der Linken.
Nach den schwachen Ergebnissen bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat Werteunion-Chef Hans-Georg Maaßen Defizite in den Strukturen seiner Partei eingeräumt. Das Abschneiden von unter einem Prozent liege an „mangelnder organisatorischer Reife und Professionalität“ sowie „unzureichender Sichtbarkeit“, schrieb Maaßen auf X. „Es ist auch klar, wenn wir in die Bundestagswahl 2025 ähnlich unprofessionell und unsichtbar hineingehen würden, sollten wir gar nicht erst starten.“
Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident war Anfang des Jahres mit seiner Werteunion mit hohen Ansprüchen an den Start gegangen: Am Sonntag holte die Partei in Sachsen nur 0,3 Prozent der Stimmen, in Thüringen 0,6 Prozent. Damit stehen ihr auch keine öffentlichen Zuschüsse für die Wahlkampfkosten zu, diese gibt es bei Landtagswahlen erst ab Ergebnissen von mehr als 1,0 Prozent.
Im Thüringer Landtag hat die AfD erstmals mehr als ein Drittel der Sitze. Die sogenannte Sperrminorität bedeutet, dass die rechtsextreme Partei einbezogen werden muss. Doch im Blockieren hat sie längst Übung.
Der tschechische Regierungschef Petr Fiala hat sich angesichts des Ausgangs der Landtagswahlen im benachbarten Sachsen und in Thüringen besorgt geäußert. „Die Stärkung radikaler und extremer politischer Bewegungen in Deutschland ist weder für Deutschland noch für uns gut“, schrieb der liberalkonservative Politiker auf der Plattform X.
Als Grund für diesen Trend sieht Fiala eine nach seiner Einschätzung „unbeherrschte illegale Migration“, die in ganz Europa zu einem immer größeren Problem werde. Er forderte die Einführung von schnellen Asylverfahren außerhalb der EU, eine effektive Rückführungspolitik und ein entschiedenes Vorgehen gegen Schleuser. „Einen anderen Ausweg aus dieser Situation gibt es nicht“, mahnte der Politiker der Demokratischen Bürgerpartei (ODS).
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer schließt nach der Landtagswahl eine Zusammenarbeit mit der AfD klar aus – und auch eine Koalition mit der Linken. Über die AfD sagte der CDU-Landeschef bei der Wahlnachlese der Bundespartei in Berlin: „Die Partei wird eine Oppositionsrolle einnehmen, in der Demokratie ist das eine wichtige Angelegenheit.“ Der Wahlausgang gebe der CDU die Chance auf eine stabile Regierung. Sie zu bilden werde nicht leicht und gehe auch nicht schnell.
Der Unvereinbarkeitsbeschluss „ist absolut richtig und hat auch in dieser Zeit genau so Bestand“, sagte Kretschmer. Die AfD habe sich in diesem Wahlkampf wieder bestätigt durch Bösartigkeit und Abschätzigkeit gegenüber der Demokratie und politischen Mitbewerbern. Mit den Radikalen und Rechtsextremen in der Führung der Partei „geht es nicht“, das sei auch vor der Wahl klar gewesen. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU besagt, dass diese mit AfD oder Linkspartei weder koalieren noch „ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ pflegen darf.
In der Haltung zur Linkspartei gibt es laut Kretschmer aber „graduelle Unterschiede“. Man habe in den vergangenen Jahren verantwortungsvoll zusammengearbeitet, sagte er. „Mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss ist eine Regierungsbeteiligung gemeint, ist eine strukturelle Zusammenarbeit gemeint.“ Das man trotzdem miteinander im Gespräch sei, „das halte ich für richtig“. Er spreche mit jedem, „der mit mir sprechen möchte“, sagte er. „Aber eine strukturelle Zusammenarbeit, eine Koalition, geht nicht.“
Der Alterspräsident des neuen Thüringer Landtags wird voraussichtlich von der AfD gestellt. Mit 73 Jahren sei Jürgen Treutler nach jetzigem Stand der älteste Abgeordnete im künftigen Landesparlament, teilte die Pressestelle des Landtags auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit. Damit falle ihm die Rolle des Alterspräsidenten samt Leitung der konstituierenden Sitzung zu. Treutler hatte bei der Landtagswahl für die AfD in Sonneberg das Direktmandat gewonnen.
Der neue Landtag muss spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammentreten. Die Sitzung wird laut Geschäftsordnung von der bisherigen Präsidentin einberufen, geleitet wird sie von dem „an Jahren ältesten“ Mitglied des Landtags. Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit wählt das Landesparlament dann einen neuen Präsidenten oder eine Präsidentin sowie die Stellvertreter. Schon vor fünf Jahren hatte die AfD den Alterspräsidenten gestellt.
Die AfD hat einer Studie zufolge auf TikTok vor den ostdeutschen Landtagswahlen deutlich mehr Reichweite erzielt als andere Parteien. Die AfD sei auf der Social-Media-Plattform bei den Erstwählerinnen und Erstwählern doppelt so erfolgreich gewesen wie alle anderen Parteien zusammen, teilte die Universität Potsdam unter Verweis auf die Studie mit. Im Durchschnitt erhalte die junge Wählergruppe täglich ein Video auf TikTok, das AfD-Inhalte thematisiert.
Auch die Inhalte des BSW würden auf dem Videoportal stark von Erstwählern und Erstwählerinnen konsumiert, hieß es weiter. Die neue Partei übertreffe die etablierten Parteien deutlich in ihrer Sichtbarkeit. Die AfD erzeuge zugleich sehr viel Diskussionen auf dem Videoportal. Hashtags, die mit der Partei in Verbindung gebracht werden, seien doppelt so häufig in den Feeds von Erstwählenden der Untersuchungsproben vertreten gewesen wie die Hashtags anderer Parteien.
Thüringens CDU-Chef will mit Blick auf die schwierige politische Situation nach der Landtagswahl zunächst mit der SPD und dem neuen Bündnis Sahra Wagenknecht ins Gespräch kommen. „Wir bewegen uns hier in einer neuen Situation“, sagte Voigt bei einer Pressekonferenz mit dem CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz und Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer.
„Wir streben eine CDU-geführte Regierung an. Wir werden natürlich jetzt ausloten, welche Möglichkeiten unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen machbar sind“, sagte er. Aus den Erfahrungen, die man in Thüringen gesammelt habe, sei es „in einem ersten Schritt wichtig, mit der SPD und dem BSW diese Gespräche zu führen“.
Die CDU von Voigt landete bei der Landtagswahl auf dem zweiten Platz – hinter der AfD von Rechtsaußen Björn Höcke. Ein vorab viel diskutiertes mögliches Bündnis von CDU, BSW und SPD hat überraschend keine Mehrheit im neuen Thüringer Landtag – ein solches Bündnis käme nur auf 44 Sitze, 45 wären für eine Mehrheit nötig. Eine Mehrheit hätte dagegen eine Koalition aus CDU, BSW und Linke. Doch ein Unvereinbarkeitsbeschluss verbietet der CDU eine Zusammenarbeit mit AfD oder Linken.
Wirtschaftsvertreter und -experten warnen insbesondere langfristig vor negativen Folgen der AfD-Wahlerfolge bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. „Problematisch ist vor allem der Imageschaden“, sagte der Chef des Ifo-Instituts in Dresden, Joachim Ragnitz. Auswärtige Fachkräfte – „egal ob aus dem Ausland oder aus Westdeutschland“ – dürften sich künftig sehr gut überlegen, ob sie sich in den beiden Freistaaten ansiedeln wollen.
Der Chefvolkswirt der DZ Bank, Michael Holstein, sagte, der AfD-Wahlsieg in Thüringen sei ein „verheerendes Signal – vor allem auch international“. Auf die Finanzmärkte dürften die Ergebnisse auf kurze Sicht zwar kaum Auswirkungen haben. Aber „Investoren werden einen Bogen um Länder mit populistischen und tendenziell wirtschaftsfeindlichen Regierungen machen“, warnte Holstein.
Nach Ansicht von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sind die Landtagswahlergebnisse ein „deutliches Warnzeichen“ an die Ampelkoalition im Bund. Der Zulauf zu den politischen Rändern zeige die „starke Verunsicherung der Menschen und das fehlende Zutrauen, dass sich unser Land in die richtige Richtung entwickelt“, erklärte Dulger.
Die Linke in Thüringen drängt die CDU, sich für die Zusammenarbeit beider Parteien zu öffnen. Es sei Zeit, die CDU-Grundsatzbeschlüsse zu überdenken, sagte die thüringische Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU bedürfe ganz offensichtlich der Überarbeitung. Sie zeigte sich ihrerseits bereit, bei der Regierungsbildung in Thüringen Verantwortung zu übernehmen.
In Thüringen hatte die Linke, die mit Bodo Ramelow noch den Ministerpräsidenten stellt, nach drastischen Einbußen 13,1 Prozent der Stimmen erreicht. Wegen des starken Abschneidens der AfD könnte die CDU bei einer Koalition auf Unterstützung der Linken und weiterer Parteien angewiesen sein.
Der SPD-Landesvorsitzende in Thüringen, Georg Maier, sieht fehlendes Einfühlungsvermögen für Ostdeutsche im Wahlkampf als einen Grund für das Ergebnis der Landtagswahl. „Was mir gefehlt hat, ist die Empathie für Weltsicht im Osten, denn die ist eine andere“, sagte der Landtagsspitzenkandidat der Partei.
So hätte etwa die deutsche Unterstützung für die von Russland überfallene Ukraine im Osten besser erklärt werden müssen. Auch soziale Aspekte wie niedrigere Renten, geringere Vermögen in Ostdeutschland und die nach wie vor vorhandene Ost-West-Lohnschere seien „ein Thema, das uns beschäftigen muss“, sagte Maier. „Überall dort, wo es gerecht zugeht, ist die Demokratie stabil.“
CDU-Chef Friedrich Merz fordert die SPD und die Ampel-Regierung zu einer Kurskorrektur auf. Es gehe nicht darum, dass die Ampel ihre Regierung nur besser erklären müsse, sagt der Oppositionsführer. „Die Ampel muss ihre Politik insbesondere in der Zuwanderung grundsätzlich korrigieren“, sagt er mit Blick auf die Gespräche am Dienstag mit der Regierung und den Ländern. Weder die von der Ampel geplante Änderung des Waffenrechts noch mehr Abschiebungen seien das eigentliche Problem. Thema Nummer eins müsse die Begrenzung der Zuwanderung sein. „Und das geht nur mit Begrenzung an den deutschen Staatsgrenzen und Zurückweisungen“, sagt Merz. Sei die Regierung dazu nicht bereit, müsse die Ampel selbst die Konsequenzen dafür tragen.
Der Historiker und Publizist Ilko-Sascha Kowalczuk hat sich im WDR5-Mittagsecho zu den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen geäußert. Er sieht tiefgreifende Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland: „Für mich ist der zentrale Punkt oder einer der zentralen Punkte, dass es in Ostdeutschland nach wie vor – eben auch in den jüngeren Generation – eine enorm starke Sehnsucht nach einem autoritären Staat gibt, nach einem starken Staat.“ Die Zivilgesellschaft sei nach wie vor nur extrem schwach ausgeprägt.
Kowalczuk kritisierte auch den Umgang besonders der Union mit den Wahlergebnissen: „Ich fand es sehr, sehr beschämend, wie sich insbesondere die Politikerinnen und Politiker von CDU und CSU gefreut haben, obwohl sie in Sachsen nur hauchdünn vor den Faschisten liegen und so tun, als ob sie einen grandiosen Wahlsieg eingefahren haben. Zur politischen Kultur und zur demokratischen Kultur unseres Landes hätte es gehört, dass auch die CDU-Leute an diesem Abend demutsvoll in die Kameras blicken und erst einmal sagen, dass die Demokratie in unserem Land einen großen Schaden erlebt hat. Ihre Sektkorken hätten sie woanders knallen lassen sollen.“
Knapp drei Wochen vor der Landtagswahl in Brandenburg will Ministerpräsident Dietmar Woidke den Wahlkampf noch stärker auf die Konfrontation mit der AfD zuspitzen. „Das bedeutet, dass wir die Auseinandersetzung im Wahlkampf weiter intensiv führen müssen und dass wir vielleicht noch deutlicher als bisher auch darauf aufmerksam machen müssen, wofür diese AfD hier bei uns in Brandenburg steht“, sagte er nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen. „Sie steht für die Vergangenheit.“ Woidke hält Wahlen nicht für vergleichbar:
Der SPD-Spitzenkandidat sieht deutliche Unterschiede zu den Wahlen in Sachsen und Thüringen. Das sei „überhaupt nicht mit Brandenburg zu vergleichen“, so der Ministerpräsident. „Brandenburg hat eine ganz andere Grundlage auch erst recht für die Brandenburg-SPD“, sagte Woidke. Der Verfassungsschutz stuft die AfD Brandenburg als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein.
AfD-Chef Tino Chrupalla hat nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen die langfristigen Ambitionen seiner Partei auch für die Bundesebene unterstrichen. „Insgesamt muss es natürlich darum gehen, dass wir irgendwann auch auf Bundesebene stärkste Kraft werden. Das ist unser Ziel. Diese blaue Welle muss vom Osten in den Westen kommen, in die alten Bundesländer“, sagte Chrupalla bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Langfristig schaut die AfD auf das Wahljahr 2029 mit mehreren Landtagswahlen und der übernächsten Bundestagswahl. Chrupalla hatte früher schon von einem „Projekt 2029“ gesprochen. Mit Blick auf die Wahlergebnisse in Sachsen sagte Chrupalla, er hätte sich zwei, drei Prozentpunkte mehr gewünscht. „Der Apfel ist vielleicht noch nicht ganz reif“, fügte er hinzu.
Angesichts der Patt-Situation nach der Landtagswahl in Thüringen sieht SPD-Landeschef und Spitzenkandidat Georg Maier die CDU bei der Suche nach einer stabilen Regierung in der Pflicht. „Die CDU hat den Hut auf und muss sich was einfallen lassen“, sagte Maier am Tag nach der Wahl in Berlin. Als stärkste der demokratischen Parteien habe sie den Regierungsauftrag und müsse dafür Modelle entwickeln. „Wir hören uns das an und müssen das auch erst mal intern in unseren Gremien diskutieren.“
Aus Maiers Sicht ist die SPD mit sechs Prozent nicht die tonangebende Partei. Nach dem Wahlergebnis reicht es in Thüringen nicht für eine vorab diskutierte Landesregierung aus CDU, SPD und der neuen Partei Bündnis Sahra Wagenknecht. Die drei Parteien kommen zusammen auf 44 Sitze im Landtag, der insgesamt 88 Sitze umfasst. Für eine Mehrheit wären mindestens 45 Sitze nötig.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht macht es für eine Regierungsbeteiligung in Sachsen und Thüringen zur Bedingung, dass sich die künftigen Landesregierungen klar gegen die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen stellen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe „mal eben nebenbei auf einem Nato-Gipfel“ den USA die Genehmigung gegeben zur Stationierung neuer Raketen. „Kein anderes europäisches Land lässt das zu“, sagte Wagenknecht.
„Wer BSW wählt, bekommt auch die Politik, die mit mir verbunden wird“, betonte Wagenknecht weiter. „Ich erwarte schon, wer mit uns koalieren möchte, muss auch mit mir sprechen.“ Sie erwarte daher, dass der CDU-Kandidat in Thüringen, Mario Voigt, und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) „natürlich auch mit mir ein Gespräch führen“. Bei Koalitionsverhandlungen sitze sie aber nicht am Tisch.
Grünen-Chefin Ricarda Lang sieht das schlechte Abschneiden der Ampel-Parteien bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen als Folge einer unzureichenden Reaktion auf eine wachsende Verunsicherung der Menschen. Nach „der Ära“ mit Bundeskanzler Angela Merkel (CDU) sei es der Ampel-Regierung nicht gelungen, „eine neue Stabilität in diesem Land zu verankern“, sagte Lang in Berlin. Die Regierungsparteien müssten deshalb fortan stärker die „soziale Sicherheit nach vorn stellen“.
FDP-Chef Christian Lindner mahnte die Ampelkoalition, verabredete Beschlüsse jetzt „rasch gemeinsam“ umzusetzen. Das gelte für Steuersenkungen genauso wie für eine Reform des Bürgergelds, sagte der Bundesfinanzminister in Berlin. Seine Partei habe bei den Landtagswahlen mit „besonders schwierigen Rahmenbedingungen“ zu kämpfen gehabt.
Der FDP-Chef sieht das Debakel für die Ampel-Parteien bei den Landtagswahlen vor allem mit dem Thema Migration begründet. Bürgerinnen und Bürger hätten „die Schnauze voll“, dass der Staat womöglich die Kontrolle bei dem Thema verloren haben könnte, sagte Lindner. Es müsse jetzt gehandelt werden. Dabei seien Denkverbote fehl am Platz. Die FDP sei offen, auch über Änderungen der europäischen Gesetze oder auch des Grundgesetzes zu sprechen.
Der Thüringer AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke fehlt bei der Wahlanalyse der Partei in Berlin. Höcke sei in Thüringen, er sei im Wahlkampf an die Belastungsgrenze gegangen, begründet die Partei seine Abwesenheit. Er wird durch den Co-Parteichef Stefan Möller vertreten. Höcke hatte zuletzt ein Fernsehduell unter Angaben von Gesundheitsgründen in der Wahlkampf-Schlussphase verpasst.
Auch international schlagen in Medien die Erfolge von AfD und BSW hohe Wellen. In den Meinungsspalten wird der Wahlausgang vielfach als innere Bedrohung für die EU interpretiert – aber auch als Abrechnung mit den Regierungsparteien.
02.09.2024 • 11:34 Uhr
Sozialforscher zu Gründen für Wahlergebnisse: „Nahezu eine Bankrotterklärung“
Die Sozial- und Altersstruktur, das Gefühl der Benachteiligung gegenüber Westdeutschen und kaum aktive Mitgestaltung der Politik: Der Görlitzer Sozialwissenschaftler Raj Kollmorgen nennt Gründe für das starke Abschneiden der AfD.
Bei Wolkenbruch und Donnergrollen hat der politische Frühschoppen auf dem Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg begonnen. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) startete zum Auftakt mit scharfen Angriffen gegen die Parteien der Berliner Ampel-Koalition. „Diese katastrophale, diese grottenschlechte Arbeit der Ampel in Berlin, die wird mehr und mehr zu einem politischen Problem“, sagte Rhein, der zuvor an der Seite seines bayerischen Amtskollegen Markus Söder (CSU) zu den Klängen des bayerischen Defiliermarsches ins Festzelt der Christsozialen eingezogen war.
„Wir brauchen eine Politik mit Haltung, wir brauchen eine Politik mit Profil“, sagte Rhein. Was Markus Söder in Bayern mache, sei das komplette Gegenmodell zur Ampel in Berlin. Den Grünen warf Rhein vor, ein anderes Land zu wollen. „Es macht einen massiven Unterschied, wer das Land regiert.“
02.09.2024 • 11:26 Uhr
Zentralkomitee der deutschen Katholiken besorgt über Erstarken extremistischer Kräfte
Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) besorgt über ein Erstarken extremistischer Kräfte geäußert. Der Wahlausgang habe gezeigt, „dass die Saat populistischer und extremistischer Kräfte immer mehr aufgeht“, erklärte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp. Es komme nun „zentral darauf an, demokratische Mehrheiten jenseits der AfD für Regierungsbündnisse zu nutzen“.
Zu einer möglichen Regierungsbeteiligung des neuen Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) äußerte sich die ZdK-Präsidentin skeptisch: „Das BSW muss dringend sein Demokratieverständnis klären“, forderte Stetter-Karp. Es sei unklar, ob das BSW „eine Partei im Sinn des Grundgesetzes“ sei oder mit Blick auf Wagenknecht „das Projekt einer Einzelpersönlichkeit“, die „das Zepter in der Hand behalten“ wolle. „Das BSW befördert das Narrativ von der betrogenen Gesellschaft, die von der herrschenden politischen Klasse nicht gewürdigt wird“, erklärte Stetter-Karp weiter. „Mit Sorge blicken wir nicht nur auf die russlandfreundlichen Einlassungen, sondern auch auf antisemitische Positionen, die Mitglieder und Sympathisanten des BSW teilweise verbreiten“, fuhr sie fort.
Der Landeswahlleiter in Sachsen hat das vorläufige Ergebnis der Landtagswahl korrigiert. Demnach kommt die AfD auf 40 der 120 Sitze im Landtag und damit einen weniger als bisher errechnet. Damit verfügt die als rechtsextremistisch eingestufte Partei im Landtag nicht über eine Sperrminorität. Mit 41 Sitzen hätte sie verhindern können, dass wichtige Beschlüsse im Landtag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gefasst werden können. Der Landeswahlleiter begründete die Korrektur mit einem Softwarefehler. „Nach den errungenen Stimmen haben danach die Grünen und die SPD je einen Sitz mehr und die CDU und die AfD einen Sitz weniger als angegeben“, erklärte der Wahlleiter.
Nach der Landtagswahl in Thüringen hat sich der CDU-Kandidat Christian Tischner zufrieden damit gezeigt, dass er in seinem Wahlkreis Greiz II mehr Stimmen als AfD-Landeschef Höcke bekam. Er sagte im Interview mit Bayern2: „Ich freue mich sehr. Für mich persönlich natürlich, dass ich meine Arbeit fortsetzen kann. Aber ich freue mich sehr für unser Vogtland, weil das wäre keine gute Entwicklung gewesen, wenn wir hier den blauen Stempel draufbekommen.“
Dass die AfD in Thüringen mit Abstand stärkste Kraft geworden ist, sei „bitter, aber es zeigt, dass die Politik liefern muss. Liefern was die Menschen erwarten. Da hat zuallererst die Bundesregierung eine große Aufgabe, aber auch die Thüringer Landesregierung hat in den letzten Jahren die Erwartungen der Menschen nicht erfüllen können.“
Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen waren von Forderungen nach Einschränkungen des Asylrechts, rassistischen Parolen und queerfeindlichen Attacken geprägt. In der Regierungsbildung müssen sich Parteien jetzt klar zu einer menschenrechtsbasierten Landespolitik bekennen – so lautet die Forderung von Amnesty International in Deutschland.
„In Thüringen und Sachsen haben sich die Parteien im Wahlkampf von menschenfeindlichen Forderungen treiben lassen. Der menschenrechtliche Unterbietungswettbewerb muss jetzt ein Ende haben. Die kommenden Landesregierungen haben den Auftrag, die Rechte aller zu schützen – ohne dabei zu diskriminieren“, fordert Generalsekretärin Julia Duchrow. Rassismus, Queerfeindlichkeit und Hass stünden dem diametral entgegen.
02.09.2024 • 10:21 Uhr
Voigt zu Koalitionsfindung: „Weltpolitik wird nicht in Thüringen entschieden“
Nach der Landtagswahl in Thüringen hat CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt zur Geduld bei der Regierungsbildung aufgerufen. Darüber werde „nicht über Nacht“ entschieden, sagte Voigt am Montag vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. Seine Partei habe den Auftrag, die Gespräche darüber zu führen.
Erwartungen des möglichen Koalitionspartners BSW zu Verhandlungen über internationale Fragen wie die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland erteilte Voigt einen Dämpfer. „Weltpolitik wird nicht in Thüringen entschieden“, sagte er. Die CDU war bei der Landtagswahl in Thüringen hinter der AfD auf Platz zwei gelandet. Da die Christdemokraten eine Koalition mit dem vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD-Landesverband ausgeschlossen hat, sind sie für eine Regierung unter anderem auf das BSW angewiesen.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach dem Debakel bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen zum Handeln aufgefordert. „Die Ergebnisse sind ein deutliches Warnzeichen an die Ampel-Politik im Bund“, erklärte Dulger in Berlin. „Besonders der Zulauf zu den politischen Rändern zeigt die starke Verunsicherung der Menschen und das fehlende Zutrauen, dass sich unser Land in die richtige Richtung entwickelt.“
Die FDP war bei beiden Landtagswahlen deutlich an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Die SPD verzeichnet in Thüringen mit 6,1 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl seit Gründung der Bundesrepublik. Die Grünen scheiden mit 3,2 Prozent aus dem Parlament aus. In Sachsen kam die SPD auf 7,3 Prozent, die Grünen auf 5,1 Prozent.
Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) sind die Rekordergebnisse der in Teilen rechtsextremen AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen eine Zäsur. „Auch wenn sich das durch Umfragen angedeutet hat: Wenn das Wahlergebnis real wird, dann spürt man erst mal, was sich in Deutschland verändert hat“, sagte er im Radio „Bayern 2“. Wichtig sei nun, eine stabile Regierung zu bilden, „die dann auch etwas leisten kann“, fügte er hinzu. Politik gestalten könnten nur diejenigen, „die die echte Chance zur Regierungsbildung haben“. Dies seien die CDU-Spitzenkandidaten Michael Kretschmer und Mario Voigt. „Das wird so oder so ein ganz saurer Apfel, in den man beißen muss“, fügte Söder hinzu.
Unionspolitiker erwarten nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen eine schwierige Regierungsbildung. „Es stehen nun herausfordernde Koalitionsbildungen für die CDU an“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der „Augsburger Allgemeinen“. Sowohl in Sachsen als auch in Thüringen beanspruche die CDU das Amt des Regierungschefs. „Aus den Ergebnissen folgt jeweils ein klarer Auftrag zur Regierungsbildung für die CDU“, betonte Frei.
Eine „äußerst schwierige“ Koalitionsbildung in den beiden Ländern erwartet auch der Fraktionschef der CSU im bayerischen Landtag, Klaus Holetschek. „Klar ist, dass die Union in Sachsen und Thüringen den Ministerpräsidenten stellen muss“, sagte er der Zeitung.
Der Wahlleiter will das Ergebnis zur Sitzverteilung im sächsischen Landtag überprüfen. Mehrere Parteien und Experten von Wahlrecht.de gehen davon aus, dass sich der Landeswahlleiter bei der neuen Sitzverteilung im Landtag verrechnet haben könnte, berichtet die „Leipziger Volkszeitung“. Demnach sei ein falsches Sitzverteilungsverfahren angewendet worden. Der Sachverhalt sei bekannt und werde überprüft, sagte eine Sprecherin der Landeswahlleitung auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.
Laut LVZ hätte die AfD nach dem anderen Verfahren einen Sitz weniger und würde nicht mehr über eine Sperrminorität im Landtag verfügen. Mit dieser Sperrminorität, könnten bestimmte Landesgesetze, die mit einer Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneter entschieden werden müssen, nicht ohne die AfD-Parlamentarier zustande kommen.
AfD-Co-Parteichef Tino Chrupalla sieht nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen einen „klaren Wählerauftrag“ für eine Regierungsbeteiligung der AfD. Der Wählerwille müsse „respektiert“ werden, sagte Chrupalla am Montag im Radiosender WDR 5. Seine Partei sei „gesprächsbereit“, versicherte er. „Wir werden mit allen reden, die es gut mit Thüringen oder mit Sachsen meinen.“ Wo es Überschneidungen mit anderen Parteien gebe, müsse „am Ende“ geschaut werden, sagte Chrupalla weiter. Die CDU habe sich bei den Themen Sicherung von Grenzen und Abschiebungen in den vergangenen Monaten bereits in Richtung AfD bewegt, bemerkte er. In der Sozialpolitik sah Chrupalla „einige Überschneidungen“ mit dem BSW. Er verwies dabei auf Themen wie Lehrermangel oder die Frage, ob Ukraine-Flüchtlinge weiterhin Bürgergeld bekommen sollten.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken blickt trotz des schlechten Abschneidens ihrer Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen optimistisch auf die Bundestagswahl 2025. Am Sonntag habe es ein „wirklich bitteres Ergebnis“ gegeben, das „entspricht in keiner Weise unserem Anspruch“, sagte Esken im Deutschlandfunk. Olaf Scholz sei aber „ein starker Bundeskanzler, der uns auch als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf führen wird, und wir werden diese Wahl mit ihm auch gewinnen“.
Esken reagierte damit auf die Frage, ob Kanzler Scholz nach den Landtagswahlen noch der Richtige sei, um die SPD in die Bundestagswahl in gut einem Jahr zu führen. Die Sozialdemokraten hatten am Sonntag in Sachsen 7,3 Prozent der Stimmen bekommen, in Thüringen waren es 6,1 Prozent.
AfD-Chefin Alice Weidel hat sich nach dem guten Abschneiden ihrer Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen optimistisch gezeigt, an der Regierungsbildung beteiligt zu werden. „Wir müssen festhalten, dass ohne die AfD keine stabile Mehrheitsbildung möglich ist“, sagte sie im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Sie glaube nicht, dass sich die „undemokratische Brandmauer“ durchhalten lasse.
Ohne die AfD seien nur linke Mehrheiten möglich, dies wolle der Wähler nicht, befand Weidel. Wenn CDU und BSW in Thüringen mit linken Parteien koalierten, verlören sie auf Dauer ihre Glaubwürdigkeit. Der Wähler als Souverän habe sich in beiden Bundesländern für eine „bürgerliche Mehrheit der Mitte-Rechts-Koalition“ entschieden, sagte Weidel. Dass die AfD 30 Prozent der Wähler binde, könne nicht ignoriert werden.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat sich tief besorgt nach den AfD-Wahlerfolgen in Sachsen und Thüringen geäußert und sieht auch die vielen Stimmen für das BSW kritisch. „Deutschland taumelt“ nach einem „Wirkungstreffer historischer Dimension“ zieht Präsident Josef Schuster in einem Gastkommentar für Bild.de Vergleiche zur Welt des Boxens.
Immer mehr Menschen wählten die AfD aus politischer Überzeugung, aus „durch Protest manifestierter rechtsextremer Ideologie“, fügte er hinzu. Und ein populistisches BSW lasse noch vieles unbekannt, „aber das, was wir von dieser neuen Partei und ihrem Spitzenpersonal wissen, lässt nichts Gutes erahnen“.
Die Berliner Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach hat die seit Jahren wiederkehrenden Debatten über das Wahlverhalten in Ostdeutschland kritisiert. „Die Frage, wieso populistische Parteien Stimmenzuwächse haben, müssen wir für das ganze Land diskutieren“, so Reuschenbach auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Problemlagen seien an vielen Orten ähnlich. „Wenn die AfD in Hessen bei 18 oder NRW bei 14 Prozent steht, ist das nicht nur ein ostdeutsches Thema. Aber man kann sich im Westen bequem aus der eigenen Verantwortung ziehen, indem man auf den Osten schaut“, sagte die Forscherin der Freien Universität Berlin.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will bei Verhandlungen über mögliche Regierungsbeteiligungen in Sachsen und Thüringen auch außenpolitische Themen zur Sprache bringen. Zwar würden solche Themen im Bund entschieden, Landesregierungen könnten aber ihre Stimme erheben und zum Beispiel Bundesratsinitiativen auf den Weg bringen, sagte Co-Parteichefin Amira Mohamed Ali im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Punkte wie die Ablehnung der Stationierung von US-Raketen in Deutschland oder Diplomatie im Ukraine-Krieg seien ihrer Partei wichtig, sagte Mohamed Ali.
Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hatte die neue Partei auf Anhieb zweistellige Ergebnisse erzielt und wurde damit zu einem Faktor bei der Regierungsbildung.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Ergebnisse der Landtagswahlen als „bitter“ bezeichnet und die Parteien in Sachsen und Thüringen aufgefordert, Bündnisse ohne die AfD zu schmieden. „Alle demokratischen Parteien sind nun gefordert, stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten zu bilden“, sagte Scholz der Nachrichtenagentur Reuters.
Er äußerte sich als SPD-Bundestagsabgeordneter. Die Ergebnisse für die AfD in Sachsen und Thüringen würden ihm Sorgen bereiten. „Daran kann und darf sich unser Land nicht gewöhnen. Die AfD schadet Deutschland. Sie schwächt die Wirtschaft, spaltet die Gesellschaft und ruiniert den Ruf unseres Landes“, betonte Scholz.
Spitzenpolitiker der Parteien kommen am Montagmorgen in Bayern zum traditionellen Schlagabtausch beim Volksfest Gillamoos zusammen. Erwartet werden in Abensberg unter anderem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sowie seine Kollegen aus Hessen und Rheinland-Pfalz, Boris Rhein (CDU) und Alexander Schweitzer (SPD). Auch Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter kündigten sich an.
Der Frühschoppen beim Gillamoos-Volksfest ist nach dem politischen Aschermittwoch die zweite große politische Veranstaltung im Jahr in Bayern, bei der Politiker verschiedener Parteien am selben Tag für ihre Politik werben. Er findet einen Tag nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen statt.
Angesichts der schwierigen politischen Lage in Thüringen muss sich die CDU nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Oliver Lembcke fragen, ob sie sich in Richtung der Linkspartei öffnet. Dies würde aber auch zwangsläufig die Diskussion über die Brandmauer nach rechts, zur AfD, neu entfachen, sagte der Experte von der Ruhr-Universität Bochum. „Wenn man an der einen Brandmauer anfängt zu überlegen, dann wird man an der anderen Brandmauer auch diskutieren müssen.“
Die Landtagswahl in Thüringen hatte am Sonntag eine Patt-Situation hervorgebracht. Die einzige Hoffnung auf eine politisch machbare Mehrheit schien zunächst eine Koalition aus CDU, BSW und SPD, doch im Laufe des Abends reichte es dafür nicht mehr. Demnach ist keine Koalition ohne Mitwirkung der AfD oder der Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow möglich. Allerdings verbietet der CDU ein Unvereinbarkeitsbeschluss jeweils eine Koalition mit der einen oder der anderen Partei.
Sachsens Ministerpräsident Kretschmer ist optimistisch, dass er eine neue Regierung zusammenstellen kann. Thüringens AfD-Spitzenkandidat Höcke verfehlt sein Direktmandat.
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