Dass sich die Ampel-Regierung streitet, gerne auch mal öffentlich, ist inzwischen nichts Besonderes mehr. Jetzt scheinen sich die Konflikte zwischen den Koalitionären aber so zu verschärfen, dass ein vorzeitiges Regierungs-Ende immer wahrscheinlicher wird.
Heute wollen die Spitzen von SPD, Grünen und FDP klären, ob es noch eine Grundlage für die weitere Zusammenarbeit gibt. Es ist ein entscheidender Abend.
In einer Sitzung des Koalitionsausschusses geht es darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.
Vor den Beratungen kamen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grünen) zu zwei Vorbereitungsrunden zusammen, unterbrochen von einer Kabinettssitzung.
Scholz, Habeck und Lindner hatten sich bereits zu Gesprächen getroffen
Sie hatten sich schon am Montag und Dienstag getroffen und wollten offenbar versuchen, eine gemeinsame Vorlage für den Koalitionsausschuss zustande zu bringen. Sollten sie das geschafft haben, dürfte die große Runde mit allen Partei- und Fraktionschefs am Abend nur noch Formsache sein.
Sollten sie gescheitert sein, steht die Ampel vor dem Aus. Lindner ist es, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, zumindest offiziell. Der Finanzminister hatte nicht nur den „Herbst der Entscheidungen“ ausgerufen, sondern auch mit einem 18-seitigen Schreiben für Aufsehen gesorgt.
Es enthält radikale Forderungen für eine Wirtschaftswende, unter anderem Kürzungen beim Bürgergeld, Steuersenkungen für Unternehmen und Lockerungen der Klimavorgaben.
FDP könnte aus der Regierung aussteigen
Sollte es zum Ampel-Aus kommen, wäre eine Möglichkeit, dass die FDP aus der Regierung aussteigt. Theoretisch könnte Scholz die FDP-Minister auch entlassen. Das gilt aber als deutlich unwahrscheinlicher.
Wenn die Liberalen der Koalition wirklich den Rücken kehren, stünden SPD und Grüne vor der Frage, ob sie ohne eine Mehrheit im Parlament regieren oder eine Neuwahl in die Wege leiten wollen.
Im Fall einer Minderheitsregierung wäre Rot-Grün bei jeder Entscheidung im Bundestag auf die Unterstützung der Opposition angewiesen. Die Union dringt aber auf eine vorgezogene Bundestagswahl. Deshalb dürfte sie sich wenig kooperativ zeigen.
Minderheitsregierung würde wohl ins Chaos führen
Auch Stefan Marschall, Politikprofessor an der Universität Düsseldorf, sagt zu FOCUS online: „Eine Minderheitsregierung anzuführen, wird sehr schwer sein, da die übrigen Parlamentsparteien nicht bereit sein werden, dieser Regierung zu Mehrheiten zu verhelfen.“
Er glaubt außerdem nicht, „dass ein Haushaltsentwurf für das kommende Jahr im Parlament eine Mehrheit finden wird“. Und klar ist: Ohne Geld keine Regierung. Es würde wohl ziemlich chaotisch in Berlin.
Neuwahl? Das wäre erst in drei bis vier Monaten möglich
Wahrscheinlicher wäre also, dass die Rest-Regierung früher oder später über eine Vertrauensfrage von Kanzler Scholz eine Neuwahl in die Wege leitet. Wie Marschall erklärt, würde eine solche Neuwahl aber vermutlich erst in drei bis vier Monaten stattfinden.
Der Grund: „Der Kanzler kann die Vertrauensfrage stellen, der Bundestag kann darüber frühestens 48 Stunden nach Einreichung des Antrags entscheiden. Lehnt der Bundestag den Antrag ab und der Bundeskanzler beantragt die Auflösung des Parlaments beim Bundespräsidenten, hat dieser 21 Tage Zeit, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzuberaumen.“
Zwischen der Auflösung und der Neuwahl dürfen laut dem Experten maximal 60 Tage liegen.
„Allerdings brauchen die Parteien auch Zeit, um ihre Beteiligung anzuzeigen, Landeslisten und Kreiswahlvorschläge zu bilden sowie ihre Wahlprogramme zu verabschieden. Normalerweise hat eine Wahl eine Vorlaufzeit von rund 100 Tagen.“
Datum für Neuwahl kursiert bereits
Im politischen Berlin kursiert bereits ein Datum für eine mögliche Neuwahl: der 9. März. Das wäre sechseinhalb Monate vor der eigentlichen Bundestagswahl, die für den 28. September 2025 angesetzt ist.
Das Datum macht angesichts der aktuellen Entwicklungen durchaus Sinn. Denn: Würde die FDP wirklich aus der Koalition aussteigen und alles auf die Vertrauensfrage hinauslaufen, würde Scholz sie vermutlich in der letzten Sitzungswoche vor den Weihnachtstagen stellen.
Dass eine Neuwahl rund drei Monate später stattfindet, würde sich mit Marschalls Erläuterungen decken.
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