Nach dem vorzeitigen Ende der Ampelkoalition ordnet sich die Bundesregierung neu. Drei FDP-Minister verlassen die Regierung, Wissing bleibt als Parteiloser. Die Minister von SPD und Grünen bleiben im Amt.
Nach drei schwierigen Jahren unter anderem mit dem Krieg in der Ukraine, Rekordinflation und Rezession zerbrach die erste Ampelkoalition im Bund am Mittwoch – knapp ein Jahr vor der regulären Wahl. Laut Bundeskanzler Olaf Scholz könnten eine Neuwahl bis spätestens Ende März stattfinden. Die Konturen der rot-grünen Minderheitsregierung, die bis dahin im Amt bleibt, zeichnen sich bereits ab.
Nachfolger des entlassenen Christian Lindner als Finanzminister wird Jörg Kukies, wie ein Regierungssprecher bestätigte. Der frühere Goldman-Sachs-Investmentbanker ist ein Vertrauter von Kanzler Olaf Scholz und war zuletzt Staatssekretär im Kanzleramt.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatte am Mittwochabend angekündigt, alle Minister seiner Partei wollten ihren Rücktritt geschlossen beim Bundespräsidenten einreichen. Doch Verkehrsminister Volker Wissing will trotz des Rückzugs anderer FDP-Minister seinen Posten in der Regierung behalten. Er kündigte zudem an, aus der FDP austreten zu wollen.
Buschmann und Stark-Watzinger bitten um Entlassung
Bundesjustizminister Marco Buschmann hat Bundeskanzler Scholz offiziell um seine Entlassung gebeten. In einer Erklärung schreibt der FDP-Politiker, der scheidende Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzende Christian Lindner habe innerhalb der Bundesregierung Vorschläge gemacht, um Deutschland aus einer schwierigen wirtschaftlichen Lage zu führen.
„Warum der Bundeskanzler den geordneten Weg zu Neuwahlen ausgeschlagen hat, um sodann selbst die Koalition aufzukündigen und in völlig unklaren Verhältnissen Neuwahlen anzustreben, erschließt sich mir nicht“, erklärte Buschmann. „Die Aufgabe als Bundesminister der Justiz hat mir viel Freude bereitet“, schrieb der FDP-Politiker.
Auch Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger gibt ihr Amt auf. Die FDP-Politikerin habe am Donnerstagmorgen formal um ihre Entlassung gebeten, teilte eine Ministeriumssprecherin mit. Demnach hatte sie dies bereits am Mittwochabend gegenüber Scholz angekündigt.
In einer in ihrer Funktion als hessische FDP-Landesvorsitzende verbreiteten Stellungnahme erklärte Stark-Watzinger, eine „Regierungsbeteiligung der Freien Demokraten ist niemals Selbstzweck. Unser Anspruch, nicht erpressbar zu sein und die Gewissheit, aus Überzeugung für unser Land zu handeln, waren an politischen Wendepunkten immer ein erfolgreicher Kompass für uns.“
Die Posten von Justizminister Buschmann und Bildungsministerin Stark-Watzinger werden nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa voraussichtlich von Ministern übernommen, die bereits dem Kabinett angehören.
Grüne und SPD-Minister bleiben im Amt
Die Grünen wollen bis zu einer möglichen Neuwahl in einer Regierung mit der SPD bleiben. Die Minister von SPD und Grünen bleiben deshalb im Amt, bis die Neuwahl durchgeführt und eine neue Koalition gebildet ist.
Dem grünen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck zufolge ist die Regierung handlungsfähig. Sie könne ihre Arbeit „gut weitermachen“, sagte er im Deutschlandfunk.
Allerdings sei es eine schwere Hypothek, dass die Regierung keinen Haushalt mehr für das kommende Jahr beschlossen habe. Es habe zuletzt noch eine Lücke im Haushaltsentwurf von fünf bis acht Milliarden Euro gegeben. „Natürlich ist es möglich, wenn man auch will.“ Die Regierung hätte diese Lücke stopfen können. Insofern sei die Entscheidung Scholz‘ folgerichtig und konsequent gewesen, Lindner zu entlassen.
Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock warf Lindner vor, keine Verantwortung mehr für Deutschland tragen zu wollen. Dies sei aber weiter nötig. „Das tun wir jetzt auf andere Weise“, sagte sie in der ARD.
CDU-Chef Merz will schnelle Neuwahl
Eine besondere Rolle kommt Oppositionsführer Friedrich Merz zu. Umstritten ist, ob Scholz wie geplant erst Mitte Januar die Vertrauensfrage im Bundestag stellen sollte, die dann den Weg zu einer Neuwahl ebnen würde. CDU-Chef Merz sagte, wenn Scholz den Weg zu einer schnellen Neuwahl freimache, werde die Union prüfen, welche Gesetzesprojekte sie bis dahin unterstützen könne.
Die Vertrauensfrage sollte aber sofort gestellt werden – „spätestens Anfang nächster Woche“, so Merz. Der Bundespräsident könne dann den Bundestag innerhalb der Frist von 21 Tagen auflösen. „Wir sind selbstverständlich bereit, Gespräche zu führen, selbstverständlich bereit, auch hier Verantwortung für unser Land zu übernehmen.“ Es gebe keinen Grund, mit Neuwahlen bis zum Frühjahr zu warten.
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