Kommunalwahl in München: Die OB-Kandidaten trainieren für ihren Dreikampf

Neben dem Dampfnudelstand parkt das weiße Kristina-Frank-Wahlkampfmobil. Das pedalgetriebene Vehikel mit seinem Zeltdach wirkt ein wenig fremdartig zwischen all den Tannenzweigen, Holzbüdchen und Glühweintrinkern – wie ein Besucher vom fernen Adria-Strand. Frank selbst, mit einer hölzernen Nikolaus-Klammer am Mantel, lauscht wenige Meter entfernt den Jugendchören des Pfarrverbands Haidhausen. Und erklärt dann, mit einer betont nachdenklichen Rede, den Weihnachtsmarkt am Weißenburger Platz für eröffnet. Die Fotoapparate klicken, allerdings eher der singenden Kinder wegen als aus Interesse an der Oberbürgermeister-Kandidatin der CSU, die freundlich in die Menge strahlt und am Mikrofon das festliche Haidhauser Ambiente lobt. Dann plaudert sie ein wenig mit den Umstehenden und startet zum Rundgang durch das Budendorf.

Ein paar Kilometer weiter westlich, in der Pasinger Fabrik, tritt an diesem Abend eine andere Wahlkämpferin auf: Katrin Habenschaden, die für die Grünen ins Rennen um den Chefposten im Rathaus zieht. Scheinwerfer tauchen den Saal in dezentes grünes Licht, fast alle Plätze sind belegt und die Zuschauer sind mit munterem Zahlenraten beschäftigt. Wie viel Plastik wird tatsächlich recycelt – bei der korrekten Prozentzahl bitte aufstehen. Aufstehen, hinsetzen, aufstehen, hinsetzen. Es ist ein Heimspiel. Zahlreiche Parteifreunde und Sympathisanten sind im Saal, das Thema Plastik passt perfekt ins Repertoire der Grünen. Die Bankkauffrau Habenschaden, die auch eine Ausbildung als Wald- und Wildnispädagogin hat, hält eine Rede über Müllvermeidung bei der Stadt und beantwortet Fragen („Wann zuletzt hattest du versehentlich einen Coffee-to-go-Becher in der Hand?“). Sie ist wohl vorbereitet, wirkt munter und selbstsicher.

Eigentlich, da sind sich alle Wahlkämpfer einig, beginnt die heiße Phase erst nach dem 6. Januar. Aber natürlich sind die Kandidatinnen für das Amt des Oberbürgermeisters trotzdem schon unterwegs. Es gilt, bekannter zu werden – wobei beide den Eindruck haben, dass sich da schon einiges getan hat. Es ist ja auch eine interessante Konstellation: Ein amtierender SPD-Oberbürgermeister wird von zwei Frauen herausgefordert. Es handelt sich um den ersten echten Dreikampf bei einer Münchner OB-Wahl – bislang wurde die Schlacht um Wählerstimmen allein zwischen SPD und CSU ausgetragen und war von Männern geprägt.

Katrin Habenschaden, Fraktionschefin der Grünen, auf dem Candidplatz.

(Foto: Stephan Rumpf)

Seit aber die Grünen so stark geworden sind, können sie an der Spitze mitmischen. Habenschaden merkt das ganz deutlich: Die grüne Kandidatin wird von zahlreichen Verbänden und Kammern eingeladen, die sich früher nie um eine Politikerin dieser Couleur gekümmert hätten. „Es herrscht ein großes Interesse, mich kennenzulernen“, berichtet sie. Ihr Vorteil: Als Fraktionsvorsitzende im Rathaus kann sie ein breites Themenspektrum abdecken und bei den Stadtratssitzungen Kante zeigen. Der Nachteil ist, dass der Fraktions-Job ja trotz des Wahlkampfs weiter erledigt werden muss. Nebenbei sozusagen. Dieses Schicksal teilt sie allerdings mit ihren Konkurrenten.

Frank etwa muss ständig darauf achten, ob sie nun als Kommunalreferentin oder als OB-Kandidatin der CSU spricht. „Das ist immer ein Wechsel von unterschiedlichen Hüten“, hat die einstige Staatsanwältin und Richterin festgestellt. Ganz trennen lasse sich das nie, schon des Publikums wegen, das auf derlei Feinheiten keinen Wert legt und schlicht Antworten auf die eigenen Fragen erwartet. Egal, ob sie von der Kommunalreferentin oder der Wahlkämpferin kommen. Frank ist wie Habenschaden derzeit vor allem auf Veranstaltungen unterwegs, freie Abende gibt es zumindest unter der Woche kaum noch. Beide haben schon Touren durch die Stadtviertel hinter sich.

Kristina Frank und Manuel Pretzl mit Recircle Pfandgeschirr auf dem Viktualienmarkt in München, 2019

Kommunalreferentin Kristina Frank tritt für die CSU auffallend oft im „Tandem“ mit Bürgermeister Manuel Pretzl auf.

(Foto: Catherina Hess)

Frank hat aber noch ein Spezialformat im Wahlkampfsortiment: das „Tandem“ mit Bürgermeister Manuel Pretzl. Die beiden teilen sich die Aufgaben: Pretzl soll auf der konservativen Seite Stimmen fangen, die Rad fahrende, berufstätige Mutter Kristina Frank im liberalen Großstadtmilieu. Dazu soll die Kombi ein Manko im Stadtrat wettmachen. Frank darf als Kommunalreferentin nur zu ihren Themen sprechen, während Reiter und Habenschaden überall angreifen können. Das CSU-Doppelpack ist so unzertrennlich, dass es sogar bei der Präsentation der Mehrweg-Strategie der Suppenküche am Viktualienmarkt gemeinsam erscheint oder als Duo Ideen für die Umgestaltung der ziemlich lieblos wirkenden Herzog-Wilhelm-Straße präsentiert.

Die Wahlkampf-Strategie des amtierenden Oberbürgermeisters Dieter Reiter (SPD) besteht derzeit vor allem darin, Oberbürgermeister Dieter Reiter zu sein. Das Amt und die damit verbundenen Bekanntheit bewahren ihn vor der Ochsentour in jedes Hinterzimmer und jeden Hinterhof, um sich als Kandidat und Person bekannt zu machen. „Mein Terminplan ist voll, ich erfülle meine Aufgabe. Das ist es, was die Leute von mir erwarten“, sagt Reiter. Einen Job so gut wie möglich zu erledigen, das sei die beste Art und Weise, sich für genau diesen wieder zu empfehlen. Und der SPD-Kandidat weiß genau, dass er mit diesem Amtsbonus wuchern kann. Er hat ein Alleinstellungsmerkmal, gegen das die Herausforderinnen stets ankämpfen müssen. Ob jemand für das Amt geeignet sei, „das kann ich als einziger beweisen“.

Neue öffentliche Toiletten für München, 2019

Amtsinhaber Dieter Reiter, SPD, beim Vorstellen eines Toilettenhäuschens.

(Foto: Catherina Hess)

Groß verändert hat Reiter seinen Stil als Oberbürgermeister im Wahlkampf bisher nicht. Ob er die kürzlich vorgestellten neuen Toilettenhäuschen auch Mitte der Wahlperiode zusammen mit Baureferentin Rosemarie Hingerl vorgestellt hätte, geschenkt. Die Zahl seiner Auftritte hat sich jedenfalls nicht inflationär vervielfältigt, und auch auf der Bühne mit der Gitarre in der Hand wird man ihn nicht ständig erleben. Kürzlich hatte er mit dem Liedermacher Roland Hefter, der für die SPD als Stadtrat kandidiert, bei einem Wohltätigkeits-Event ein Lied dargeboten, doch das wird kein Dauerbrenner in den kommenenden Monaten werden. „Das mache ich nur für den guten Zweck.“ Die Musik sei ein Hobby, er werde im Wahlkampf nicht „als singender OB“ durch die Stadt touren.

Nach Weihnachten wird er dies aber verstärkt als für sein Amt und seine Partei aktiver Wahlkämpfer tun. Bisher spielte Reiter sehr punktuell mit seiner SPD und Bürgern Boule auf dem Bordeauxplatz oder besuchte eine Diskussion der Münchner Frauenverbände.

Grundsätzlich ist bei Reiter die Strategie zu erkennen, den beiden Herausforderinnen nicht zu viel Raum und Möglichkeit zu geben, sich an ihm abzuarbeiten. Das schließt auch ein, sich nicht ständig mit ihnen direkt auf einer Diskussionsbühne auseinanderzusetzen. Er werde da lediglich „die eine oder andere Runde“ mitmachen, sagt Reiter. Die Folge ist, dass es den beiden Herausfordererinnen öfter so ergehen wird beim Diskussionsabend des LBV und der evangelischen Hochschulgemeinde. Auf der Bühne stritten Frank und Habenschaden wohl formuliert über den Zwist oder die Gemeinsamkeiten von Ökologie und Ökonomie. Den Mann, dessen Büro sie übernehmen wollen, müssen sich die Zuhörer dazudenken. Wem das letztlich dient, wird der 15. März zeigen.

Politik in München Münchens Zentrum der Macht

Münchens Zentrum der Macht

Was hat es eigentlich mit dem Weißwurstzimmer im zweiten Stock auf sich? Warum hat der Zweite Bürgermeister Stufen mitten in seinem Büro? Und wo haben die Fraktionen ihre Räume? Ein Rundgang durch das Neue Rathaus.


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