Donald Trump erklärt sein Programm in den ersten 100 Tagen im Präsidentenamt. Es ist sein „Versprechen“ an die Amerikaner. Er äußert sich auch über die Sex-Vorwürfe – und spricht eine Drohung aus.
Gettysburg ist für Amerikaner geheiligter Grund, und dort, wo in den ersten Julitagen des Jahres 1863 rund 50.000 Soldaten beim Sieg der Unions-Truppen über die Konföderierten starben, hielt viereinhalb Monate später Präsident Abraham Lincoln eine geschichtsmächtige Rede zur Zukunft der Nation.
Es war in Gettysburg, wo Donald Trump am Samstag in jene tiefen Fußspuren stieg: Der republikanische Präsidentschaftskandidat, gebeutelt durch schlechte Umfragewerte und aktuelle Vorwürfe sexueller Zudringlichkeiten, stellte sein 100-Tage-Programm vor.
Dies sei sein „Versprechen“ an die Amerikaner, falls er am 8. November gewählt werde und am 20. Januar 2017 ins Weiße Haus einziehe.
PART I – Alles ist schlecht
Trump sei kein Politiker und habe nie einer werden wollen, „glaubt mir“, versicherte er einleitend. Aber als er den schlimmen Zustand und die Teilung der Nation gesehen habe, musste er handeln.
Es folgte die übliche pessimistische Bestandsaufnahme: Schlechter Zustand der Innenstädte, Gewalt, ein herunter gespartes Militär, Veteranen, denen es daheim schlechter gehe als illegalen Einwanderern. „Das System ist völlig manipuliert und zerbrochen.“
Bis zu 24 Millionen Wahlregistrierungen seien unecht. Als Trump an diese Stelle kommt, hat er acht Minuten geredet – und damit schon viermal so lang wie Lincoln, der sich tatsächlich auf zwei Minuten zu beschränken wusste.
Part II – Ich werde klagen
Trump ging auf die Vorwürfe der sexuellen Zudringlichkeiten gegen sich ein. „Die Vorfälle haben nie stattgefunden, alle diese Frauen lügen und sie werden nach der Wahl verklagt.“
Zur Erinnerung: Zehn Frauen haben bislang entsprechende Vorwürfe erhoben. Aber gehört die Ankündigung privater Rechtsverfahren in ein Regierungsprogramm?
PART III – Hillarys Verfehlungen
Die demokratische Rivalin Hillary Clinton „kandidiert nicht gegen mich, sondern gegen Wandel“, sagte Trump. Er machte sie als wesentlichen Teil einer „korrupten Elite“ in Politik und Wirtschaft aus. Clinton wehre sich dagegen, dass er „den Washingtoner Sumpf trockenlegen“ wolle. Und Clinton, die wegen ihrer Verfehlungen eigentlich gar nicht kandidieren dürfe, würde von den Medien unfair unterstützt.
PART IV – Das 100-Tage-Programm
Es ist mittlerweile 12.20 Uhr, jetzt hätte Lincolns Rede schon neunmal verlesen werden können. Trump kommt zum Thema: seine ersten Amtshandlungen. Manche klingen gut. Etwa das Versprechen, für jede neue Regulierung zwei alte zu streichen. Weniger Bürokratie täte Amerika und vor allem dem Mittelstand in der Tat gut. Darum sollen auch keine neuen Regierungsbeamten eingestellt werden.
Oder: Veteranen, die derzeit oft Wochen auf einen Termin in ihren speziellen Krankenhäusern warten müssen, können stattdessen zu jedem Arzt ihrer Wahl gehen, und der Staat übernimmt die Rechnung. Regelrecht revolutionär wäre die Umsetzung von Trumps Idee, die Amtsperioden von Abgeordneten und Senatoren zu begrenzen.
PART V – Die Zahlen
Jedes Jahr soll das Bruttosozialprodukt um mindestens vier Prozent wachsen. Für Unternehmen wird die Körperschaftssteuer von 35 auf 15 Prozent gekürzt. Die Steuerbelastung für Familien mit zwei Kindern geht um 35 Prozent zurück. Binnen einer Dekade würden 25 Millionen neue Jobs geschaffen.
Das klingt schön – aber wie dies nur durch niedrigere Steuern und die Aufkündigung bestehender Freihandelsverträge gelingen soll, ist dubios. Zumal die Aufhebung aller Restriktionen bei der Förderung amerikanischer Energieträger, von Kohle bis Öl, in einer Zeit niedriger Ölpreise keinen Boom auslösen wird. Trump will zwei Millionen kriminelle Einwanderer binnen der ersten 100 Tage deportieren.
PART VI – Die alten Hüte
Und natürlich kommen auch die ausgelutschten Ideen erneut zum Tragen: Die Mauer wird gebaut und Mexiko wird sie voll und ganz bezahlen. Der transpazifische Freihandelsvertrag wird storniert und China als Währungsmanipulator gebrandmarkt.
Die von Umweltschützern bekämpfte Ölpipeline Keystone XL von Kanada bis zum Golf von Mexiko, zu der Clinton noch keine klare Position formuliert hat, wird vollendet. Obamacare wird einkassiert und durch ein besseres System ersetzt. Was passiert aber mit jenen 16,4 Millionen Amerikanern, die sich über Obamacare versichern ließen?
Trumps Rede endet nach 38 Minuten. 10 mal Lincoln, gewissermaßen. Als Wahlkampfauftritt war sie gut. In die Geschichtsbücher geht sie nicht ein.
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