Wie viel Geld noch in der Kasse ist – darüber macht Adidas-Chef Kasper Rorsted keine Angaben. Es wird jedenfalls von Tag zu Tag weniger. Ende 2019 waren es 2,5 Milliarden Euro. Zudem gab es Kreditlinien von über zwei Milliarden Euro.
Doch jetzt steht der nach Nike zweitgrößte Sportartikelkonzern der Welt wegen der Corona-Pandemie mit Ausgangsbeschränkungen und verwaisten Einkaufsmeilen auf allen Kontinenten vor einer „beispiellosen Situation, wie das Geschäft wegbricht“, so ein Sprecher.
Bis auf das Onlinegeschäft und den langsam sich wieder erholenden China-Markt geht praktisch nichts mehr. Der Umsatz liegt in Schlüsselmärkten um 60 Prozent unter dem Vorjahr, etwa 70 Prozent aller Geschäfte weltweit sind geschlossen.
Für Adidas-Chefs Rorsted rechtfertigt dies, ein hastig in der Corona-Krise verfasstes neues deutsches Mieterrecht mit erweitertem Kündigungsschutz zu nutzen. So zahlt Adidas für seine Geschäfte in Deutschland für April zunächst keine Miete und lässt anschreiben. Ob auch die Miete für den Mai gestundet werden soll, lässt der Konzern noch offen, der für 2019 noch von einem Rekordjahr berichtete.
Seit vor wenigen Tagen der Mietenstopp publik wurde, prasselt Kritik auf den Konzern herein. Ein Shitstorm. Politiker und Verbraucher sind empört, und Adidas versucht sich nach Ansicht von Experten viel zu spät zu rechtfertigen. Es handele sich nur um 26 Objekte, und für die vier von Privatpersonen vermieteten Läden werde auch weiter pünktlich die Miete bezahlt, erklärt jetzt ein Sprecher.
Auch viele andere Unternehmen würden vorsorglich Mietzahlungen temporär stunden lassen, wenn die Läden geschlossen sind. Ein versteckter Hinweis, dass es andere große Handelsketten gibt, die jetzt weniger am öffentlichen Pranger stehen.
So hat beispielsweise auch die Deichmann-Schuhkette mit rund 1500 Filialen allein in Deutschland angekündigt, bei den Vermietern um Stundung zu bitten. Adidas gehört Aktionären, die zu 43 Prozent in den USA ihren Sitz haben. Deichmann ist ein Familienunternehmen mit Milliardenvermögen.
Hinter der Stundung der Mietzahlungen steht wohl doppeltes Kalkül der Finanzabteilung, die eher das Geld als das Ansehen einer Firma im Blick hat. Mit der erpressten Stundung der Mietzahlungen bleibt zunächst das Geld noch in der Kasse, und beim Vermieter könnte dann womöglich ein Abschlag ausgehandelt werden.
Dabei ist der Mietenstopp nur ein kleiner Beleg für den tiefen Fall wirtschaftlicher Kennziffern bei Adidas. So soll der deutsche Staat auch beim Kurzarbeitergeld für Adidas-Beschäftigte einspringen. Das Volumen ist zunächst noch unklar, und ob der Konzern, der gerne die Sportideale wie Teamgeist und Fairness hochhält, womöglich aus eigener Kasse etwas aufstockt.
Keine Staatshilfe, aber Kredite
Als Signal nach außen will der Vorstand um Kasper Rorsted bis auf Weiteres auf die Hälfte seiner Millionengehälter verzichten. Dabei kassierte Rorsted für 2019 noch rund 6,6 Millionen Euro.
Auf die Frage, ob sich der Adidas-Chef sogar eine Situation vorstellen kann, in der der Sportkonzern Staatshilfe beantragen müsste, sagt Rorsted der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Direkte Staatshilfe nicht, aber wir werden Kredite brauchen, wir bei Adidas wie auch die Wirtschaft insgesamt.“
Der Konzern, der 2019 noch über 400 Millionen Paar Schuhe verkaufte, fast 24 Milliarden Euro Umsatz und fast zwei Milliarden Euro Gewinn erzielte und über 60.000 Beschäftigte hat, sendet plötzlich SOS-Signale. Zu Beginn der Corona-Krise sei Adidas noch ein kerngesundes Unternehmen gewesen, so Rorsted.
In den vergangenen drei Monaten ist der Aktienkurs nun aber um fast 30 Prozent eingebrochen, wenn auch die Tiefststände schon wieder überwunden sind. Derzeit wagt niemand eine Prognose, wann und in welchem Umfang die Adidas-Geschäfte wieder ihre Pforten öffnen.
Aktuell versucht Adidas vor allem, den Online-Handel auszubauen. Eine Kernfrage sind die Lieferketten, vor allem aus Asien. So stammen 43 Prozent aller Adidas-Schuhe aus Vietnam, die meisten Textilien kommen aus Kambodscha (23 Prozent) und die meisten Bälle und Taschen aus China.
Dass in diesem Jahr sowohl die Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Spiele in Japan gestrichen wurden, ist für Adidas noch zu verkraften. Insgesamt erzielt der Sportriese aus den beiden Großveranstaltungen zusammen nur 50 bis 70 Millionen Euro Umsatz.
Viel wichtiger wäre, wenn große Schlüsselmärkte wieder eröffnet werden und insgesamt Fußballspiele oder Laufveranstaltungen stattfinden. Jüngst wurde Adidas-Chef Rorsted gefragt, wie er die längerfristigen Aussichten beurteilt. „Sport und Gesundheit sind ein Wachstumsmarkt“, sagte er. Nur wann der wieder anspringt, sei völlig offen.
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