Europa steht vor einem Boom der Batteriezellenfertigung für Elektroautos – und Deutschland wird das mit Abstand wichtigste Zentrum dieser Zukunftsindustrie. Das prognostizieren die Fachleute des Brüsseler Klimaschutzverbands Transport & Environment (T&E) in einer neuen Marktanalyse, die der F.A.Z. vorliegt. Die Batteriezelle ist eine Schlüsselkomponente im schnell wachsenden Markt für Elektroautos: Ungefähr 40 Prozent der gesamten Wertschöpfung in der Fertigung batterie-elektrischer Fahrzeuge entfällt auf den Akku.
Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Bisher sind die europäischen Hersteller fast vollständig auf Lieferungen aus asiatischen Batteriezellenfabriken angewiesen. Das könnte sich jetzt schneller als bislang angenommen ändern: Schon dieses Jahr werde Europa über genügend heimische Produktionskapazitäten für Batteriezellen verfügen, um seinen Bedarf zu decken, sagt T&E voraus.
Nach Zählung der Verkehrsexperten sind derzeit in Europa 22 große Fabriken zur Herstellung von Batteriezellen („gigafactories“) geplant. Teilweise sind diese bereits im Bau. Dadurch würden bis zum Jahr 2030 ungefähr 100.000 neue Arbeitsplätze entstehen, die erwartete Jobverluste in der Herstellung von konventionellen Autos mit Verbrennungsmotor zumindest teilweise wettmachen könnten.
In Deutschland ist eine ganze Reihe von Standorten vorgesehen – darunter die neue Fabrik von Tesla in Brandenburg, das Werk von Volkswagen und Northvolt in Salzgitter und ein weiteres bei Opel in Kaiserslautern. Auch asiatische Hersteller bauen in Europa neue Fabriken. So wollen unter anderem die chinesischen Unternehmen CATL und SVolt in Thüringen und im Saarland Akkus für den europäischen Markt herstellen.
Die Hersteller rüsten um
Transport & Environment schätzt, dass sich durch die Investitionsoffensive die Produktionskapazität für Batteriezellen in Europa bis zur Mitte des Jahrzehnts fast verzehnfachen wird: 2020 betrug sie 49 Gigawattstunden, im Jahr 2025 könnte sie 460 Gigawattstunden erreichen, was für eine Jahresproduktion von etwa acht Millionen Elektroautos reichen würde.
Rund die Hälfte davon entfalle voraussichtlich auf deutsche Fabriken. Deutschland werde damit in Europa der klar dominierende Standort für die Batteriezellen-Fertigung – vor Polen, Ungarn, Norwegen, Schweden und Frankreich.
Sollten die Fachleute mit ihrer Prognose richtig liegen, wird der Aufbau einer Batteriezellen-Industrie in Europa schneller gelingen, als bislang von der EU angepeilt. Der europäische Staatenbund und die Mitgliedstaaten mobilisieren Milliardenhilfen, um den Rückstand bei der Herstellung der wichtigen Stromspeicher gegenüber asiatischen Ländern aufzuholen.
Der Verkauf von Elektroautos ist nicht zuletzt dank staatlicher Kaufprämien im vergangenen Jahr gegen den Trend stark gestiegen. Deutschland ist mittlerweile hinter China der zweitgrößte Markt für Elektroautos auf der Welt. 2020 ist der Absatz hierzulande um 260 Prozent nach oben geschnellt. Jeder siebte in Deutschland zugelassene Neuwagen verfügte über einen elektrischen oder teil-elektrischen Antrieb. Das meistverkaufte Elektroauto der Welt ist der Tesla Model 3.
Die Autoindustrie setzt inzwischen immer stärker auf den Elektroantrieb. Ford hat angekündigt, in Europa ab dem Jahr 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr anzubieten. Volvo und Jaguar Land Rover wollen den Verbrenner ebenfalls ausmustern.
Der Stuttgarter Hersteller Porsche rechnet damit, dass bis Ende des Jahrzehnts mehr als 80 Prozent seines Sportwagenabsatzes auf Elektroautos entfallen werden. Daimler-Vorstandschef Ola Källenius zeigt sich dagegen zurückhaltender: Das Unternehmen werde die Verbrenner nicht „vorzeitig“ aus dem Programm nehmen, weil mit diesen weiter viel Geld zu verdienen sei, sagte er kürzlich.
Der Verband T&E ist die Dachorganisation von rund 60 Umweltschutzverbänden in Europa mit verkehrspolitischer Ausrichtung. Unterstützt wird T&E von verschiedenen Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen, zu denen auch der Word Wildlife Fund (WWF) zählt.
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