Ausbildung in Deutschland: „Ich wollte ein freier Imam sein“

Imam wird man in kleinen Schritten. Einen geht Muhamed Memedi an einem grauen Samstagvormittag im elterlichen Wohnzimmer in Düsseldorf. Memedi sitzt hier vor seinem Laptop und notiert sich, dass Moscheegemeinden für kleine Übersetzungsdienste 50 Euro berechnen können. „Muss es sich um einen zertifizierten Übersetzer handeln?“, will Memedi wissen. „Nein, wenn es sich nur um so etwas wie einen Flyer handelt, nicht. Dann kann man 50 Euro berechnen, und die kann der Übersetzer annehmen oder der Gemeinde spenden“, erklärt die Dozentin im Zoom-Seminar.

In der Schrankwand vor Memedi stehen silberne und goldene Teeservice auf Spitzen-Zierdeckchen. Die Pralinen in der Kristallschale auf dem Tisch rührt er nicht an, er wirkt konzentriert, will alles genau wissen. „Tut mir leid, ich frage zu viel, ich hör jetzt auf.“ – „Alles gut, Herr Memedi. Die Gemeinden sind auf alles Geld angewiesen, passen Sie auf, dass Ihnen da, salopp gesprochen, nichts flöten geht.“

Muhamed Memedi, ein kleiner Mann Mitte 30 mit weichen Gesichtszügen, lernt am Islamkolleg Deutschland (IKD), wie Gemeindearbeit funktioniert. Förderanträge, Seelsorge, Jugendarbeit. Lauter Dinge, die er im Studium der Islamischen Theologie nicht gelernt hat. Das IKD in Osnabrück ist das muslimische Pendant zu Priester- und Predigerseminaren. Memedi gehört zum ersten Jahrgang des IKD und zu einer neuen Generation künftiger Imame, die in Deutschland sozialisiert wurden, auf Deutsch predigen werden.

Beim Zoom-Seminar ist jetzt Pause, für Essen und Gebet. Danach sei dann auch „inschallah“ die Internetverbindung stabiler, sagt die Dozentin. Memedi geht ins Bad, wäscht sich Unterarme und Füße und betet dann leise murmelnd mit geschlossenen Augen auf dem Wohnzimmerteppich. In der nächsten Stunde sollen die rund 30 Teilnehmer eine Veranstaltung konzipieren und einen Förderantrag dafür ausarbeiten. Memedi schlägt eine Nachbarschaftsfeier zum Zuckerfest vor und wird gelobt.

Dem deutschen Staat ist das Vorhaben einiges wert. Das Bundesinnenministerium und das niedersächsische Wissenschaftsministerium finanzieren es, gut eine Million Euro gibt es jährlich, fünf Jahre lang. Was danach passiert, ist offen. Auch weil von den vier großen islamischen Dachverbänden nur einer, der Zentralrat der Muslime, mit an Bord ist. Unsicher ist deshalb auch die Zukunft der Absolventen. Im schlimmsten Fall finden sich keine Moscheen, die sich einen deutschsprachigen hauptamtlichen Imam leisten können und wollen – und das Vorzeigeprojekt verpufft.

Die meisten Imame werden aus der Türkei finanziert

Es gilt deshalb als wegweisend, weil die meisten Imame hierzulande bisher aus dem Ausland kommen, vor allem aus der Türkei. Sie predigen auf Türkisch und werden vom türkischen Staat bezahlt, besonders in den knapp 1000 DITIB-Moscheen. Die DITIB ist die größte muslimische Organisation in Deutschland und untersteht der staatlichen Religionsbehörde der Türkei. Jeweils knapp 400 Moscheegemeinden in Deutschland gehören dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) an. Die restlichen gut 700 Gemeinden sind keinem Dachverband zugehörig, finanzieren sich teils aus Spendenbeiträgen, teils auch mit türkischem Geld. Das IKD hingegen ist an keinen Verband und keine Nation gebunden, die dortige Ausbildung wurde mit islamischen Theologen deutscher Universitäten entwickelt.

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