Rücktritt von Mitterlehner: Was Freund und Feind sagen

  • Grünen-Chefin Eva Glawischnig bedauert den Rücktritt Mitterlehners: „Ich bedauere es, dass mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ein Politiker aus all seinen Ämtern scheidet, der für einen konstruktiven Kurs bekannt war. Ich habe großen Respekt vor dieser sehr persönlichen Entscheidung. Er hat immer versucht – trotz aller Koalitionsquerelen und parteiinternen Querschüssen – an dringend notwendigen Reformen für Österreich zu arbeiten.“ Mitterlehner wollte ihren Worten nach offensichtlich den „Oberbrandstifter in der Koalition“, Innenminister Wolfgang Sobotka, seines Amtes entheben und sei damit an der ÖVP Niederösterreich gescheitert. „Wenn es dem schon lange als neuen ÖVP-Chef gehandelten Sebastian Kurz nicht gelingt, die Störaktionen aus den eigenen Reihen in Griff zu bekommen, ist ein Scheitern der Koalition nur eine Frage der Zeit“, sagt Glawischnig.
  • Vorerst keine Stellungnahme gab es von Innenminister Wolfgang Sobatka (ÖVP), der mit seiner Kritik an Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zuletzt auch Mitterlehner massiv verärgert hatte.
  • Bundeskanzler Christian Kern sieht nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner keinen Grund für vorgezogene Neuwahlen. Die kommenden Entscheidungen bei der ÖVP könnten eine Chance für das Land und die weitere Regierungsarbeit sein, sagte Kern. „Ich biete der ÖVP und Sebastian Kurz eine Reformpartnerschaft an“, so der Kanzler. Kern bedauerte die Entscheidung des ÖVP-Parteichefs und Vizekanzlers. Er könne den Schritt aber nachvollziehen. „Es gab viele Streitereien. Mehr als uns wohl lieb waren“, sagte Kern über die Regierungszusammenarbeit.
  • Mitterlehner kritisierte in seiner Abschiedsrede auch scharf den ORF. Die ZIB2 habe einen Beitrag mit einem Hinweis und Bild auf den Film „Django – die Totengräber warten schon“ begonnen. Zu seinem „Selbstschutz“ und dem der eigenen Familie ziehe er nun die Konsequenzen. ZIB-2-Anchormann Armin Wolf wollte die Vorwürfe von Mitterlehner gegenüber den SN nicht kommentieren. Wolf verwies lediglich auf die „Zeit im Bild 2“ am Abend. Am Nachmittag folgte die offizielle Aussendung des ORF. ORF-TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher teilte mit: „Wenn sich jemand gekränkt fühlt, dann tut man gut daran, dies auch ernst zu nehmen: Die Illustration einer ZiB-2-Moderation mit einem alten Filmplakat der „Django“-Serie hat Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ganz offensichtlich verärgert. Der Redaktion ging es darum, die von Mitterlehner selbst immer wieder ins Spiel gebrachte Rolle als Westernheld „Django“ – sein Couleurname im Cartellverband – aufzugreifen. Die Formulierung von ZiB2-Moderator Armin Wolf lautete ,Reinhold Mitterlehner hat sich durchaus gern als Django inszenieren lassen – aber dieser Tage erinnert er sich von den vielen Django-Filmen vielleicht am ehesten an diesen‘ – zu sehen war das Plakat ,Django. Die Totengräber warten schon‘. Ungeachtet der aktuellen politischen Situation, die ja heute im Rücktritt des Vizekanzlers gemündet ist, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass dies von Mitterlehner als persönliche Kränkung verstanden wurde, dies tut uns leid.“
  • Für FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl war der Rückzug Reinhold Mitterlehners als Vizekanzler und ÖVP-Parteichef seit Längerem absehbar. So sei ja der „Königsmord“ eine Art Spezialdisziplin der Volkspartei. Es sei daher nicht weiter verwunderlich gewesen, dass Mitterlehner bei seinen Schlussworten vor allem seine eigene Partei und seine eigenen Minister gescholten habe, so Kickl. Jetzt ist nach Kickls Worten auch spätestens die Zeit gekommen, wo „Brutus Kurz“ aus der Deckung kommen müsse und Verantwortung zu übernehmen habe. „Wer den Anspruch stellt, in Österreich Kanzler werden zu wollen, darf sich nicht länger hinter Herrn Sobotka verstecken, sondern wird hoffentlich noch den Mumm haben, die Obmannschaft in der eigenen Partei und den Vizekanzler in der Regierung zu übernehmen.“ ÖVP und SPÖ stünden jetzt gleichermaßen in voller Verantwortung. „Wenn sie nicht Willens oder in der Lage sind, für Österreich produktiv zu arbeiten, sollen sie dem Gemurkse ein Ende machen und den Weg für Neuwahlen frei geben“, so Kickl.
  • Der Kommentar von Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar: „Ich habe Reinhold Mitterlehner immer als konstruktiven Politiker geschätzt, mit dem man gut zusammenarbeiten konnte. Er ist aber letztlich an seiner ÖVP mitsamt ihren Grabenkämpfen gescheitert.“ Die ÖVP müsse jetzt überlegen, ob sie Österreich konstruktiv mitgestalten wolle oder durch die parteiinternen Streitigkeiten bremsen wolle.
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  • Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bezeichnet Reinhold Mitterlehners Rücktritt in einer Aussendung als „eine persönliche Entscheidung, „die zu respektieren ist“. Der scheidende Parteichef und Vizekanzler habe „die ÖVP in schwierigen und durch herausfordernde Zeiten geführt“, wofür ihm großer Dank gebühre. „Wir haben in der Sache in den unterschiedlichsten Funktionen immer gut zusammengearbeitet“, sagte Mikl-Leitner weiter. Sie weilte am Mittwoch in Brüssel und führte ihre ersten Arbeitsgespräche als Landeshauptfrau mit drei EU-Kommissaren.
  • Die niederösterreichischen Grünen warfen in einer Aussendung der Landes-Volkspartei vor, die „Verantwortung für das Regierungschaos und eventuelle Neuwahlen“ zu tragen. Dass konstruktives Arbeiten mit Innenminister Wolfgang Sobotka „nicht möglich“ sei, „wurde in den letzten Monaten mehr als deutlich“. Die ÖVP Niederösterreich unter Mikl-Leitner habe jedoch die Ablöse Sobotkas verhindert, den Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen im niederösterreichischen Landtag, in einer Aussendung als „Quertreiber“ bezeichnete.
  • Die ÖVP-Bünde, der ÖVP-Parlamentsklub, die ÖVP-Frauen und die Parteizentrale der Volkspartei dankten dem scheidenden ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner für dessen Einsatz und seine politische Arbeit. „Ich bedauere zutiefst diesen Schritt, den ich aber nachvollziehen kann und respektiere“, sagte ÖVP-Generalsekretär Werner Amon. Mitterlehner habe die Sacharbeit immer in den Vordergrund gestellt und sich vor allem durch eine konsensorientierte Arbeitsweise, wie sie eine Voraussetzung für jede Demokratie ist, ausgezeichnet, so Amon.
  • Respekt zollte dem scheidenden Parteichef auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Trotz einiger inhaltlicher Differenzen habe er mit Mitterlehner konstruktiv und sehr professionell zusammengearbeitet, meinte Lopatka. „Ich wünsche Reinhold Mitterlehner alles Gute für seine persönliche und berufliche Zukunft“, so der Klubchef.
  • Im ÖAAB machte man unterdessen die SPÖ für den Rücktritt Mitterlehners verantwortlich. „Selbst ein ausgleichender Mann der Mitte, der für Inhalte steht, wird vom Dauerwahlkampf eines Christian Kerns zu Konsequenzen gezwungen. Die SPÖ soll endlich wieder vom Wahlkampfmodus in den Arbeitsmodus zurückkehren“, so ÖAAB-Bundesobmann August Wöginger und Generalsekretär Karl Nehammer.
  • Kritik am Koalitionspartner kam auch von Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner. „Ich appelliere, wieder zu ergebnisorientierter Sach- und Zusammenarbeit zu finden und den Dauerwahlkampf zu beenden“, sagte Haubner. Lob gab es für den aus dem Wirtschaftsbund kommenden Mitterlehner. „Die heimische Wirtschaft und der Wirtschaftsstandort Österreich profitieren von zahlreichen Maßnahmen, die er initiiert und wesentlich mitgestaltet hat – etwa der Senkung der Lohnnebenkosten, der Investitionszuwachsprämie für KMU, der Erhöhung der Forschungsprämie und dem Beschäftigungsbonus.“
  • Bauernbundpräsident Jakob Auer hob Mitterlehners Beitrag zur Stabilisierung der bäuerlichen Einkommen hervor. „Reinhold Mitterlehners Rücktritt kommt für uns überraschend. Er wird sich seine Entscheidung gut überlegt haben, der Schritt ist zu respektieren und in Kenntnis des bereits von der SPÖ permanent betriebenen Wahlkampfes aus Sicht eines Sachpolitikers auch nachzuvollziehen“, meinte Auer. Die Bauern hätten in Mitterlehner einen starken Verbündeten in allen Themenlagen gehabt.
  • Die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), Michaela Reitterer, dankt Vizekanzler Mitterlehner für die jahrelange Zusammenarbeit. Sein Engagement für den österreichischen Tourismus hat der Branche in der Regierung einen ganz neuen Stellenwert eingeräumt.“ Seinem Nachfolger bzw. seiner Nachfolgerin habe er mit der Ausarbeitung einer bundesweiten Tourismusstrategie – einer Premiere – gleich nach der Übernahme des Ressorts die Latte hoch gelegt. „Das gesetzliche Verbot der Ratenparität war ein absoluter Meilenstein für die Branche. Das war die beste Entscheidung für Betriebe, Standort und Mitarbeiter“, zollt ÖHV-Generalsekretär Dr. Markus Gratzer der Weitsicht und Branchenkenntnis des scheidenden Tourismusministers Respekt.
  • Kardinal Christoph Schönborn, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, streut dem scheidenden Vizekanzler Rosen. „Mit Reinhold Mitterlehner verliert Österreich einen Spitzenpolitiker, für den die Zusammenarbeit aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte für das Gemeinwohl oberste Priorität hatte.“ In seinen zahlreich politischen Verantwortungsbereichen habe sich Mitterlehner als bekennender Katholik „immer auch von seiner christlichen Gesinnung leiten lassen“, sagte der Geistliche.

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