Die Trump-Verachtung wird Europa nicht helfen

Der mächtigste Mann der Welt kommt diese Woche nach Deutschland. Und deutsche Politiker behandeln ihn, als hätte er die Beulenpest. Sie suchen größtmöglichen Abstand zu Donald Trump, ein Distanzierungsversuch jagt den nächsten. Beim europäischen Vorbereitungstreffen für den G-20-Gipfel in der vergangenen Woche beeilte sich Bundeskanzlerin Merkel gleich mehrfach, die „Differenzen“ mit den USA zu betonen

Das ging SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz aber noch nicht weit genug, der der Kanzlerin in einem Interview mit der WELT AM SONNTAG zu große Nähe zu Trump vorwarf. Merkel müsse es endlich wagen, einen Konflikt mit dem US-Präsidenten einzugehen, so Schulz. „Man kann einem Präsidenten auch einmal ein klares Nein entgegensetzen.“

Das ist – natürlich – Wahlkampfgeplänkel. Zwar ist es absurd, die Kanzlerin in die Nähe von Trump zu rücken, die unter den westlichen Staatsmännern und -frauen diejenige war, die am schnellsten auf kritische Distanz zu Trump gegangen ist. Aber irgendwas wird beim Wähler schon hängen bleiben, so das Kalkül.

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Schulz rechnet damit, dass Merkels Verständnis von Staatsräson es ihr verbietet, zu laute und eindeutige Kritik am US-Präsidenten zu üben. Sie wird in diesem Distanzierungswettlauf deshalb immer den Kürzeren ziehen, weil ihr Amt es ihr verbietet, so groteske Dinge zu sagen wie Schulz, der Trump in besagtem Interview in eine Reihe stellte mit den Autokraten Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin.

Grober Klotz auf groben Keil

Das Ganze könnte man unter der Rubrik „ein grober Klotz auf einen groben Keil“ abheften, schließlich ist auch Trump kein Kind von Traurigkeit, wenn es darum geht, andere zu kritisieren. Aber auch wenn Trumps Tweets manchmal den gegenteiligen Eindruck vermitteln: Weltpolitik ist kein Spiel unter Pubertierenden. Deutsche Politiker gefährden deutsche Interessen, wenn sie diesen Präsidenten unnötig vor den Kopf stoßen.

Trump ist bekannt dafür, andere in Kategorie von Freund und Feind einzuteilen. Und Deutschland mit seiner sanft aufbegehrenden Kanzlerin, seiner Flüchtlingspolitik und seinem riesigen Exportüberschuss mit den USA ist ohnehin in Gefahr, vom Weißen Haus unter der Rubrik „Frenemy“ abgelegt zu werden, also feindlich gesinnter Partner. Da muss man den Konflikt von deutscher Seite nicht auch noch befeuern.

Trump vors Schienbein zu treten mag zwar befriedigend sein für das moralische Überlegenheitsgefühl der Deutschen. Wir sollten uns aber nichts vormachen: Deutschland bleibt weiter abhängig von der Supermacht. Die Realpolitik gebietet deshalb, ein gedeihliches Miteinander mit diesem Präsidenten zu finden, ohne deshalb eigene Positionen gleich aufzugeben.

Welche Stilblüten die geistige Trump-Umnachtung inzwischen treibt, zeigt sich etwa beim Thema Rüstungsausgaben. Denn ausnahmsweise hat Trump bei diesem Thema mal recht: Europäische Staaten und besonders das wirtschaftsstarke Deutschland sind innerhalb der Nato seit Jahrzehnten sicherheitspolitische Trittbrettfahrer, die ihre Verteidigungsanstrengungen seit dem Ende des Kalten Krieges drastisch zurückgefahren und sich auf die amerikanischen Partner verlassen haben.

Bundeswehr chronisch unterfinanziert

Nun so zu tun, als seien die zwei Prozent Verteidigungsausgaben des BIP eine Trump-Erfindung oder gar wie Schulz von einer von Trump gewollten „Aufrüstungslogik“ zu reden, ist absurd. Schulz antwortet populistisch auf einen Populisten. Und er zeigt dabei ein ebenso angespanntes Verhältnis zu den Fakten wie Trump es oft tut. Schließlich haben alle Nato-Partner, einschließlich Deutschland, mehrfach kollektive Beschlüsse mitgetragen, die dieses Ziel vorgegeben haben.

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Bis zum vergangenen Jahr hat Deutschland wenig getan, auch nur zu versuchen, dieses Ziel zu erreichen. Es ist unter Sicherheitsexperten auch unbestritten, dass die Bundeswehr seit Jahren chronisch unterfinanziert ist und nur noch bedingt abwehrbereit. Und das trotz einer rapide angestiegenen Bedrohungslage in Europa.

Schulz versucht nun, das bescheidene Zweiprozentziel in die Nähe der Nachrüstungsbeschlüsse der 80er-Jahre zu rücken und hofft wohl, etwas Ähnliches wie die Anti-Reagan-Hysterie der damaligen Linken nun auf Trump übertragen zu können. Das ist allerdings kontraproduktiv, wenn einem wirklich daran gelegen ist, Deutschlands Rüstungsausgaben auf einem erträglichen Niveau zu halten.

Bedrohungen wie das neoimperiale Russland

Denn nichts wäre sicherheitspolitisch schädlicher für Deutschland, als die Amerikaner mit Verweigerungshaltung so vor den Kopf zu stoßen, dass sie sich tatsächlich aus der Schutzverpflichtung für Europa zurückziehen. In diesem Falle müsste Deutschland nicht nur zwei, sondern eher drei oder vier Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben, um gegen die Bedrohungen der Welt da draußen, an erster Stelle das neoimperial ausgreifende Russland und der unstabile Nahe Osten, gewappnet zu sein. Die zwei Prozent sind nicht nur Beschlusslage der Nato, sondern sie sind auch ein fairer Deal – und die für Deutschland weit billigere Lösung.

Ja, Trump ist ein schwieriger Partner. Aber auch diese Präsidentschaft wird irgendwann zu Ende gehen. Und bis dahin ist Europa wegen seiner geopolitisch exponierten Lage verletzlicher für mögliche Verheerungen der Trump-Ära als Amerika selbst. Europa muss deshalb versuchen, diesen launischen Präsidenten klug zu „managen“, also Schadensbegrenzung zu betreiben anstatt auf Konfrontationskurs zu gehen.

Es wird schwierig genug werden für die Kanzlerin, beim Gipfel in Hamburg einen Balanceakt hinzubekommen zwischen Festigkeit in der Sache und Höflichkeit im Ton, um ein einigermaßen funktionierendes Arbeitsverhältnis zum Weißen Haus aufrechtzuerhalten. Da braucht sie nicht noch einen Außenminister Sigmar Gabriel, der in Wahlkampfmanier gegen Trump auskeilt und die Wahlchancen seiner Partei vor seine Amtspflicht stellt, die außenpolitischen Interessen Deutschlands in angemessener Form zu vertreten.

Wohlfeile Wahlkampfslogans

Schließlich geht es in der Außenpolitik nicht darum, emotionale Bedürfnisse zu befriedigen wie das Abwatschen eines degoutanten US-Präsidenten, sondern es geht um nationale Interessen. Und die haben sich aus der Sicht Deutschlands seit Barack Obama nicht wesentlich verändert. Wir sind weiter am besten aufgehoben in einem westlichen Bündnis freier Staaten mit den USA als Führungsmacht, die Konsens herzustellen versucht, aber nicht erzwingt (ähnlich übrigens wie Deutschlands Rolle innerhalb der EU).

Zu den unverrückbaren Tatsachen dieses Verhältnisses gehört ein deutliches Machtgefälle zwischen Deutschland/Europa und den USA, das sich auf die einfache Formel bringen lässt: Wir brauchen Amerika mehr, als es uns braucht.

Das gilt nicht nur für unseren militärischen Schutz etwa vor dem Abenteurertum des Kreml. Es gilt genauso für die Sicherung von Deutschlands Exporthandelsrouten, für die Aufrechterhaltung des globalen Ordnungsrahmens, für amerikanische Hilfe bei der Terroraufklärung oder dem Zugang deutscher Produkte zum US-Markt.

Das sind alles gewichtige Interessen, die weit schwerer wiegen als wohlfeile Wahlkampfslogans. Mal abgesehen davon, was schon allein die Höflichkeit gebietet: dass ein gastgebendes Land seinen Gast nicht ständig in den Senkel stellt.

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