E-Mail-Skandal um Clinton: Wie politisch darf ein FBI-Chef agieren?

© AP FBI-Chef und Republikaner: James Comey

Auch wenn James Comey bereits vor dem Sommer dieses Jahres im politischen Amerika alles andere als ein Unbekannter war, sollten viele Amerikaner erstmals am 5. Juli von ihm hören. Obwohl in dieser Form eigentlich unüblich, stellte der FBI-Chef an diesem Tag persönlich in einer längeren Rede die Ermittlungsergebnisse seiner Behörde zu einem Thema vor, das die Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten zuvor besonders in ihren Bann gezogen hatte: Hillary Clintons unerlaubte Nutzung eines privaten E-Mail-Servers in ihrer Zeit als Außenministerin, über den sie offizielle (und vertrauliche) Nachrichten empfing und versendete.  

Comeys Erklärung damals: Ein Spagat. Zum einen begründete er sachlich, warum die Bundespolizei keine Anklage gegen die demokratische Präsidentschaftskandidatin empfehle. Zum anderen machte er deutlich, dass Clinton seiner Meinung nach, selbst wenn kein kriminelles Verhalten vorliege, sehr wohl nicht korrekt gehandelt habe. „Extrem sorglos“ sei sie vorgegangen, so der Rüffel Comeys. Viele Republikaner kochten vor Wut, dass es keine Anklage gegen Clinton geben würde. Sie nahmen die deutlichen Worte des Ermittlers trotzdem gerne im Wahlkampf auf. Die Demokraten hingegen irritierte, bei aller Freude über die eigentliche Entscheidung, dieses persönliche Urteil des eigentlich zur Neutralität und politischen Zurückhaltung verpflichteten FBI-Mannes.

Ist Comey parteiisch?

Comeys neue Erklärung ist nun wieder ein Spagat. Zwar betont er in seinem Brief vom Freitag ausdrücklich, dass die neu entdeckten E-Mails nicht unbedingt relevant für die Ermittlungen rund um Clintons privaten Server sein müssen. Allein die Tatsache, dass sie es aber sein könnten, war ihm nur anderthalb Wochen vor der Präsidentschaftswahl allerdings Grund genug, den Kongress (und damit auch die Öffentlichkeit) über die neue Sachlage zu informieren. Während Trump und seine Republikaner jubeln, ist dieses Mal nur bei den Demokraten die Empörung groß. Sie fordern Comey auf, umgehend weitere Informationen zu veröffentlichen, um Spekulationen über die Tragweite der neuen Enthüllungen entgegenzutreten und werfen ihm zum Teil sogar bewusste Wahlbeeinflussung vor. Comey habe zu Gunsten Trumps „den Daumen auf die Waage gedrückt“, sagt etwa Matt Miller, Clinton-Unterstützer und früherer Sprecher des Justizministeriums.

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Ist der Vorwurf berechtigt und Comey parteiisch? Obwohl er die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens als Republikaner registriert war, gilt der 55-Jährige als unabhängiger Geist. Als stellvertretender Justizminister unter George W. Bush stellte er sich (wenn auch nur halbherzig) gegen eine Verschärfung von Überwachungsgesetzen. Nachdem ihn Obama 2013 an die Spitze des FBI setzte, kritisierte er die Regierung unter anderem für angeblich zu zurückhaltende Gesetzgebungsinitiativen in Zusammenhang mit Gewalt gegen Polizeibeamte.  

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Nun also Clintons E-Mail-Affäre. Am Tag nach Comeys neuem Paukenschlag gibt es durchaus zahlreiche unabhängige Beobachter, die Verständnis für die Entscheidung des unbequemen FBI-Direktors äußern. Wie groß schließlich wäre der Aufschrei, wenn nach einer gewonnen Wahl Clintons im November herauskommen würde, dass bereits Ende Oktober gefundene, aber bewusst vom FBI unter Verschluss gehaltene Mails streng vertrauliche Informationen beinhaltet hätten, die Clinton stark belasten? Der schon jetzt von Trump und seinen Leuten verbreiteten Verschwörungstheorie, wonach eine gezielte Täuschung der wählenden Bevölkerung in vollem Gange sei, würde solch ein Szenario zusätzliches Futter geben. Außerdem könnte, so die Sorge vieler Kommentatoren, das Vertrauen der Amerikaner in ihre Institutionen nachhaltig geschwächt werden.

Genau solche abwägenden Gedanken scheint sich Comey vor seinem Schritt gemacht zu haben, wie auch ein internes Schreiben, das er am Freitag an alle FBI-Mitarbeiter schickte, beweist. „Natürlich informieren wir den Kongress gewöhnlich nicht über laufende Ermittlungen, aber dieses Mal spüre ich eine Verpflichtung“, so Comey. Schließlich habe er in den vergangenen Monaten wiederholt ausgesagt, dass die Untersuchungen gegen Clinton abgeschlossen sein. Es wäre „dem amerikanischen Volk gegenüber irreführend, wenn wir unseren Bericht nicht ergänzen würden.“

© AP, reuters Clinton: FBI soll neue E-Mail-Informationen offenlegen

Wie man’s macht, macht man’s falsch: Für Clintons Leute bleibt Comey in jedem Fall der Buhmann. Ein FBI-Chef solle ermitteln und die Öffentlichkeit, zumal im politisch aufgeladenen Klima unmittelbar vor eine Wahl, erst dann informieren, wenn es auch wirklich etwas zu berichten gebe, so die einhellige Meinung. Auch Comeys Vorgesetzte, Justizministerin Loretta Lynch, scheint das offenbar so zu sehen. Wie verschiedene renommierte amerikanische Medien am Samstag unter Berufung auf Regierungsbeamte berichten, habe sie Comey ans Herz gelegt, den Brief an den Kongress nicht zu schreiben – und stieß offenbar auf taube Ohren: Comey setzte das Schreiben trotzdem auf und pfiff auf den Ratschlag der Ministerin.

Wie politisch darf ein FBI-Chef agieren? Auch diese Frage bestimmt jetzt in den Vereinigten Staaten die Diskussion zehn Tage vor der so wichtigen Abstimmung am 8. November. James Comey muss sich nun erst einmal wieder mit seinen Kernaufgaben befassen – und Polizeiarbeit braucht, gerade wenn sie sorgfältig gemacht wird, Zeit. Dem Wunsch, möglichst schon in den nächsten Tagen weitere Details zur Brisanz der neu entdeckten E-Mails zu veröffentlichen, wird er wohl kaum nachkommen können. Die Rede ist von Tausenden bis Zehntausenden Dokumenten, die es zu sichten gilt.


Was Sie über die Präsidentenwahl in Amerika wissen müssen

© AP

    Am 8. November stimmen die Amerikaner darüber ab, wer nach Barack Obama ins Weiße Haus einziehen soll. Das Wahlsystem unterscheidet sich jedoch von dem in Deutschland. Wie funktioniert es?

    Wer tritt eigentlich alles zur Wahl an?

    Auf den Zetteln zur amerikanischen Präsidentenwahl werden nicht nur die Namen Hillary Clinton und Donald Trump stehen, sondern auch mehrere Kandidaten anderer Parteien. Diese werden sich jedoch von Staat zu Staat unterscheiden, da sich Kandidaten, die auf den Wahlzettel wollen, in jedem Bundesstaat einzeln registrieren müssen. Die Anforderungen, seinen Namen auf den Wahlzettel setzen zu lassen sind in den Bundesstaaten unterschiedlich hoch. In einigen Staaten muss man nur Formulare ausfüllen, in anderen Unterstützerunterschriften vorlegen und einige verlangen eine Liste von möglichen Wahlmännern für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Kandidat den Staat gewinnt.

    In mehr als 20 Staaten treten zum Beispiel Jill Stein (Green Party), Gary Johnson (Libertarian Party) und Darrel Castle (Constitution Party of the U.S.) an. Dazu gibt es in einigen Staaten noch andere Kandidaten, die möglicherweise auch ihre eigene Partei darstellen. Zum Beginn der Vorwahlen hatten mehr als 500 Amerikaner bei der Bundeswahlbehörde erklärt, Präsident werden zu wollen, ob diese jedoch wirklich alle antreten, ist unklar.

    Eine Besonderheit sind dabei die „Write-In“-Kandidaten. Die Wähler können nämlich auf den Wahlzetteln Namen vermerken, die nicht darauf stehen. Es gibt dafür in jedem Staat eine Liste, in der die „Write-In“-Kandidaten verzeichnet sind. Auch hierfür mussten diese sich registrieren lassen, die Schwelle dafür ist jedoch nicht so hoch, wie wenn sie als offizielle Kandidaten auf dem Wahlzettel stehen wollten. Die Wähler müssen sich jedoch nicht an die Liste halten, sondern können auch ihre Mutter, Mickey Mouse oder Britney Spears auf den Wahlzettel schreiben. Letztendlich ist aber niemand gezwungen, jemanden zu wählen, denn auch ein „Niemand“ reinzuschreiben ist möglich.


    Warum ist die Wahl immer an einem Dienstag im November?

    Die Gründe dafür liegen in der von der Landwirtschaft geprägten Struktur des Landes, als der Termin im Jahr 1845 bestimmt wurde. Ein Wahltag im November war vorteilhaft, weil zu diesem Zeitpunkt die Ernte schon eingebracht war und die harschen Winterstürme noch nicht eingesetzt hatten, die die Wähler von einer Reise per Pferd oder Kutsche zu ihrem oft weit entfernt liegenden Wahllokal abhalten würden.

    Präsidentenwahlen sollten dem Willen der Gesetzgeber immer Jahren stattfinden, die durch vier teilbar sind. Eigentlich sollte der erste Dienstag im November festgelegt werden. Doch sollte der Zeitraum zwischen dem Treffen des Wahlmännerkollegs am ersten Mittwoch im Dezember und dem Wahltermin nicht so lang sein. Deshalb wurde der Wahltermin auf den Dienstag nach dem ersten Montag im November festgesetzt. Somit ist der 2. November der erstmögliche Termin und der 8. November der letztmögliche (wie dieses Jahr).


    Wer darf alles wählen?

    Grundsätzlich darf in Amerika jeder Staatsbürger ab 18 Jahren wählen. Allerdings müssen sich die Wähler in allen Bundesstaaten, außer in North Dakota, registrieren. In manchen Bundesstaaten läuftr diese Frist bereits dreißig Tage vor der Wahl ab, in anderen ist es auch möglich, sich noch am Wahltag zu registrieren.

    Schwerverbrechern wird in Amerika das Wahlrecht entzogen. In manchen Bundesstaaten dürfen sie nach Absitzen ihrer Gefängnisstrafe automatisch wieder wählen, in anderen muss die Wiederherstellung des Wahlrechts vor Gericht eingeklagt werden. Bernie Sanders kritisierte im Wahlkampf immer wieder, dass vor allem Minderheiten in sozial schwachen Gegenden durch lange Wartezeiten vor Wahllokalen von bis zu sieben Stunden in ihrem Wahlrecht behindert werden würden.


    Warum gibt es das Electoral College?

    Auf den Wahlzetteln stehen zwar die Namen der Kandidaten, doch sind diese nicht sofort nach der Wählerentscheidung gewählt, denn die eigentliche Präsidentenwahl wird von sogenannten Wahlmännern vorgenommen. Jeder Staat verfügt je nach seiner Größe über eine bestimmte Anzahl von Wahlmännern, die derjenige Kandidat bekommt, der die einfache Mehrheit der Wählerstimmen erreicht. Die Wahlmänner treffen sich am ersten Mittwoch im Dezember in der Hauptstadt ihres Bundesstaates und geben ihre Stimme ab. Von der Wahl werden sechs Urkunden ausgestellt, die von allen Wahlmännern unterschrieben werden müssen. Eine wird an den Senatspräsidenten nach Washington geschickt, zwei gehen ans Archiv der Vereinigten Staaten, zwei an den Innenminister des Bundesstaates und eine an den Vorsitzenden Richter des Gerichts, in dessen Distrikt sich die Wahlmänner getroffen haben. Am 6. Januar wird das Ergebnis dann im Senat verkündet.

    Die Einführung des Electoral College war ein Kompromiss. Einerseits gab es Forderungen, den Präsidenten vom Kongress wählen zu lassen. Dies wurde von den Gegnern jedoch abgelehnt, da die Gefahr bestand, dass ein kleine Gruppe ihren Kandidaten durchdrücken könnte. Andererseits wurde von vielen die Wahl durch das Volk abgelehnt, da die Wähler für ihren lokalen Kandidaten stimmen würden und somit die größeren Staaten dominieren würden. 1787 wurde das System im zwölften Verfassungszusatz eingeführt.


    Was ist ein Swing State?

    Die amerikanischen Bundesstaaten werden fast alle von einer der beiden großen Parteien dominiert. Sowohl Republikaner als auch Demokraten können die Wahlmännerstimmen aus rund 20 Staaten schon vor den Wahlen jeweils für sich verbuchen. Der eigentliche Wahlkampf darum, wer ins Weiße Haus einziehen darf, findet in den Staaten statt, in denen keine Parteipräferenz zu erkennen ist. Das sind die „Swing States“ oder „Battleground States“.

    Für die Wahl 2016 gilt das wahrscheinlich für Colorado, Florida, Iowa, Michigan, Minnesota, Nevada, New Hampshire, North Carolina, Ohio, Pennsylvania, Virginia und Wisconsin. Sowohl Donald Trump als auch Hillary Clinton konzentrieren sich dabei aber auf vier Staaten, die ihrer Überzeugung nach über Sieg und Niederlage entscheiden: Pennsylvania, Florida, North Carolina und Ohio.


    Was ist Gerrymandering?

    Wenn die Grenzen von Wahlbezirken zu Gunsten einer Partei verschoben oder so neu geordnet werden, dass die Stimmen von Minderheiten nicht mehr ins Gewicht fallen, nennt man das Gerrymandering. Da diese nach Elbridge Gerry, dem ehemaligen Gouverneur von Massachusetts und amerikanischem Vizepräsidenten, benannte Taktik höchst umstritten ist, gibt es inzwischen mehrere Auflagen zur Neuordnung von Wahlbezirken. Trotzdem kommt Gerrymandering immer noch vor.

    Das funktioniert so: Angenommen, zwei Wahlbezirke sind beide mit einer knappen Mehrheit demokratisch. Die fiktive republikanische Parlamentsmehrheit des entsprechenden Bundesstaates könnte die Grenzen dieser Wahlbezirke so verschieben, dass alle stark demokratischen Gebiete in einen Wahlbezirk fallen, die tendenziell republikanischeren Regionen in den anderen. So hätten die Demokraten einen Wahlbezirk zu Gunsten der Republikaner verloren und somit einen Sitz im Kongress weniger.


    Wann ist ein Kandidat gewählt?

    Der Kandidat, der die Mehrheit der 538 Stimmen des Electoral College für sich gewinnt – also mindestens 270 – wird der nächste Präsident. Im Falle eines Gleichstands, wenn also beide Kandidaten auf exakt 269 Stimmen kommen, wählt das Repräsentantenhaus den Präsidenten. Dabei haben sämtliche Abgeordneten eines Bundesstaats jeweils zusammen nur eine Stimme, unabhängig von der Größe ihres Heimatstaats. Der Senat wählt dann den Vizepräsidenten.

    Die Stimmen für das Wahlmännerkolleg werden in fast allen Bundesstaaten so verteilt, dass derjenige Kandidat, der die einfache Mehrheit der Wählerstimmen erreicht, sämtliche Wahlmänner zugesprochen bekommt. Nur in Maine und Nebraska werden die Delegierten prozentual verteilt.


    Was passiert nach der Wahl?

    Am 8. November wird der nächste amerikanische Präsident zwar gewählt, Obama wird allerdings danach noch für weitere zweieinhalb Monate im Weißen Haus bleiben. Erst am 20. Januar wird er mittags aus dem Amt scheiden. Direkt danach werden entweder Hillary Clinton oder Donald Trump und ihr jeweiliger Vizepräsident ins Amt eingeschworen.

    Die Legislaturperiode des komplett neu gewählten Repräsentantenhauses und des Senats, in dem ein Drittel aller Abgeordneten neu oder wiedergewählt werden, beginnt bereits am 3. Januar zur Mittagszeit. Der neu zusammengesetzte Senat wird nach der Amtseinführung des Präsidenten über dessen Kabinettsnominierungen abstimmen.


    Worüber wird noch abgestimmt?

    Am 8.November werden die Amerikaner nicht nur darüber abstimmen, wer als Nachfolger von Barack Obama ins Weiße Haus einzieht. Zugleich zur Präsidentenwahl werden in den so genannten „Down Ballot Races“ auch alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses und 34 der insgesamt 100 Senatoren neu gewählt.

    Außerdem wird es zahlreiche Lokalwahlen geben, bei denen es um Ämter auf Landes- oder Kommunalebene geht, zum Beispiel um Mitglieder im Bildungsausschuss, Richter an Kammergerichten oder gar Vorsitzende von öffentlichen Verkehrsgesellschaften. Auch wird über mehrere Gesetzesentwürfe per Volksentscheid abgestimmt: In den Bundesstaaten Arizona, Maine, Massachusetts, Michigan, Nevada und Kalifornien werden die Bürger beispielsweise über die Legalisierung von Marihuana entscheiden.


    Was passiert sollte einer der beiden Kandidaten nicht zur Wahl antreten?

    Dieser Fall wird vor allem für die Republikaner diskutiert, deren Kandidat Donald Trump in fast allen Umfragen hinter seiner Konkurrentin Hillary Clinton liegt und im Partei-Establishment nicht wirklich beliebt ist. Sollte dieser Fall tatsächlich eintreten, würde das nationale Komitee mit seinen 168 Mitglieder einen neuen Kandidaten bestimmen. Das ist in den Parteistatuten festgelegt. Bei den Demokraten liefe das analog.

    Problematisch wäre der Zeitpunkt. Da zur Zeit in vielen Bundesstaaten die Fristen ablaufen, innerhalb deren die Kandidaten für das Präsidentschaftsrennen sich registrieren müssen, könnte es passieren, dass im Fall des Falles in den jeweiligen Bundesstaaten immer noch der Name des zurückgetretenen Kandidaten auf dem Wahlzettel stehen würde und somit der aktuellere Bewerber kaum eine Chance hätte,gewählt zu werden.



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