Clintons E-Mail-Affäre: Ein gefundenes Fressen für Trump

© Reuters Hillary Clinton bei einem Wahlkampfauftritt in Florida

Wenn Hillary Clinton in zehn Tagen Präsidentin werden soll, dann hängt jetzt alles von Leuten wie David Knight ab. Es ist Samstagmittag in Washington, ein ungewöhnlich sonniger Herbsttag, nebenan auf der Mall bewundern die Touristen das Kapitol, den Reflecting Pool, das Weiße Haus. Doch die friedliche Stimmung trügt, besonders bei den Demokraten: Nach der „Bombe„ vom Freitag, den neuen E-Mails, die das FBI untersuchen will und die ausgerechnet auf Geräten von Clintons enger Vertrauten Huma Abedin und ihres Noch-Mannes Anthony Weiner entdeckt wurden, dem früheren Kongressabgeordneten, der wegen seiner Sex-Affären schon im Sommer für Aufsehen sorgte, ist die Nervosität im blauen Lager noch einmal gestiegen. Auch wenn Leute wie David Knight das nie zugeben würden. „Die Stimmung ist unverändert gut“, sagt der 38-Jährige, rotes Hillary-T-Shirt, sportliche Figur. „Das wird schon.“

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Wie viele andere ehrenamtliche Helfer ist Knight an diesem Samstag ins Democratic National Committee (DNC) gekommen, das Hauptquartier der Demokraten auf dem Capitol Hill, um potentielle Anhänger am Telefon zur Registrierung als Wähler zu bewegen. Denn Meldeämter gibt es in Amerika nicht und damit auch kein automatisches Wählerverzeichnis – nur wer sich in einer aufwendigen Prozedur selbst als Wähler registrieren lässt, darf am 8. November auch abstimmen. Mindestens ebenso wichtig aber ist die Überzeugungsarbeit, die die Wahlhelfer an diesem Tag leisten wollen – in Washington wie in vielen anderen Städten des Landes: Beim „phone bank“ rufen sie „swing voters“ an, die noch unentschlossenen Wähler aus der Gegend, um sie in letzter Minute von Clinton zu überzeugen – und davon, dass diese Sache mit den Mails nur von Trump aufgebauscht werde, um ihrer Kandidatin zu schaden.

„Diese Mails spielen doch gar keine Rolle“, glaubt David Knight, schließlich habe das FBI nur angekündigt, ein paar Dinge zu untersuchen – und das sei doch sein gutes Recht. „Außerdem wurde über den Inhalt der Mails gar nichts gesagt – was soll’s also?“ Auch eine andere Wahlhelferin, eine ältere Frau, die schon bei den Vorwahlen 2008 für Clinton Wahlkampf gemacht hat, findet, dass die Mail-Affäre „völlig übertrieben“ werde. „Im Außenministerium reden viele Mitarbeiter ständig offen über solche geheimen Dinge“, sagt sie dann und schüttelt den Kopf. „Warum regen sich jetzt so viele über Hillary auf?“ 

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Alles entspannt also bei den Demokraten, aller Aufregung zum Trotz? Wohl kaum, nach dem Bekanntwerden der neuen Mails hat Donald Trump in den Umfragen, in denen er schon weit abgeschlagen war, wieder aufgeholt und liegt jetzt nur noch knapp hinter Clinton. Es könnte doch noch eng werden, das spüren sie auch im DNC. Denn selbst wenn die neuen Mails offenbar nicht von Clinton selbst geschrieben wurden und sich an der eigentlichen Sachlage nichts geändert hat, dürfte jedem Demokraten klar sein: Der Gegner wird diese neue Schwachstelle ausnutzen. Und das mehr als genüsslich.

© AP, reuters Clinton: FBI soll neue E-Mail-Informationen offenlegen

Wie seine Marschrichtung in den nächsten Tagen sein wird, machte Donald Trump am Samstag denn auch unmissverständlich klar. Auf einer Wahlveranstaltung in Golden, Colorado, wirkte er so angriffslustig wie lange nicht mehr und warf Clinton einmal mehr vor, durch und durch korrupt zu sein und eigene finanzielle Interessen über das Wohl der Nation zu stellen. „Sie ist schuldig, schuldig, schuldig“, sagte Trump und bezichtige Clinton, sie habe in der Mail-Affäre gelogen und betrogen, um ihr eigenes kriminelles Verhalten zu vertuschen und „euch und eure Kinder in Gefahr gebracht“. Wie schon am Freitag bezeichnete Trump die E-Mail-Affäre als „größten politischen Skandal“ seit der Watergate-Affäre. Trumps Tirade gipfelte in dem Vorwurf, im Falle eines Wahlsieges würde Clinton „das Oval Office so rasch zum Verkauf anbieten, dass euch schwindelig würde“. Eine Stimme für Clinton sei eine Stimme dafür, die Regierung „öffentlicher Korruption, Bestechung und Vetternwirtschaft“ zu überlassen, fügte Trump hinzu. Die Antwort seiner jubelnden Anhänger war dieselbe wie schon am Freitag, als Trump auf einer Wahlveranstaltung gesagt hatte, die Amerikaner dürften es nicht zulassen, dass die „korrupte Hillary“ ihre „kriminellen Machenschaften“ bis hinein ins Oval Office trage: „Sperrt sie ein, sperrt sie ein!“ Trumps Kampagne hat seit Freitag neuen Rückenwind bekommen – und der Boden für seine Saat ist wieder ein wenig fruchtbarer geworden.

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