Island: Regierung verliert Mehrheit

Zitterpartie in Island: Bei der vorgezogenen Parlamentswahl hat sich ein enges Rennen zwischen einer Mitte-Links-Allianz und der regierenden konservativen Koalition abgezeichnet. Laut ersten Hochrechnungen kam das Bündnis aus Piraten, Linksgrüner Bewegung, Sozialdemokraten und der Partei Glänzende Zukunft auf 28 Mandate und lag damit gleichauf mit dem Regierungslager, das seine Mehrheit im Parlament verlor. Die Reformpartei könnte nun zum Königsmacher werden.

Die Piraten, die bislang mit drei Abgeordneten im Parlament vertreten waren, wurden demnach mit neun Mandaten drittstärkste Kraft. Die Linksgrüne Bewegung sicherte sich zehn Sitze, gefolgt von der Partei Glänzende Zukunft mit fünf Sitzen und den Sozialdemokraten, die künftig vier Abgeordnete stellen.

Die seit 2013 regierende Unabhängigkeitspartei gewann laut der Hochrechnung zwar die meisten Stimmen und stellt mit 21 Abgeordneten weiterhin die größte Fraktion im Parlament. Ihr Koalitionspartner, die Fortschrittspartei, verlor aber zwölf Mandate, so dass das Regierungsbündnis nun ebenfalls auf 28 Sitze kommt. Für die absolute Mehrheit im isländischen Parlament sind 32 Sitze nötig.

Vorsitzende der 2012 gegründeten Piraten ist die ehemalige Sprecherin der Enthüllungsplattform WikiLeaks, Birgitta Jónsdóttir. Sie hatte vor der Wahl ein Bündnis mit den beiden „etablierten“ Parteien abgelehnt und stattdessen eine linke Allianz geschmiedet. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte Jónsdóttir nach Bekanntgabe der ersten Zahlen vor Parteianhängern in Reykjavik. „Das Ergebnis ist großartig“.

Unabhängig davon, wie die Wahl ausgehe, habe ihre Partei die isländische Gesellschaft verändert. „Wir wollen den Mächtigen die Macht nehmen, um sie dem Volk zu geben“, sagte Jónsdóttir.

Regierungschef Sigurdur Ingi Johannsson äußerte sich enttäuscht über den Wahlausgang. Sollte sich das Ergebnis bestätigen, werde er am Sonntag beim Präsidenten einen Rücktritt einreichen, sagte der Vorsitzende der Fortschrittspartei.

Mit der Regierungsbildung dürfte nun der Chef der Unabhängigkeitspartei, Finanzminister Bjarni Benediktsson, beauftragt werden. Ihn erwarten allerdings harte Verhandlungen mit der Reformpartei, die mit ihren sieben Abgeordneten beiden Lagern zur Mehrheit verhelfen könnte. Die Reformpartei ist eine Abspaltung von Ex-Mitgliedern der Unabhängigkeitspartei, die anders als die Regierung für einen EU-Beitritt ihres Landes plädieren.

Die eigentlich erst im kommenden Jahr anstehende Parlamentswahl in Island war in Folge des Skandals um die „Panama Papers“ vorgezogen worden. Die Enthüllungen sorgten in der isländischen Politik für großen Wirbel. Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson musste im April zurückgetreten, da sein Name im Zusammenhang mit Finanzgeschäften von Briefkastenfirmen aufgetaucht war. Mit massiven Protesten setzten Islands Bürger auch vorgezogene Neuwahlen durch.

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