Asylantrag in Amerika: Afghanische Pilotin fürchtet um ihr Leben

© AFP „Ich bin sehr traurig über die Missinterpretationen und entschuldige mich bei allen Kollegen“: die afghanische Luftwaffenpilotin Nilofar Rahmani im April 2015 auf einem Flugplatz in Kabul

Von einer „Schande“ spricht die afghanische Regierung, von „Lügen“ und „Fahnenflucht“ das afghanische Militär. Die Nachricht, dass die Luftwaffenpilotin Hauptmann Nilofar Rahmani in den Vereinigten Staaten Asyl beantragt hat, hat in ihrem Heimatland Wut und Empörung hervorgerufen. „Wenn ein Soldat über Unsicherheit klagt und sich vor Bedrohungen fürchtet, wie soll es dann erst der einfachen Bevölkerung gehen?“, fragte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kabul.

Friederike Böge Folgen:

Rahmani war die erste Frau, die nach dem Sturz der Taliban in Afghanistan zum Luftwaffenpiloten ausgebildet wurde. Sie war ein Symbol für die Bemühungen Amerikas, den Anteil der Frauen im afghanischen Militär zu steigern. Und ein Symbol für die Widerstände, die Soldatinnen in Afghanistan seitens der Gesellschaft und der eigenen Kameraden erfahren.

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Drohungen und Anfeindungen gegen die Pilotin gab es bereits seit 2013, als Rahmani ihren Jungfernflug absolvierte – ein Erfolg, der von ihren amerikanischen Mentoren medienwirksam in Szene gesetzt wurde. Damals machte auch ein Foto in den sozialen Netzwerken die Runde, das zeigt, wie amerikanische Soldatinnen Rahmani in ein Wasserbecken tauchen – ein soldatischer Brauch nach dem ersten allein bestrittenen Flug. Das Bild wurde vielfach gehässig kommentiert, unter anderem mit der Behauptung, Rahmani habe sich christlich taufen lassen. Die Taliban drohten der Pilotin, doch die größte Bedrohung ging offenbar von ihren eigenen Verwandten aus, wie Rahmani schon damals berichtete. Sie hätten ihren Einsatz bei der Luftwaffe als ehrenrührig betrachtet und auch ihre Eltern und ihren Bruder bedroht. Dieser sei zweimal tätlich angegriffen worden, daraufhin habe die Familie alle paar Monate ihren Wohnsitz ändern müssen. Ihre Vorgesetzten und Kameraden erwiesen sich laut Rahmanis Schilderungen nicht als Stütze. Manche beschimpften sie hinterrücks als Quotenfrau oder gar als Prostituierte. So ergeht es vielen arbeitenden Frauen in Afghanistan.

„Ich fürchte um mein Leben“

Im vergangenen Jahr wurde Rahmani zur Fortbildung in die Vereinigten Staaten eingeladen. Fünfzehn Monate lang lernte sie, ein militärisches Transportflugzeug vom Typ C-130 zu steuern. Schon damals spielten auch Bemühungen eine Rolle, Rahmani vorerst aus der Schusslinie zu nehmen. Das bestätigten amerikanische Militärangehörige seinerzeit dem Sender Al Dschazira. Die Ausbildung ging in der vergangenen Woche zu Ende. Am Wochenende hätte Rahmani nach Afghanistan zurückkehren sollen. Doch sie blieb. Die Zeitungen „New York Times“ und „Wall Street Journal“ berichteten, sie habe Asyl beantragt. „Ich fürchte um mein Leben“, sagte sie den Zeitungen. Sie wolle künftig für die amerikanische Luftwaffe oder in der zivilen Luftfahrt fliegen.

Für die afghanische Regierung sind das schlechte Nachrichten. Schon vor Rahmani waren mehrere Soldaten nicht von ihrer Ausbildung in den Vereinigten Staaten zurückgekehrt. Das Verteidigungsministerium in Kabul hatte schon gedroht, sie würden sich nach ihrer Abschiebung wegen Fahnenflucht verantworten müssen. Doch kein Fall war bisher so prominent wie jener der Pilotin Rahmani, die von ihren Anhängern als Vorkämpferin für Frauenrechte gefeiert worden war. Sie war im vergangenen Jahr vom amerikanischen Außenministerium mit dem International Women of Courage Award ausgezeichnet worden. In Washington hieß es nun lediglich, man äußere sich nicht zu Asylverfahren.

Anfeindungen innerhalb der afghanischen Armee

Rahmani ist nicht die erste prominente Soldatin, die Anfeindungen innerhalb der afghanischen Armee beklagt. Die Fallschirmjägerin General Khaatool Mohammadzai, die ranghöchste Frau in der afghanischen Luftwaffe, die während der sowjetischen Besatzungszeit in den achtziger Jahren ausgebildet worden war, berichtete in Interviews, sie habe Todesdrohungen von Kameraden erhalten und sei als Lesbe beschimpft worden.

Die Pilotin Rahmani bemühte sich am Dienstag derweil um Schadensbegrenzung. In einem Brief an die afghanische Luftwaffe und den afghanischen Fernsehsender Tolo behauptete sie, missverstanden worden zu sein. Sie sei „zutiefst traurig über die falsche Übersetzung und Fehldarstellung in dem Artikel der ,New York Times‘“, schrieb sie laut einem Bericht des Senders Tolo. Ihr gehe es lediglich um eine bessere Ausbildung, damit sie ihrem Land und dessen unterdrückten Volk, insbesondere den Frauen in Afghanistan, dienen könne. Allerdings widersprach sie nicht ausdrücklich der Darstellung, sie habe Asyl beantragt. Ihre Anwältin Kimberly Motley, die viele Jahre in Afghanistan gearbeitet hat und seit langem mit Rahmani befreundet ist, bekräftigte denn auch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: Rahmani habe „definitiv um Asyl ersucht“. Das bestätigte auch das Verteidigungsministerium in Kabul.

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