Wiener Gesundheitsstadträtin Wehsely verlässt die Politik

Wehsely war zehn Jahre lang für die Gesundheits- und Sozialagenden in Wien verantwortlich. Wehsely wird künftig in Deutschland tätig sein und per 1. April 2017 die Führung der Siemens Healthcare GmbH in Erlangen verstärken. Die 46-Jährige galt bereits länger als Ablösekandidatin in der roten Stadtratsriege. Zuletzt hatten sich die Probleme in ihrem Ressort gehäuft – darunter steigende Kosten im Krankenhaus Nord oder jüngst die Gangbettenproblematik in städtischen Krankenhäusern.

Wehsely erklärte am Freitag in einer Pressekonferenz, sie habe schon vor Monaten beschlossen, der Politik den Rücken zu kehren. Nach 20 Jahren in der Politik sei es an der Zeit gewesen, über Veränderung nachzudenken. Der Vertrag bei Siemens wurde laut der Noch-Ressortchefin am Donnerstag unterzeichnet.

Ihr Motto sei stets gewesen: „Stillstand bedeutet Rückschritt und die einzige Kontinuität ist die Veränderung.“ Sie habe schon zu Beginn des vergangenen Jahres angefangen, darüber nachzudenken, was der nächster Schritt sei. Vor einigen Monaten sei dann das Engagement beim deutschen Konzern konkreter geworden.

Häupl erst am Freitag informiert: „Vollstes Verständnis“

Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) wurde laut Wehsely erst am Freitag, kurz vor der Verkündung des Rücktritts, von ihr persönlich informiert. Er habe ihr versichert, so erzählte die Rathauspolitikerin, dass nicht geplant gewesen sei, sie demnächst von ihrem Posten abzuberufen.

Am 26. Jänner wird Wehsely laut eigenen Angaben zum letzten Mal im Gemeinderat erscheinen. Ihre neue Tätigkeit beginnt dann im April: „Das ist eine riesige und neue Herausforderung, die ich gerne annehme.“

Bürgermeister Häupl bedankte sich am Freitag bei der scheidenden Gesundheitsstadträtin und betonte: „Ich habe vollstes Verständnis für die Entscheidung, nach 13 Jahren in der Wiener Stadtpolitik neue Herausforderungen in der Privatwirtschaft anzunehmen“, sagte der Bürgermeister in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

„Ich bedanke mich bei Sonja Wehsely für ihre engagierte Arbeit und wünsche ihr alles Gute für ihren weiteren Weg“, so Häupl weiter. Über die Nachfolge im Gesundheitsressort wird laut dem Stadtchef bei der Vorstandstagung der Wiener SPÖ kommende Woche entschieden.

Reaktionen der Parteien

In den Wiener Oppositionsreihen sorgt der Abgang Wehselys für Jubelstimmung. Die FPÖ sieht einen „ersten Schritt in die richtige Richtung“. Um „echte Veränderung“ in der Stadt zu erreichen, müsse aber auch Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) ausgetauscht werden, legte FPÖ-Chef Heinz Christian Strache Bürgermeister Häupl nahe.

„Der Freitag, der 13., ist ab sofort ein Glückstag für Wien“, betonte Parteichef Gernot Blümel. Auch er fordert von Häupl, den „Rest des überforderten Regierungspersonals“ auszuwechseln.

Etwas zurückhaltender reagierten die NEOS. Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger dankte Wehsely „für ihr grundsätzliches Bemühen“. Ihr Rücktritt berge nun eine „Chance für einen Neustart bei den vielen Baustellen im Gesundheits- und Sozialbereich dieser Stadt“.

Der Koalitionspartner, die Wiener Grünen, tat indes kund, die Entscheidung Wehselys sei zu respektieren. „Ich wünsche ihr alles Gute für ihren weiteren Weg. Ich habe sie als harte, aber faire Verhandlerin erlebt“, so das Resümee von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Wichtig sei jetzt vor allem, „dass unser Koalitionspartner rasch ein arbeitsfähiges Team auf die Beine stellt. Da vertraue ich auf Bürgermeister Häupl“.

Zu Wort meldete sich am Freitag auch das Team Stronach. Robert Lugar, Klubchef im Parlament, wertete den Wechsel der Stadträtin zu Siemens als „unethisch“. Denn schließlich gebe es ein Naheverhältnis des Unternehmens und den städtischen Spitälern.

Wehsely sogar als Kandidatin für Bürgermeisteramt gehandelt

Zehn Jahre lang war Wehsely Gesundheits- und Sozialstadträtin in Wien. Lange galt sie als Zukunftshoffnung der SPÖ und wurde zwischenzeitlich gar als Kandidatin für das Bürgermeisteramt gehandelt. Im innerparteilichen Richtungsstreit geriet sie jedoch ins Kreuzfeuer der Kritik. Nun räumt sie ihren Posten und wechselt mit Anfang April zur Siemens Healthcare GmbH nach Deutschland.

Sonja Wehsely geht nach Deutschland in die Privatwirtschaft. Bild: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER

Wehsely hatte in den vergangenen Jahren gleich mehrere Krisenthemen zu bewältigen: So rebellierten die Ärzte gegen die neue Arbeitszeit- und Gehaltsregelung in den Spitälern und organisierten im September einen Warnstreik. In den vergangenen Monaten beschäftigte die Stadträtin vor allem die Debatte um die Mindestsicherung. Weil die Bund-Länder-Vereinbarung Ende des Jahres auslief, wurde um eine neue Lösung gerungen. Die Verhandlungen zu einer bundesweit einheitlichen Reform scheiterten jedoch. Wien steht wegen der hohen Zahl an Mindestsicherungsbeziehern besonders unter Druck, im vergangenen Jahr musste das Budget um 130 Mio. aufgestockt werden. Die von Wehsely angedachte Wartefrist für Asylwerber wurde sowohl vom Grünen Koalitionspartner als auch von Teilen der SPÖ abgelehnt.

Seit Monaten ist Wehsely inzwischen Zielscheibe der Kritik: Einerseits schoss sich die Opposition wegen des Kostenanstiegs beim Krankenhaus Nord, des angeblichen Kontrollversagens bei sogenannten islamischen Kindergärten und des finanziellen Mehrbedarfs in Sachen Mindestsicherung auf Wehsely ein. Aber auch parteiintern wurde die Stadträtin, die als eine der Führungsfiguren des linken Parteilagers gilt, zuletzt immer wieder kritisiert – vor allem von Genossen aus den Flächenbezirken.

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