Die ungleichen Vermögen offenbaren drei Probleme Deutschlands

Der Mensch ist ein denkendes Wesen und liebt es, sich stets zu vergleichen. Dennoch dürfte ein neuer Vergleich von Vermögen für wenig Begeisterung sorgen. Eine Studie der Bundesbank zeigt, dass das Vermögen der Deutschen auf breiter Basis gestiegen ist und einen neuen Rekord erreicht hat.

Allerdings ist der Wohlstand höchst unterschiedlich verteilt, die Ungleichheit der Vermögen äußerst hoch. Wie aus den frischen Bundesbank-Daten hervorgeht, die zwischen März und Oktober 2017 durch Befragung von fast 5000 Haushalten in Deutschland erhoben wurden, beträgt das durchschnittliche Nettovermögen der deutschen Privathaushalte, also das Vermögen nach Abzug der Verschuldung, hierzulande mittlerweile 232.800 Euro.

Im Vergleich zur letzten Umfrage, die drei Jahre zuvor erhoben wurde, ist das ein Anstieg von satten 18.300 Euro oder knapp neun Prozent. Deutlich aufschlussreicher für die Vermögensverteilung eines Landes ist allerdings der Median, der die rund 40 Millionen Haushalte in Deutschland in eine reichere und eine ärmere Hälfte teilt. Denn dieser Wert blendet Extremwerte wie Milliardenvermögen einzelner Haushalte aus der Statistik aus. Die Medianwerte sind von 60.400 Euro auf 70.800 Euro gestiegen, liegen aber deutlich unter den Durchschnittswerten.

Quelle: Infografik WELT

Die positive Entwicklung von Immobilienpreisen und Aktienkursen spielt eine wichtige Rolle für den Anstieg des Mittelwerts. Für die Entwicklung des Medians sind die gestiegenen Einkommen der Haushalte bedeutender.

Damit haben die Deutschen innerhalb Europas deutlich Boden gutgemacht. Gemessen am Mittelwert sind die Bundesbürger deutlich vermögender als die Italiener, bei denen die Haushalte im Schnitt nur 206.000 Euro haben. Mit ihren knapp 232.000 Euro sind die Deutschen auch den Österreichern auf der Spur, die im Schnitt ein Vermögen von 250.000 Euro ihr Eigen nennen.

Allein die Amerikaner liegen mit 625.000 Euro uneinholbar vorn. Ganz anders sieht es jedoch beim Medianvermögen aus. Da liegen die Bundesbürger mit ihren 70.800 Euro abgeschlagen hinten. In Italien liegt das Medianvermögen bei 126.000 Euro, in Österreich bei 83.000 und in den USA bei 88.000 Euro.

Kluft bei den Vermögen ist gestiegen

Die Bundesbank-Statistik offenbart die große Vermögenskluft, die hierzulande besonders ausgeprägt scheint. Die Differenz zwischen Mittelwert und Median ist von 154.000 auf 163.000 gestiegen. In der vorangegangenen Erhebung von 2010 hatte die Kluft erst 143.800 Euro betragen.

Zwar ist das Maß für Ungleichheit, der sogenannte Gini-Koeffizient, leicht von 76 auf 74 Prozent gefallen. Doch die Bundesbank führt das auf Messfehler zurück. An der aktuellen Umfrage hätten sich deutlich weniger Haushalte mit sehr hohen Vermögen beteiligt.

Quelle: Infografik WELT

Außerdem scheine es zu einer Untererfassung von Betriebsvermögen am oberen Rand der Verteilung gekommen zu sein. „Die steigenden Abstände zwischen einzelnen Teilen der Nettovermögensverteilung deuten in der Tendenz auf einen Anstieg der Ungleichheit hin“, schreiben die Bundesbank Ökonomen.

Sichtbar wird das besonders an den Rändern. Die fünf Prozent der Haushalte mit dem geringsten Wohlstand haben sogar ein Negativvermögen von 2800 Euro, sprich: Sie haben mehr Schulden als Guthaben.

Die reichsten fünf Prozent haben im Schnitt 861.600 Euro

Die reichsten fünf Prozent der Bundesbürger haben im Schnitt dagegen 861.600 Euro. Auch eine andere Zahl dokumentiert die ungleiche Verteilung bei den Vermögen. Die ärmere Hälfte der Bundesbürger besitzt gerade mal drei Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland.

Damit gibt es bei der Ungleichheit in Deutschland zwei Wahrheiten. Die Kluft der Einkommen ist im internationalen Vergleich relativ niedrig, bei den Vermögen sieht es dagegen anders aus. Sichtbar wird das bei den Gini-Koeffizienten.

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Einkommensverteilung

Mit einem Wert von 29 gehört Deutschland bei der Einkommensverteilung zu den am wenigsten ungleichen Nationen. Das liegt auch an der starken steuerlichen Umverteilung. Mit dem Gini-Koeffizient von 74 bei Vermögen liegt Deutschland aber deutlich hinter dem Durchschnitt und hinter Ländern wie Japan, Italien oder Großbritannien.

Der Gini-Index misst, wie sehr Vermögen oder aber Einkommen am oberen und unteren Ende auseinanderklaffen. Je höher der Wert, desto ungleicher entwickeln sich die Löhne, Gehälter oder Vermögen. Der Index liegt zwischen null und 100 Prozent.

Kluft der Vermögen offenbart mehrere Probleme

Bei null haben alle Haushalte oder Beschäftigten das gleiche Niveau, bei 100 Prozent bezieht ein Individuum sämtliche Einkommen beziehungsweise besitzt das gesamte Vermögen in einem bestimmten Land.

Allerdings wird in Deutschland die Vermögensungleichheit überzeichnet. Hierzulande besitzen viele Haushalte Rentenansprüche, die nicht in die Berechnungen mit eingehen. In anderen Ländern müssen die Einwohner privat vorsorgen und das angesparte Kapital verringert den Gini-Index.

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Doch es manifestieren sich in der hohen Vermögensungleichheit in Deutschland auch gewisse Strukturen. So ist die Kluft zwischen Ost und West weiter gravierend. Das Medianeinkommen liegt im Westen mit 92.500 Euro mehr als viermal höher als im Osten, wo der mittelreiche Haushalt lediglich 23.400 Euro besitzt.

Ursache für die Ungleichheit ist aber auch die geringe Eigentumsquote bei Immobilien und die mangelnde Aktienkultur. Der Wert der Aktien hat sich beim Vermögensdurchschnitt von 38.700 auf 43.700 Euro erhöht. Beim Medianvermögen ist der Wert der Aktien dagegen mit 9900 Euro fast unverändert geblieben.

Während sich die Hälfte der Haushalte, die in der eigenen Immobilie wohnen, zwischen 2014 und 2017 über Zuwächse beim Nettovermögen von mehr als 71.900 Euro freuen konnten, mussten sich die Mehrzahl der Mieter in diesem Zeitraum mit einem Vermögensplus von 300 Euro begnügen.

Wer beim Vermögen aufholen will, muss Aktien oder Immobilien haben

Die Bundesbank hält sich mit Bewertungen ihrer Vermögensstudie bewusst zurück. Die Umfrage spiele für die Wirkung ökonomischer Schocks und die Transmission geldpolitischer Maßnahmen eine wichtige Rolle. Auffällig jedoch ist, dass die Bundesbank deutlich herausstreicht, dass sich die Deutschen in ihrem Anlageverhalten bisher kaum an die extrem veränderte Finanzwelt angepasst haben.

Die privaten Haushalte in Deutschland hätten „weiterhin eine Präferenz für liquide und als risikoarm empfundene Anlageformen“, schreiben die Ökonomen. Doch die Statistik macht klar: Wer hierzulande aufholen will, muss stärker auf Aktien- und Immobilienvermögen setzen.

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