Wenn die Wahlunterlagen mit drei Kreuzen für die AfD ankommen

In der sächsischen Kreisstadt Meißen ist es offenbar zu einem Fälschungsversuch bei der Kommunalwahl gekommen. Eine Meißenerin hatte Briefwahl beantragt, die Unterlagen des Wahlamtes hatte sie am 16. Mai im Briefkasten. Als sie zwei Tage später den Stimmzettel ausfüllen wollte, musste sie feststellen, dass dort bereits jemand drei Kreuze auf der Meißener Liste 7 gemacht hatte: drei Kreuze für die AfD.

Die Frau und ihr Ehemann informierten daraufhin sofort den Meißener Stadtrat und Linke-Politiker Andreas Graff. Der sah die Unterlagen ein und informierte umgehend ein Mitglied des Meißener Wahlausschusses. Inzwischen hat Graff Anzeige wegen Wahlfälschung erstattet; die sächsische Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall. Die betroffene Frau hat den Vorgang als eidesstattliche Versicherung zu Protokoll gegeben, die Erklärung liegt WELT vor. Die Wählerin soll nun neue Wahlunterlagen erhalten.

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AfD und CDU

Die Aufsichtsbehörde des Wahlbüros Meißen, das sächsische Innenministerium, war erst am Dienstag durch lokale Medien und eine WELT-Anfrage auf die Vorgänge aufmerksam geworden. Ministeriumssprecher Andreas Kunze-Gubsch zeigte sich alarmiert. „Wir haben die Stadt Meißen heute Mittag aufgefordert, zu dem Vorfall unverzüglich Stellung zu nehmen“, sagte er am Mittwoch. Dafür sei eine Frist von 24 Stunden gesetzt worden. Bis dahin wolle man sich zu dem „ungewöhnlichen Vorgang“ nicht weiter äußern.

Meißens Oberbürgermeister Olaf Raschke ließ seinen Sprecher erklären, dass die Stadt durch die Ermittlungsbehörden von dem ausgefüllten Stimmzettel erfahren habe. Die Staatsanwaltschaft habe diesen Stimmzettel „als Beweisstück sichergestellt“. Der Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses, Markus Banowski, habe nun ebenfalls Strafanzeige wegen versuchter Wahlfälschung erstattet. „Es wird alles getan, um die Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung des Vorfalls zu unterstützen. Bisher liegen der Stadt Meißen keine Erkenntnisse vor, die eine Absage der Wahl nach sich ziehen könnten.“

Meißens Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos)

Meißens Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos)
Quelle: picture alliance/dpa

Der Stimmzettel mit den Kreuzen bei der AfD hat auch vor dem Hintergrund der Wahl Raschkes zum Oberbürgermeister eine gewisse Brisanz. Raschke – parteilos, aber von der CDU unterstützt – war im vergangenen September im zweiten Wahlgang nur mit knapper Mehrheit wiedergewählt worden. Er hatte sich mit einigen Dutzend Stimmen Vorsprung gegen den Bürgerrechtler Frank Richter durchgesetzt.

Meißener AfD: „Damit haben wir nichts zu tun“

Die Meißener AfD hatte ihren Kandidaten damals zurückgezogen und eine Negativkampagne gegen Richter gestartet, die Raschke zugutekam. Raschke sprach nach seiner Wiederwahl von „neuen Allianzen“, die sich gebildet hätten. Mit dem aktuellen Wahlfälschungsversuch konfrontiert, erklärte eine Mitarbeiterin im Meißener AfD-Wahlkreisbüro: „Wir haben keine Ahnung, was da passiert ist. Damit haben wir gar nichts zu tun.“

AfD-Kandidat Heiko Weder, neben dessen Namen die drei Kreuze gemacht worden waren, äußerte sich überrascht: „Für mich als AfD-Stadtratskandidaten ist es unvorstellbar, dass bereits ausgefüllte Wahlscheine durch das Rathaus versendet werden.“ Er mutmaßte, es handle sich „nur um eine weitere unlautere Aktion, den politischen Gegner zu diskreditieren“. Er habe am Mittwoch Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

Das Stadtoberhaupt steht nun in der Kritik. Ullrich Brumm, Mitglied des Meißener Wahlausschusses, wundert sich darüber, warum nach Bekanntwerden der Vorwürfe nicht sofort das Briefwahlbüro geschlossen worden sei. Nach Lage der Dinge könne die Fälschung „nur dort“ erfolgt sein.

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Sachsen-CDU

Nicht nur in Meißen ist es im Zusammenhang mit der anstehenden Kommunalwahl zu erklärungsbedürftigen Vorgängen gekommen. Bereits am 17. Mai hatte die Stadtverwaltung der sächsischen Gemeinde Glashütte ebenfalls einen bedenklichen Vorfall gemeldet.

Auch dort hatte ein Briefwähler einen Stimmzettel für die Stadtratswahl erhalten, der bereits ausgefüllt war: mit Stimmen für die CDU und die AfD. Die Verwaltung sei mit dem Vorfall konfrontiert worden und habe ihn umgehend geprüft, heißt es auf der Website der südlich von Dresden gelegenen Gemeinde. Einen versuchten Wahlbetrug schließt man in Glashütte allerdings aus.

Das Dokument sei zuvor genutzt worden, um die Stimmzettel auf ihre Tauglichkeit zu prüfen. In der Erklärung der Stadt heißt es: „Da es im Hauptamt Bedenken bezüglich der Papierqualität gab, wurde – unter Verwendung eines amtlichen Stimmzettels für die Stadtratswahl – geprüft, ob die Papierstärke ausreichend ist, um das Wahlgeheimnis zu wahren.“

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