Arles in Frankreich: Stadt der Möglichkeiten

Auf den Alyscamps von Arles ruft ein Kuckuck. Sonst ist alles still auf dieser Nekropole, die aus einem baumgesäumten Straßenzug mit recht windschiefen Sarkophagen links und rechts besteht. Beim Bau einer Eisenbahnstrecke im 19. Jahrhundert wurde ein Großteil der Gräberstraße vernichtet, die übrig gebliebene Platanenallee bannte bereits Vincent van Gogh auf die Leinwand. Schon auf seinem Ölbild von 1888 markieren ziegelrote, rauchende Schlote den angrenzenden Parc des Ateliers, in dem die französische Bahn damals ein Werk betrieb. 1984 gab die SNCF den Produktionsstandort auf und eine Brache entstand.

Heute wird auf dem sieben Hektar großen Areal Parc des Ateliers am Altstadtrand wieder nach Kräften gearbeitet. Hier, entlang der Bahnstrecke Paris – Marseille, hat Maja Hoffmann den Außenposten ihrer gemeinnützigen Schweizer Stiftung Luma untergebracht. Die Miterbin des Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche ist teilweise in Arles aufgewachsen. Ihr Vater Luc Hoffmann, der 2016 verstorbene Zoologe und Mitbegründer der Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF), sorgte für die Gründung des Naturschutzgebiets Camargue. Er war es auch, der den 15 Millionen teuren Museumsbau für die Stiftung Van Gogh beauftragte und somit den Missstand beendete, dass ausgerechnet in der Stadt, wo van Gogh das Licht des Südens malte, kein einziges Original des Niederländers zu sehen war.

Maja Hoffmann putzt das provenzalische Städtchen weiter heraus. Eine „zeitgenössische Intelligenz“ soll sich hier formieren, so die Schweizerin. Und so wurden und werden auf dem neuen Kunst-Campus Luma Arles marode Industriehallen restauriert, Künstlerstudios und Ausstellungsräume entstehen. Und in weitläufigen Laboratorien arbeiten junge Wissenschaftler, über Mikroskope gebeugt, an der Herstellung von Bio-Plastikfasern aus lokalen Algen. Ein 3-D-Drucker fertigt daraus Geschirr in zeitgenössischem Design. Oder sie versuchen, die bisher ungenutzten Stängel der heimischen Sonnenblumen, deren leuchtende Opulenz bereits van Gogh auf Leinwand bannte, in pflanzliches Leder und Styropor zu wandeln.

Bereits jetzt ist der Luma-Veranstaltungskalender mit Ausstellungen, Tanz-Performances oder Podiumsdiskussionen zwischen Wissenschaftlern und Künstlern gefüllt, dabei ist der Campus noch nicht fertiggestellt. Erst 2021 wird als letzte Etappe das derzeit noch staubende Geröll rund um die Baustellen vom belgischen Landschaftsarchitekten Bas Smets bepflanzt.

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Arles hat eine schöne historische Altstadt. Neben barocken Patrizierhäusern findet man hier Designboutiquen.

(Foto: Imago Images)

Schon Julius Cäsar ließ in dem südfranzösischen Städtchen eine Kolonie gründen, das Amphitheater beherrscht auch zweitausend Jahre später die Stadtmitte. Und bald erhält die Stadt dank Maja Hoffmann neben romanischen Kirchenportalen und barocken Patrizierhäusern eine weitere architektonische Attraktion: Frank O. Gehry, der schon das Guggenheim-Museum in Bilbao gestaltete, errichtet einen schimmernden Bau von knapp 60 Metern Höhe im Parc des Ateliers.

Der Turm mit Ausstellungsräumen, Café und Restaurant ist beinahe fertig. Rund 16 000 Quadratmeter fasst der in sich verdrehte, mit rostfreiem Edelstahl überzogene Baukörper. Unten soll eine knapp 18 Meter hohe Glasrotunde an das Amphitheater erinnern, das einst 25 000 Zuschauern Platz bot und in dem bis heute Stierkämpfe zugelassen sind. Zur Mittagszeit blendet der Turm mit silbernem Geglitzer, die reflektierende Abendsonne bietet ein dramatisches Lichtspiel in Rot und Lila.

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Nicht nur die SNCF, auch andere große Unternehmen haben in den vergangenen drei Jahrzehnten Arles verlassen; die Arbeitslosenquote liegt bei 16 Prozent. Dennoch ist die Altstadt voller Designboutiquen, es gibt verpackungsfreie Geschäfte, vegane Küchen und Baristas in Wellblech-Kleintransportern. Die Milliardärin Maja Hoffmann hat dabei die Stadt geprägt, man könnte auf ihren Spuren wandeln: in ihren Hotels schlafen, in ihren Restaurants essen und in ihren Pop-up Stores Kunstkataloge kaufen.

Die konservative französische Tageszeitung Le Figaro kürte sie zur „Prinzessin von Arles“, und eine lokale Online- Gazette hat spöttelnd die bei Monopoly abgekupferte Spiel-Variante Majapoly entworfen: Als Spielfelder sind Besitztümer aufgezählt wie der Gehry-Turm oder das inmitten der Reisfelder der Camargue gelegene Restaurant „La Chassagnette“. Die Spielregeln lauten „Ihr Gefallen an guter Küche und Konzeptkunsthotels lässt Sie investieren“ oder „Arles ist Ihre Spielfläche“.

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