Superradar des Eurofighters bringt Deutschland zurück an die Weltspitze

Die Stimmung schwankte zwischen Wehmut und Aufbruch. Als Mitte Dezember im bayerischen Manching Airbus den zunächst letzten Kampfjet Eurofighter an die Luftwaffe übergab, markierte dies einen Einschnitt. 143 Exemplare rollten seit 2003 aus der Halle. Was der Öffentlichkeit aber kaum bekannt ist: In dem neuen Kampfjet steckt immer noch ein Radar einer früheren Technikgeneration. Es wurde vor gut 30 Jahren entwickelt.

Doch nun investiert Deutschland stolze 2,5 Milliarden Euro in neue Technologie. Es ist eine strategische Weichenstellung zu mehr Unabhängigkeit. Deutschland will zur eigenen Sicherheit künftig mehr Kompetenz im Zukunftsfeld von Radartechnik und im Elektronikkampf aufbauen. In einem Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie gehört die Sensorik sowie elektronische Kampfführung zu den „nationalen Schlüsseltechnologien“. Deutschland will bei der Radartechnik also unabhängig oder zumindest unabhängiger werden.

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Das hat einen Grund: Dahinter steht die Erkenntnis, dass sich Kampfjets zu fliegenden Elektronikplattformen mit angeschlossenen Waffen entwickeln. Unter Schlagworten wie „Erster Blick, erster Schuss“, gewinnt in Kriegsszenarien der Zukunft derjenige, der über die beste High-Tech-Elektronik und Software verfügt. „Ohne gutes Radar ist ein Kampfjet mehr oder minder wertlos“, sagt ein Sprecher des deutschen Radarspezialisten Hensoldt.

Daher gilt die Entwicklung neuer Radartechnik als größter Technologiesprung für Kampfjets. Einige Experten sehen das Radar der Zukunft nicht nur als Aufklärungssensor. Hinzu kommen Fähigkeiten wie die Datenübertragung oder das Radar als elektronisches Tarnnetz um den Jet. Das Kampfjet-Radar kann in der Zukunft selbst zur Elektronikwaffe werden, das andere Radare oder Waffen lahmlegen oder deren Elektronik zerstören kann.

200 Ziele in 200 Kilometer Entfernung

In allen bislang ausgelieferten Eurofightern ist aber noch Radartechnik eingebaut, die mit viel Mechanik und dem bei Nachrichtentechnikern vertrauten Bauteil einer Wanderfeldröhre als Hochfrequenzverstärker funktioniert. Damit lassen sich angeblich bis zu 20 Ziele gleichzeitig im Blick behalten. Neuere Radare dagegen arbeiten mit über tausend kleinen High-Tech-Chips, die sich einzeln steuern und lenken lassen und mit wenig bis gar keiner Mechanik auskommen. Ein Technologiesprung.

So können statt 20 bis zu 200 Ziele selbst in 200 Kilometer Entfernung gleichzeitig in der Luft und am Boden erfasst sowie Geländeprofile erstellt werden. Der Pilot kann andere Flugzeuge oder Drohnen in der Luft, aber auch Panzer oder Radaranlagen am Boden erkennen und in Millisekundenabständen verfolgen. Experten sprechen vom AESA-Radar, als Kürzel vom Active Electronically Scanned Array.

Radar Hensoldt

Das neue Super-Radar des deutschen Herstellers Hensoldt
Quelle: Hensoldt

Das bisherige Eurofighter Radar (Captor-M) wird zwar von Piloten gelobt. Aber es gibt viel leistungsfähigere Systeme. Längst fliegen US-Modelle wie die F-35 oder F-22, russische Kampfjets oder die europäischen Eurofighter-Konkurrenten wie Frankreichs Rafale oder seit Kurzem auch Schwedens Gripen-Kampfjet mit AESA-Radartechnik. Jetzt soll endlich der Eurofighter nachziehen. Dabei zeichnet sich für die deutschen Kampfjets ein doppelter Austausch ab.

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Militärinnovation

Die Entscheidung aus Berlin, einen Milliardenbetrag in Radartechnik zu investieren, ist nämlich mit einer Art Mini-Rüstungs-Brexit verbunden. Der Eurofighter wurde zwar als Vier-Nationen-Projekt von Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien gestartet. Parallel entwickelte ein Industriekonsortium (EuroRadar), über Jahre und mit Problemen und Kostensteigerungen verbunden, eine Elektronikversion des Radars. In dieses Projekt investierte Berlin bereits Hunderte Millionen Euro. Experten sprechen vom Captor-E-Radar. In diesem Konsortium hat der italienische Leonardo-Konzern vor allem über seine schottische Tochter die Führung.

Nun schert Deutschland aus und setzt sich selbst erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg an die Spitze einer Kampfflugzeug-Radarentwicklung. Gegründet wird ein neues Technikbündnis mit Spanien, unter deutscher Führung.

Saudi-Arabien kriegt die neuen Radare zuerst

Somit kommt es zur grotesken Situation, dass die Radare an den deutschen Eurofightern zweimal gewechselt werden. Zunächst von der bislang eingebauten Mechanik-Variante (Captor-M) auf die Elektronik-Variante (Captor-E) und dann etwa ab Mitte des Jahrzehnts auf die deutsch-spanische Weiterentwicklung. Experten sprechen vom ECRS Mk1 Modell. Diese Variante soll noch mehr können als das Captor-E-Modell vom Konsortium EuroRadar, heißt es beim Radarspezialisten Hensoldt. Die bisherigen Investitionen seien keineswegs verloren. Es gebe dann aber noch mehr Fähigkeiten. Vereinfacht ausgedrückt kommt Breitband-Radartechnik ins Cockpit.

Zu den Besonderheiten bei der jetzt anlaufenden Radarmodernisierung gehört, dass die ersten Eurofighter mit AESA-Radaren (Captor-E) nicht bei einem der vier Eurofighter-Gründungsländern fliegt, was zu vermuten wäre. Stattdessen bekommen die ersten Eurofighter-Elektronik-Radare die Exportkunden Katar, Kuwait und wohl auch Saudi-Arabien. Ob diese Nationen dann nochmals tauschen wie die Luftwaffe, ist unwahrscheinlich.

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Für den deutschen Hensoldt-Konzern mit Sitz in Taufkirchen bei München bedeutet die Radar-Entscheidung aus Berlin im ersten Schritt ein 1,5-Milliarden-Euro-Geschäft. Es ist der mit Abstand größte Auftrag in der jungen Firmengeschichte, der außerdem 400 Arbeitsplätze schafft. Der Mega-Auftrag bringt Hensoldt zudem Sicherheit nach einer turbulenten Anlaufphase.

Hensoldt mit gut 5500 Beschäftigten basiert nämlich im Kern auf dem 2017 übernommenen Ex-Rüstungselektronikgeschäft von Airbus, das an den nordamerikanischen Investor KKR als Hensoldt-Eigentümer verkauft wurde. 2019 stagnierte der Hensoldt-Umsatz von 1,11 Milliarden Euro praktisch und lag damit unter den Erwartungen. Mit einem Mini-Überschuss wurde wenigstens die Verlustphase verlassen. Nun soll es aufwärtsgehen, zumal Hensoldt auch Börsenpläne hegt.

Aufbruchstimmung bei Radar-Ingenieuren

Zu den Hoffnungen gehört, dass die Luftwaffe ihre Eurofighter-Flotte vergrößert. Die im Dezember 2019 gefeierte Auslieferung des 143. Exemplars soll nicht das Ende, sondern nur ein Etappenschritt sein. Im Projekt „Quadriga“ will der Bund zunächst weitere 38 Exemplare als Ersatz für die ältesten Modelle beschaffen – mit Elektronik-Radaren.

Wie Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im April verkündete, könnten insgesamt bis zu 93 neue Eurofighter bestellt werden. Als Austausch für die ältesten Modelle, für einen Teil-Ersatz der betagten deutschen Tornado-Bomberflotte neben dem US-Boeing-Modell F/A 18 F Super Hornet sowie als Option 15 Modelle, die für den elektronischen Kampf ausgelegt sind. Und alle Maschinen brauchen High-Tech-Radare. Bei den Eurofighter-Befürwortern und den deutschen Radar-Ingenieuren herrscht daher Aufbruchstimmung.

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Waffenhersteller

Seit Monaten forciert Airbus die Idee, den Eurofighter auch als Elektronik-Kämpfer in der Luft weiterzuentwickeln und ihm eine Wegbereiterrolle zu geben. Der neue deutsch-französische Super-Kampfjet im FCAS-Projekt (Future Combat Air System), der etwa 2040 einsatzbereit sein soll, wird nämlich vor Elektronik strotzen.

Wenn es um Schlüsseltechnologien bei diesem Projekt geht, möchte Deutschland mitreden. Nüchtern heißt es im neuen Rüstungsbericht aus dem Bundesverteidigungsministerium, dass die Verfügbarkeit von Aufklärungssensorik „von wesentlichem Sicherheitsinteresse für die Bundesrepublik Deutschland ist“.

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