Lufen-Talk: Kummerkasten live

Elf Millionen Aufrufe hat das Video inzwischen, das die Frühstücksfernsehen-Moderatorin Marlene Lufen am Sonntag vor einer Woche auf ihrem privaten Instagramprofil teilte und in dem sie den Lockdown infrage stellte. An diesen Erfolg wollte ihr Arbeitgeber, der Sender Sat 1, offenbar anschließen und beraumte kurzfristig die Live-Sendung Deutschland im Lockdown an. Lufen scheine „einen Nerv getroffen zu haben“, begründet eine Sendersprecherin auf Anfrage die Entscheidung.

Am Montagabend um 20.15 Uhr saß Lufen also mit vier Gästen im Studio, deren Auswahl darauf abzuzielen schien, Lufens Thesen aus dem Video ein Gesicht zu verleihen: Eine Kinderärztin erklärt, wie sich mangelnde soziale Kontakte auf die Entwicklung junger Menschen auswirken, ein Schülersprecher berichtet von Unsicherheit unter Absolventen, eine Depressionspatientin erzählt, dass sie wieder mehr schlimme Phasen durchlebt seit der Pandemie. Und der Koch Tim Raue klagt, dass Hilfen der Regierung nicht ankommen, und warnt vor häuslicher Gewalt, die er als Kind erfahren habe. Weitere Menschen, die unter den Maßnahmen leiden, werden eingeblendet und zitiert; eine Mutter, eine Pflegerin für Demenzkranke, eine Nagelstudiobesitzerin, Kinder. Viele Gefühle, wenig Fakten.

Die eineinhalb Stunden Sendezeit geben einen mitunter interessanten Einblick in die Situation vieler Menschen, für die es sonst selten Sondersendungen zur Primetime gibt. Doch die Perspektive der Covid-19-Erkrankten, der Angehörigen von Corona-Toten, der Pfleger und Ärztinnen, die täglich gegen das Virus kämpfen, fehlt gänzlich. Wie die Auswahl zustande kam? Man habe „denen eine Stimme gegeben, die sich in der aktuellen Diskussion mit ihren Problemen nicht ausreichend gehört fühlen“, heißt es von Sat 1.

Im Fernsehen argumentiert Lufen abwägender als im Video, dem immergleichen Tenor ihrer Gäste setzt sie jedoch nichts entgegen. Was bleibt: die Nachteile der Corona-Politik, gefühlig in Szene gesetzt. Und kein Lösungsvorschlag.

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