Erwartete Zinswende: Kommt jetzt das Sparbuch zurück?

Es wird spannend in der Welt der Geldanlageprodukte: Erstmals seit mehr als zehn Jahren will die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen anheben. Im Juli könnte es so weit sein. Jetzt schon steigen am Kapitalmarkt die Zinsen. Eine spannende Frage: Wird jetzt alles wieder wie vor der Negativzins-Ära? Oder doch ganz anders? Die ersten Regelungen zu Negativzinsen wurden zugunsten der Verbraucher schon gekippt. Die ING schafft die Negativzinsen für fast alle Kunden ab – auch Pioniere der Negativzinsen von 2014 wie die Deutsche Skatbank folgen ihr, zumindest für Bestandskunden. Viele andere wie die Deutsche Bank wollen zumindest mit der EZB dann ihre Minuszinsen abschaffen.

Philipp Krohn

Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.

Viele Sparer haben in dieser Negativzins-Phase ihre Gewohnheiten verändert. Geld wurde auf dem Girokonto stehengelassen – weil es auf dem Tagesgeldkonto, der Sparkarte, dem Sparbrief oder gar dem Sparbuch ja eh keine Zinsen brachte. Selbst für Festgeld gab es so wenig, dass man die Zeit fürs Umschichten lieber anderweitig nutzen konnte. Harte Regelungen für Negativzinsen ließen Sparer dagegen immer mehr Raffinesse entwickeln, wie sie ihr Geld auf mehrere Banken so verteilen, dass sie unterhalb der Freibeträge blieben. Parallel entdeckten in der Zeit ohne Zinsen viele die Aktie für die Geldanlage – gerade junge Leute nutzten die Neobroker für aufregungsreiche Wertpapier-Spekulation.

Werben die ersten Banken mit höheren Zinsen?

Wenn der Zins nun zurückkommt, könnten auch festverzinsliche Geldanlagen wieder zumindest etwas attraktiver werden. Zwar bleiben die Realzinsen, also die Sparzinsen nach Abzug der Inflation, weiter negativ. Trotzdem könnte es interessant werden, Geld vom Girokonto auf festverzinsliche Konten umzuschichten, wenn man dann wenigstens etwas weniger durch die Inflation verliert. Kommt daher jetzt das Tagesgeldkonto zurück – oder gar das Sparbuch?

„Das Sparbuch ist tot“, meint Dirk Schiereck, Bankenprofessor in Darmstadt. „Tagesgeldkonten dagegen kommen bestimmt wieder.“ Auch auf Tagesgeldkonten werden die Zinsen so schnell die Inflation nicht übersteigen. Die ING Deutschland aber, deren Vorläuferin Diba diese Art der Konten in Deutschland einst als Nachfolger des Sparbuches etabliert hatte, setzt jetzt wieder auf das Produkt: Das „Extrakonto“, ihr Tagesgeldangebot, wird von Juli an wieder für Neukunden geöffnet – und soll zunächst bis zu hohen Freibeträgen unentgeltlich sein. Attraktivere Zinsen hat Vorstandschef Nick Jue bei einer weiteren Erholung der Zinswelt in Aussicht gestellt.

Sicher ist auch: Gerade ausländische und weniger bekannte Banken, die auch früher schon mit etwas höheren Zinsen auf Kundenfang gingen, werden die EZB-Zinserhöhung nutzen. „Es gibt wieder Zinsen“, könnte ihr Werbeslogan lauten. „Es sind aktuell schon die etwas weniger namhaften Banken, aber auch eine IKB ist darunter, die die Festgeldzinsen bereits etwas angehoben haben“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung: „Ich gehe davon aus, dass wir die nächsten Wochen bis zur EZB-Leitzinserhöhung schon erkennbare Festgeldzinserhöhungen sehen werden.“ Katharina Lüth vom Fintech Raisin, das die Plattform Weltsparen betreibt, die Zinsangebote vermittelt, hebt hervor: „Ich rechne damit, dass diese Entwicklung über kurzfristige Lock-Angebote von Banken hinausgehen wird.”

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