Weil Gas seit Donnerstagvormittag offiziell ein „knappes Gut“ ist, verkürzt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eigenen Aussagen zufolge seine Duschzeit „deutlich“. Das ist aller Ehren wert und sollte durchaus als Vorbild dienen.
Die Lage jedenfalls ist sehr ernst, das will Habeck den Bürgern mit diesem persönlichen Schwenk wohl verdeutlichen. Doch wenn man auf die starre Position des Ministers und seiner grünen Partei in Sachen Atomkraft-Laufzeitverlängerung blickt, stellt sich die Frage nach der Prioritätensetzung Habecks.
Kürzer duschen, schön und gut. Es muss jetzt aber darum gehen, die Gasverstromung in Deutschland so schnell und so weitreichend wie möglich herunterzufahren. Im März wurde noch gut ein Fünftel der Elektrizität hierzulande auf Gasbasis erzeugt. Dabei wird das rare Gas vor allem für Wärmeerzeugung und Industrie benötigt. Daher müssen wir die Stromlast anderweitig decken.
Dass Habeck sich hier bewegt und zum Unmut vieler seiner eigenen Wähler bereit ist, wieder stärker auf Kohlekraft zu setzen, beweist politische Reife. Ebenso wenig Dogmatismus sollte er jetzt endlich auch bei der Frage nach Atomenergie an den Tag legen.
Schließlich zeigt sich mittlerweile sogar eine Mehrheit der Kernenergie-skeptischen Deutschen für eine Verlängerung über Ende 2022 hinaus offen. Das muss auch der grüne Teil der Ampelkoalition ernst nehmen. Atomkraft länger zu nutzen würde weniger klimaschädlichen Kohlestrom bedeuten und helfen, weiter Gas einzusparen.
Je früher die Politik sich auf diese Verlängerung verständigt, desto reibungsloser könnte die am Ende über die Bühne gehen. Viele aktuelle Mitarbeiter in den drei verbliebenen deutschen AKWs haben sich neue Jobs gesucht oder wollen vorzeitig in den Ruhestand. Sie müssen überzeugt werden, länger zu bleiben.
Das braucht Zeit. Genauso wie die Beschaffung neuer, passgenauer Brennstäbe – eines der Hauptargumente, die immer wieder gegen eine Verlängerung ins Feld geführt werden. Ja, die Lieferung dürfte sich wohl 15 bis 18 Monate hinziehen. Die Konsequenz daraus darf aber nicht sein, herumzulavieren – sondern endlich zu bestellen. Besser gestern als heute.
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