Es ist die dritte Leitzinserhöhung in Folge: Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich mit einer weiteren kräftigen Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte gegen die Rekordinflation im Euroraum.
Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der Notenbank leihen können, steigt damit auf 2,0 Prozent, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt/Main mitteilte. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz wurde im selben Umfang auf 1,50 Prozent erhöht. Der EZB-Rat „geht davon aus, dass er die Zinsen weiter anheben wird“, hieß es.
Die Inflation liegt inzwischen fast fünfmal so hoch wie das Inflationsziel der Notenbank von zwei Prozent, das sie als ideal für die Wirtschaft erachtet. In der Eurozone betrugt die Teuerungsrate zuletzt 9,9 Prozent, in Deutschland 10,0 Prozent. „Die Inflation ist nach wie vor deutlich zu hoch und wird für längere Zeit über dem Zielwert bleiben“, erklärte EZB-Chefin Christine Lagarde.
Die Währungshüter wollen unbedingt vermeiden, dass sich die hohe Inflation in den Köpfen der Menschen festsetzt. Das Kalkül: Wenn die Inflationserwartungen aus dem Ruder laufen, wird es für die EZB noch schwieriger, die Teuerung wieder einzudämmen und in Richtung ihrer Zielmarke zu bewegen.
Zugleich könnte ein zu schnelles Ende der jahrelangen ultralockeren Geldpolitik die Konjunktur auszubremsen, die ohnehin unter Lieferengpässen und den Folgen des Ukraine-Krieges etwa auf dem Energiemarkt leidet. „Und wir erwarten eine weitere Abschwächung im weiteren Jahresverlauf und zu Beginn des nächsten Jahres“, sagte Lagarde. Die EZB behält sich zudem vor, über Anleihenkäufe hochverschuldeten Eurostaaten weiter unter die Arme zu greifen.
Außerdem verschärften die Notenbanker die Bedingungen für mehr als 2 Billionen Euro an ultrabilligen, aus der Pandemie-Ära stammenden Krediten für Banken, die als TLTROs bekannt sind. Die Vereinbarungen waren problematisch geworden, nachdem die jüngsten raschen Zinserhöhungen es den Kreditgebern ermöglicht hatten, TLTRO-Gelder auf EZB-Konten zu parken und risikolose Erträge zu erzielen.
Im Vorfeld der Zinssitzung hatten sich bereits viele Währungshüter dafür ausgesprochen, erneut eine ungewöhnlich starke Zinserhöhung von 0,75 Prozentpunkten zu beschließen. Auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte einen robusten Zinsschritt gefordert.
Nach langem Zögern hatte der EZB-Rat bei seiner Sitzung am 21. Juli erstmals seit elf Jahren die Zinsen im Euroraum wieder angehoben – um 0,5 Prozentpunkte. Die zweite Erhöhung folgte am 8. September – erstmals in der Geschichte der Notenbank um 0,75 Prozentpunkte. Die EZB hatte die hohe Inflation lange als vorübergehend interpretiert und hatte erst später die US-Notenbank Fed mit Zinserhöhungen begonnen.
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