Wahlleugner bei den Midterms: Die krachende Niederlage von Trumps Kandidaten

Mit Jim Marchant hätte in Nevada ein Mann künftig die Wahlen beaufsichtigt, der Anfang des Jahres behauptet hatte, die Bevölkerung habe seit Jahren „niemanden“ mehr gewählt, alle im Amt befindlichen Personen seien „ausgewählt“ ­worden. Auch Joe Bidens Sieg in den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 er­kennt der 66 Jahre alte Republikaner nicht an.

Sofia Dreisbach

Politische Korrespondentin für Nordamerika mit Sitz in Washington.

Nachdem Marchant vor zwei Jahren damit gescheitert war, in das Repräsentantenhaus einzuziehen, äußerte er: „Wir haben etwas gemeinsam: Präsident Trump und ich haben 2020 eine Wahl wegen Manipulation verloren.“ Doch mit Marchants Niederlage im Rennen um den Posten des Innenministers, des „Secretary of State“, in Nevada ist die vielleicht wichtigste Entwicklung der amerikanischen Kongresswahlen besiegelt: In keinem der heftig umkämpften Bundesstaaten, die entscheidend für die Präsidentschaftswahl 2024 sein werden, haben Wahlleugner künftig die vollständige Kontrolle über die Wahlprozesse.

Immer wieder hatte Präsident Joe Biden vor den Kongresswahlen gewarnt, die Demokratie selbst stehe zur Abstimmung. Sollte auch nur ein Bundesstaat 2024 das Wahlergebnis infrage stellen und sich weigern, es zu bestätigen, könnte das ins Chaos führen. Eine Mehrheit der Amerikaner hat sich nun jedoch von Wahlleugner-Kandidaten abgewandt. Der Sieg des Demokraten Cisco Aguilar über Marchant am späten Samstagabend ist der vorläufige Schlusspunkt einer Reihe von Niederlagen jener Kandidaten, die von Trump unterstützt wurden und die Legitimität der Präsidentschaftswahl bestreiten.

Cisco Aguilar am 8. November in Las Vegas

Cisco Aguilar am 8. November in Las Vegas : Bild: AFP

Ein „Votum für Normalität“

Als Trump 2020 versuchte, Bidens Wahlsieg wegen angeblichen Betrugs rückgängig zu machen, scheiterte er unter anderem an der Weigerung von Wahlleitern und Gouverneuren, entsprechende Schritte in den Bundesstaaten einzuleiten. Der Republikaner Brad Raffensperger weigerte sich damals, Trump mehr als 11.000 Stimmen zu „finden“. Gerade wurde er ein zweites Mal zum Innenminister gewählt. Die Wähler „wollten Charakter und haben diesen belohnt“, sagte Raffensperger nach seinem Sieg. „Das war ein Votum für Normalität.“ In den republikanischen Vorwahlen hatte er sich gegen den Wahlleugner Jody Hice durchgesetzt.

Hice ist wie viele der besiegten Republikaner Mitglied der „America-First-Koalition“. Diese vom gescheiterten Jim Marchant aus Nevada gegründete Gruppe hatte es sich im Wahlkampf zur Aufgabe gemacht, Innenminister- und Gouverneurskandidaten besonders in traditionell wahlentscheidenden Bundesstaaten zu unterstützen – unter ihnen die radikalsten Wahlleugner.

Zu ihnen zählt auch der gescheiterte Innenminister-Kandidat Mark Finchem in Arizona, einer der lautesten Wahlleugner der Republikaner, der im vergangenen Jahr am Sturm auf das Kapitol am 6. Januar teilgenommen hatte. Seit der Wahl am Dienstag macht er in den sozialen Medien Andeutungen über angeblichen Wahlbetrug; seine Niederlage hat er noch nicht eingestanden. Finchem wollte als Wahlleiter etwa die vorzeitige Stimmabgabe und elektronische Auszählmaschinen verbieten.

Noch offen ist in Arizona, wie die Gouverneurswahl ausgeht. Die von Trump gestützte republikanische Kandidatin Kari Lake, die das Ergebnis der Wahl 2020 ebenfalls nicht anerkennt, ist in einem knappen Rennen mit der Demokratin Katie Hobbs. In zwei anderen Bundesstaaten sind „America-First“-Gouverneurskandidaten dagegen gescheitert. Der von Trump unterstützte Doug Mastriano verlor mit großem Abstand gegen seinen demokratischen Herausforderer Josh Shapiro. Auch Mastriano war am 6. Januar 2021 vor dem Kapitol gewesen und hatte Busse organisiert, die Demonstranten nach Washington brachten.

In Michigan siegte im Gouverneursrennen die Demokratin Gretchen Whitmer gegen Tudor Dixon, die in den Vorwahlen behauptet hatte, Trump sei der Sieger der Präsidentschaftswahl gewesen. Auch die von der Wahlleugner-Koalition unterstützte Innenministerkandidatin Kristina Karamo musste sich in Michigan der Amtsinhaberin Jocelyn Benson geschlagen geben. „Die Demokratie hat gesiegt“, sagte Benson nach ihrem Sieg. Bei dieser Wahl sei es nicht um „Demokrat oder Republikaner“ gegangen. Vielmehr sei die Frage gewesen: „Werden wir in einer Demokratie leben, in der die Wahrheit regiert?“

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