Lambrecht-Video: Politiker setzen auf Selbstinszenierung

Minister sind auch nur Menschen – aber, wie man inzwischen hinzufügen muss: Menschen, die Minister sind. Zunehmend verstörend erscheint die Tendenz unter Politikern, die Präsentation der eigenen Person in der Öffentlichkeit wichtiger zu nehmen als das Amt. Sicher, beides gehört zusammen, aber eben nicht zu gleichen Teilen. Grotesk wird es, wenn das Ego so groß ins Bild kommt, dass das Ministerium dahinter kaum mehr zu erkennen ist. So wie im Silvestervideo von SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.

Der peinliche Auftritt der Politikerin vor ihren Followern auf Instagram steht für sich, aber darüber hinaus für die über alle Ufer tretende Begeisterung am Ich. Dies ist in der Politik ebenso zu beobachten wie in der Gesellschaft, fällt aber dort stärker ins Gewicht, wo es ums große Ganze geht. Wenn Lambrecht nicht etwa am heimischen Fonduetopf, sondern vor aller Augen davon salbadert, dass der Krieg in der Ukraine ihr „viele besondere Eindrücke, Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen“ beschert habe, zeigt das eine Selbstbezogenheit, die Weltgeschehen zu Lambrechtgeschehen eindampft. Das ist zynisch, aber vor allem deshalb erschreckend, weil die Methode System hat. Die Aufmerksamkeit, die dem Amt zu verdanken ist, soll dem Amtsinhaber nützen.

Debattenbeiträge vom Typ „Wunderkerze“

Unfreiwillig komisch mutet es noch an, wenn der Sprecher des Verteidigungsministeriums seinen Twitter-Account als „rein privat“ deklariert, während er von Twitter selbst als Mitarbeiter der Regierung ausgewiesen wird: „Germany government official“, aber hier bloß zum Vergnügen? Wirklich problematisch wird es allerdings, wenn ein Politiker kraft seines Amtes Aufmerksamkeit auf sich lenkt, um dann aber eine Äußerung vom Typ Wunderkerze – kurz sprühend, sodann verglühend – folgen zu lassen. So nutzte etwa Gesundheitsminister Karl Lauterbach seine Reichweite auf Twitter, um dort am Neujahrstag zu fordern, denjenigen, die in der Silvesternacht Rettungskräfte attackiert hätten, sollten die Wohnungen gekündigt werden. Diesen Tweet löschte der SPD-Politiker zwar bald schon wieder, doch das machte es kaum besser. Wieder einmal hatte ein führender Politiker einen persönlichen Kommentar zu einer Sache, die gar nicht seine war, der Zurückhaltung vorgezogen.

Freilich kommunizieren Politiker nicht im luftleeren Raum, und manche Journalisten verarbeiten nur zu gern noch die allerblödeste Äußerung zu einer Nachricht. Politiker, die bei Twitter ausgestiegen sind, berichten davon, dass die Zahl der Anrufe aus Redaktionen deutlich abgenommen habe: Wer nicht beständig lärmt, wird mitunter schlicht vergessen. Das trifft allerdings nicht auf Politiker zu, die entweder wirklich etwas mitzuteilen haben – denn das wissen dann auch Journalisten – oder die wirklich wichtig sind, wie etwa Minister. Die vergisst keiner, wie etwa die Präsenz des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck zeigt. Er ist schon vor Jahren bei Twitter ausgestiegen. Es hat ihm nicht geschadet.

Im Fall Lambrecht kommt hinzu, dass das unwürdige Video nicht etwa einen traurigen Höhepunkt darstellt, sondern fast schon eine Alltäglichkeit im Wirken der Ministerin. Gerade ein Bundeskanzler, der im Wahlkampf „Respekt“ versprach, sollte wissen, dass diesen nicht nur die Bürger verdienen, sondern auch Staatsämter.

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