Nein, Frau Lambrecht, die Medien sind nicht schuld

Deutschlands unbeliebteste Spitzenpolitikerin schmeißt hin. Und schuld sind, wer sonst, die Medien. Nun ist aus Christine Lambrechts Sicht verständlich, warum sie das so sieht. Je mehr Fauxpas sie aneinanderreihte, desto genüsslicher stürzten sich speziell Boulevardmedien auf die Verteidigungsministerin. Einige Schlagzeilen und Zuschreibungen waren sicherlich diskutabel. Nur übergeht Lambrecht in ihrem Abschieds-Statement, dass sie ganz eigenhändig die Munition für diese Kritik lieferte. Und dass die Gründe für die Häme tiefer gingen als unglückliche Oberflächlichkeiten, wie zuletzt ihr missglücktes Instagram-Video zu Silvester.

So hat es die „sachliche Berichterstattung und Diskussion“ durchaus gegeben, die aus Lambrechts Perspektive durch das ständige Berichten über ihre Fehltritte verunmöglicht wurde. Nur sah auch die eben oft nicht gut für sie aus.

Schon ihr Start verlief holprig, und zwar selbst verschuldet. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit sorgte ihre Personalpolitik für Unmut in der Truppe. Kurz nach ihrer Vereidigung ließ Lambrecht einen als Pflichttermin geltenden Antrittsbesuch sausen – und zeigte sich stattdessen im Skiurlaub in Ischgl. Ins Jahr 2022 startete sie mit den inzwischen berüchtigten 5000 Helmen für die Ukraine, die auch im nicht-ukrainischen Ausland Deutschlands Image ramponierten.

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Man muss Lambrecht zugutehalten, dass sie als Verteidigungsministerin nicht Alleinherrscherin über den Bendlerblock war. Sie hat zudem die desaströse Lage der Bundeswehr nicht verursacht. Und sie hätte sich auch nicht einfach über die oft als zögernd kritisierte Ukraine-Politik von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hinwegsetzen können.

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Und vielleicht wären selbst Fehltritte wie das Abfeiern der 5000 Helme zu verschmerzen gewesen, wenn Lambrecht denn daraus gelernt hätte. Aber die Verteidigungsministerin produzierte PR-Desaster am laufenden Band: Die Helikopter-Prahlerei ihres Sohnes, der vergessene Name des Luftwaffenchefs, Stöckelschuhe in Mali, Panzererklärungen („Der Gepard ist kein Panzer“) und eben zuletzt die beinahe im Lärm der Böllerexplosionen untergegangene Feststellung, dass das Zeitenwende-Jahr, in dem die westliche Sicherheitsordnung zusammengeschossen wurde, für sie voll von „interessanten und tollen Menschen“ gewesen sei.

Nicht die Medien haben sachliche Berichterstattung unmöglich gemacht – Lambrecht hat es unmöglich gemacht, nicht über ihre Ungeschicklichkeiten zu berichten.

Gegen Lambrecht musste niemand eine Kampagne fahren; die Bürger erinnern sich bei dieser Häufung schon von allein daran, dass der jeweils jüngste Fehltritt nicht der Erste war. Die Fehler häuften sich im Laufe ihres Amtsjahres, der Umgang der Ministerin damit wurde eher schlimmer als besser. Fehlende Lernbereitschaft und Leidenschaft an der Spitze des Wehrressorts kann man sich nie leisten, in Zeiten wie diesen noch weniger. Der Rücktritt war die richtige Entscheidung. Und die Begründung zeigt ein letztes Mal, warum er nötig und überfällig war.

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