Tanner: „Wiederbetätigung muss Amtsverlust bedeuten“

© KURIER/Jeff Mangione

Nach erneuten Nazi-Umtrieben im Heer appelliert die Verteidigungsministerin an ihre Ministerkolleginnen, die Gesetze zu verschärfen. Beim Verteidigungswillen der Bürger ortet sie Defizite.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner über neonazistische Umtriebe im Bundesheer, warum die Frauenquote auch nach 25 Jahren immer noch vergleichsweise schwach ist und warum sie es für ein Defizit hält, dass nicht mehr Menschen Österreich und die Demokratie mit der Waffe verteidigen wollen.

KURIER: Frau Bundesministerin, nimmt man Ihre Befehle im Bundesheer eigentlich ernst?

Klaudia Tanner: Davon gehe ich aus. Warum fragen Sie?

Als im Vorjahr der KURIER über einen Soldaten in SS-Uniform berichtet hat, haben Sie sofort eine „Null-Toleranz-Politik“ ausgegeben. Vor Kurzem gab es einen Berufssoldaten, der Hitler-Reden verschickt hat. Die einzige Konsequenz: eine Geldstrafe. Null-Toleranz klingt anders, oder?

Eines vorweg: Das sind schreckliche Fälle, jeder davon ist einer zu viel. Allerdings gibt es solche Einzelfälle im gesamten öffentlichen Dienst, nicht nur im Bundesheer. Wenn es nach mir geht, dann hat eine Verurteilung wegen Wiederbetätigung automatisch den Verlust des Amtes zur Folge zu haben. Das meine ich mit Null-Toleranz.

In der deutschen Bundeswehr wurden binnen zwei Jahren mehr als 100 Soldaten wegen ähnlicher Vergehen entlassen. Warum nicht in Österreich?

Wir haben den automatischen Amtsverlust nur bei Verurteilungen von mehr als einem Jahr Haft. Ich appelliere daher an die Justiz- und die Verfassungsministerin, das Gesetz dringend zu verschärfen und das Kriterium der Haftdauer zu streichen. Wiederbetätigung muss zum Amtsverlust führen!

Kommen wir zum Krieg in Europa. Was sagen Ihre Strategen oder der Heeresnachrichtendienst? Wie lange wird dieser Krieg noch dauern?

Der Konflikt ist zu einem Abnutzungs- und Stellungskrieg geworden. Und auch wenn es unbefriedigend ist: Wir können unmöglich vorhersagen, wie lange er noch dauert.

Die Österreicher sind begeistert von der Neutralität. Wie passt es da zusammen, dass das Bundesheer mit EU- und NATO-Staaten an einem Schutzschild arbeitet?

Aufgrund unserer Verfassung bleibt uns nichts anderes übrig, als den Luftraum selbst zu schützen. Unsere Abfangjäger werden das auch in Zukunft übernehmen. Der angesprochene European Sky Shield ist noch eine Ebene über den Eurofightern, also in den höheren Sphären. Und hier ist es technisch wie finanziell undenkbar, dass ein EU-Land allein einen Schutzschirm aufspannt. Ich hoffe, dass wir im Juli einen ersten „Letter of Intent“ unterschreiben können. Es wird allerdings noch Jahre dauern, bis der Schutzschirm aktiv ist.

Wenn sich ein unbekanntes Flugobjekt Österreich nähert, wer entscheidet beim Sky Shield über einen möglichen Abschuss?

Diese Entscheidung muss immer bei uns bleiben.

Das setzt aber voraus, dass uns die EU-Nachbarn ernst nehmen und überzeugt sind, dass wir uns nicht einfach darauf verlassen, dass uns umgebende NATO-Staaten die Sicherheit organisieren.

Hier schwingt der Vorwurf des Trittbrett-Fahrers mit, und da sage ich: Österreich leistet qualitativ wie quantitativ einen beachtlichen Beitrag. Wie sind am Balkan extrem präsent und engagieren uns bei robusten Missionen wie in Mali. Vergessen wir nicht: Das Wehrbudget wird deutlich aufgestockt und für die nächsten Jahre ist sichergestellt, dass Investitionen in Ausrüstung und Gerät passieren. Wo wir hinterherhinken, ist die Bereitschaft, das Land und unsere Werte zu verteidigen. Während in skandinavischen Ländern 80 Prozent der Bürger sagen „Ich wäre bereit, mein Land mit der Waffe zu verteidigen“, ist es in Österreich nur ein Viertel.

Ist das ein Defizit?

Ich glaube ja. Am Ende geht es darum, eine wehrhafte Demokratie zu sein. Aber ich gebe gerne zu: Länder wie Finnland haben eine Grenze mit Russland. Das schafft grundsätzlich ein anderes Bewusstsein.

Zur Truppe: Sie haben vor zwei Jahren die Teiltauglichkeit eingeführt. Damit sollten jährlich 2.000 Rekruten gewonnen werden. Geworden sind insgesamt nur knapp mehr als 1.000. Ist das Modell ein Flop?

Der Wunsch waren tatsächlich 2.000 Rekruten im Jahr, aber ganz ehrlich: Jeder Einzelne, den wir so gewinnen konnten, ist ein Mehr an Sicherheit. Das Modell ist kein Flop, wir behalten das bei.

Gilt das auch für die Frauen im Bundesheer? Nach immerhin 25 Jahren ist die Frauenquote mit weniger als fünf Prozent meilenweit von den geplanten zehn Prozent entfernt. Was läuft da schief?

Wenn man sich die Kurve ansieht, ist sie im Ansteigen. Aber ich bin tatsächlich nicht zufrieden. Der gesamte öffentliche Dienst kämpft um gutes Personal. Vielleicht transportieren wir die Vorteile einer Frauenkarriere im Heer noch zu wenig. Dass man immer dasselbe bezahlt bekommt wie Männer; dass man bis ganz hinauf in der Offizierslaufbahn kommen kann; dass es irrsinnig viele verschiedene Berufsbilder gibt. Mein Ehrgeiz liegt jetzt darin, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Die Frage der Kinderbetreuung ist zentral. Das müssen wir einfach stärker mitdenken. Und wir bieten ja auch jetzt neu den „freiwilligen Grundwehrdienst für Frauen“ an und erhoffen uns dadurch auch noch einmal eine Steigerung.

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