Gesetzliche Altersvorsorge: Die Ampel macht Rentenpolitik ohne Plan und Ziel

Das geplante Rentenpaket der Ampelregierung würde die Sozialausgaben bald um 30 bis 40 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen. Und der größte Teil dieser Milliarden, schätzungsweise zwei Drittel, flös­se an Menschen mit überdurchschnittlichen Renten. Was soll man davon halten? Sozialpolitisch ist es offensichtlich nicht zielgenau. Und in einer Zeit, in der es den staatlichen und privaten Akteuren an Spielräumen zum Investieren fehlt, erscheint es auch wirtschaftspolitisch nicht erstrebenswert.

Die rentenpolitische Auseinandersetzung wird aber gerne in anderen Kategorien geführt. Es wird zum Beispiel vorgetragen, dass die skizzierten Verteilungswirkungen gar keiner weiteren Erörterung bedürften. In einem am sogenannten Äquivalenzprinzip orientierten Rentensystem sei es doch nur selbstverständlich, dass Bezieher höherer Renten auch höhere zusätzliche Geldbeträge erhalten, wenn man – wie nun geplant – für prozentual stärkere Rentenerhöhungen sorgt. Von einer „Begünstigung“ der Bezieher höherer Renten durch eine solche Maßnahme könne keine Rede sein.

Die Rente steigt zulasten der Beitragszahler

Anstöße zu dieser Debatte hat auch ein F.A.Z.-Bericht gegeben, der zeigte, wie sich die geplante Regeländerung unter dem Schlagwort „Mindestrentenniveau“ auf künf­tige Renten­er­hö­hungen auswirkt. Kurz gefasst: Bisher lässt die amtliche Vorausberechnung bis 2035 Erhö­hungen um knapp 32 Prozent er­warten, und daraus würden dann gut 38 Prozent.

Rein mathematisch ist es in der Tat selbstverständlich, dass damit hohe Renten absolut stärker steigen als geringe. Das heißt aber nicht, dass dies auch im Fall des geplanten Rentenpakets als selbstverständliche, weil scheinbar systemkonforme Folge einfach hinzunehmen ist.

Systemkonform sind zweifellos die regulären jährlichen Rentenerhöhungen, deren Höhe (in Prozent) sich aus der Anwendung der gesetzlichen Rentenformel ergibt. Darum geht es aber jetzt nicht. Es geht vielmehr um einen gezielten politischen Eingriff in diese Rentenformel mit dem Ziel, stärkere Rentenerhöhungen her­beizuführen – zulasten der Beitrags- und Steuerzahler. Haben diese keinen Anspruch ­darauf zu hinterfragen, wofür genau man sie nun zusätzlich belasten will?

Der Lastenausgleich zwischen den Generationen wird stillgelegt

Kern des geplanten Eingriffs in die Rentenformel ist die Stilllegung des sogenannten Nachhaltigkeitsfaktors. Bisher soll dieser Faktor einen Lastenausgleich zwischen den Generationen schaffen, wenn es mehr Rentner und weniger Zahler gibt: Die Rentenerhöhungen fallen dann etwas geringer aus als der allgemeine Lohnanstieg, damit die ohnehin steigende Last der Zahler langsamer wächst.

Bisher ist der Faktor so justiert, dass die Rentner ein Viertel der Last tragen. Mehr als zwei Jahrzehnte gab es einen breiten politischen Konsens, dass der Generationenvertrag der Umlagerente einer solchen Stabilisierung bedürfe.

Und wieso sollte das jetzt, kurz vor dem Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge, nicht mehr gelten? Theoretisch sind zwei Begründungswege dafür vorstellbar: Entweder man vertritt die Ansicht, dass der demographische Wandel wider erwarten nicht stattfinde. Oder man meint, dass der Nachhaltigkeitsfaktor zwar nötig bleibe, aber wegen ungewollter Nebenfolgen korrekturbedürftig sei. Dann aber müssten diese Nebenfolgen genau benannt werden, um zu klären, ob die geplante Maßnahme Abhilfe schafft.

Der Verweis auf Altersarmut überzeugt wenig

Sozialpolitiker verweisen an diesem Punkt meist auf drohende Altersarmut – was aber kaum überzeugt. Denn wer etwa wegen kurzer Versicherungszeiten nur wenig gesetzliche Ren­te er­hält, dem helfen auch ein paar Prozent mehr Rente wenig. Schon gar nicht rechtfertigt dies ein Gesetz, das zweistellige Milliardenmehrausgaben zu Beziehern höherer Renten lenkt.

Und die Demographie? SPD-Sozialminister Hubertus Heil tut so, als sei sie überwindbar. Mit mehr Migration und mehr Arbeitsförderung könne man die nötigen Beitragszahler gewinnen, um den erwarteten Anstieg des Ren­tenbeitragssatzes auf 22,3 Prozent doch noch zu ver­hindern.

Amtliche Bevöl­ke­rungs­daten ­und die inzwischen wieder beharrlich steigende Ar­beits­losigkeit passen leider nicht dazu. Außerdem: Glaubte Heil wirklich, die Demographie überwinden zu können, brauchte er kein Rentengesetz. In diesem Fall wäre der Nachhaltigkeitsfaktor wirkungslos und das „Mindestrentenniveau“ automatisch garantiert.

Jenseits davon gäbe es aber natürlich noch eine dritte Erklärung für dieses fragwürdige Projekt einschließlich seiner Verteilungswirkung: Man kann der Ansicht sein, dass der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel schon immer ein Fehler gewesen sei. Nur wäre das wenig rücksichtsvoll gegenüber den Zahlergenerationen, die ja nichts dafür können, dass sie weniger Menschen sind als jene, für deren Renten sie aufkommen müssen. Wer diese Po­sition vertritt, sollte zumindest so aufrichtig sein, sie offen auszusprechen.

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