Zukunft der Jugend: Der Rechtsruck bei den jungen Wählern

Woke, offen für Flüchtlinge, freitags auf der Klimademo: So ticken die jungen Leute – die Generation Greta wählt grün. Das war zumindest die Annahme bisher. Das mediale Echo war daher groß, als in der vergangenen Woche die Studie „Jugend in Deutschland 2024“ vorgelegt wurde. Vor allem folgende Aussage erregte Aufsehen: „Wir können von einem deutlichen Rechtsruck in der jungen Bevölkerung sprechen. Das schlägt sich in den politischen Präferenzen der 14 bis 29 Jahre alten Menschen nieder. Während die Parteien der Ampel-Regierung in der Gunst immer weiter absinken, hat die AfD besonders großen Zulauf“, resümiert der Jugendforscher Klaus Hurrelmann, einer der Autoren.

Doch ist das überhaupt eine neue Entwicklung? Auch in früheren Phasen der bundesdeutschen Geschichte gab es Phasen der Hochkonjunktur für rechte Parteien, die nicht zuletzt junge Wähler prägten. Es handle sich um Schwankungen in den Zeitläuften, die immer wieder aufträten, sagt der Wahlforscher Jürgen Falter von der Universität Mainz. Junge Menschen tendierten insgesamt dazu, radikalere Positionen einzunehmen, sozusagen das Unbedingte zu fordern und zu erwarten. Dass die Jugend vorwiegend links steht, scheint ein Mythos zu sein. Zwar habe in den meisten Wahlperioden eine Mehrheit der jungen Menschen links gewählt, aber es gebe keinen eindeutigen Trend, wonach jung immer links wähle, sagt Falter. Gerade in den Fünfzigerjahren habe die CDU bei den jungen und jüngsten Wählern gut abgeschnitten.

Den Rhtythmus von Tiktok hinbekommen

Geht man historisch einen weiteren Schritt zurück, dann findet sich die Jugend im politischen Spektrum noch weiter rechts. In den Zwanziger- und Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts sympathisierte ein großer Teil der Jugend, vor allem der Studenten, mit den Rechtsextremen. Das Durchschnittsalter der NSDAP-Neueintritte habe 1933 zwischen 26 bis 28 Jahren gelegen, so Falter. Auch in der jüngsten Vergangenheit habe man schon vor der Jugendstudie einen Rechtsruck unter den Jungwählern erkennen können. „Die Ergebnisse der Studie sind ein bisschen hochgejazzt worden; das ist keine wirklich neue Geschichte, sondern hat sich schon in den Wahlen 2023 abgezeichnet“, meint der Wahlforscher. Die Geschichte zeige, dass jüngere Wähler immer auch ­etwas stärkeren Stimmungsschwankungen unterlägen als ältere.

Ochsenfurter Jugendliche auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg (undatierte Aufnahme)
Ochsenfurter Jugendliche auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg (undatierte Aufnahme)Picture Alliance

Doch wie kann es gelingen, die junge Generation nicht an rechtsex­treme Kräfte zu verlieren? Dazu braucht es zunächst einmal eine proaktive und bessere Kommunikation seitens der gemäßigten Parteien, vor allem in den sozialen Medien. Denn diese überlassen dort noch weitgehend den Rechtsextremen das Feld. „Die etablierten Parteien könnten dort sicher einiges tun, allerdings muss man dann auch den Rhythmus von Tiktok hinbekommen“, sagt Falter. Das dürfe dann nicht paternalistisch altväterlich klingen, sondern müsse tatsächlich an die Sprache der Jugend angepasst sein. Außerdem erzielten das sogenannte Kids Voting an amerikanischen Schulen oder die „Juniorenwahlen“ an Schulen in Deutschland Erfolge in Sachen politischer Bildung, sagt Falter. Dabei gehe es nicht nur um das Wählen an sich; bei der Vorbereitung auf die Wahl werde im Unterricht über die Programmpunkte der Parteien gesprochen, und es würden politische Alternativen aufgezeigt. Wahlen würden dadurch zu einer Selbstverständlichkeit für die Jugendlichen.

Doch all das reicht nicht aus. Laut der Studie orientieren sich die Parteipräferenzen der jungen Generation verstärkt an Inhalten. Da die Jugend sich vermehrt für Themen jenseits von Klima- und Umweltschutz interessiert – insbesondere Inflation, zu teurer Wohnraum und die Spaltung der Gesellschaft –, geht ihre Unterstützung für die Grünen zurück. Wenn sich bei der Jugend der Eindruck verfestige, dass die derzeitigen Regierungsparteien diese Schmerzthemen nicht energisch genug angingen, so sei es wenig überraschend, wenn junge Leute sich oppositionellen Kräften zuwendeten, ist Falter überzeugt.

Man kann die Jugend also aus der rechten Ecke zurückholen, indem man auf ihre realen Probleme eingeht. In der Geschichte sei das der einzige fruchtbare Weg, moralische Appelle brächten wenig, sagt Falter. Das zeige sich am Beispiel der deutschen Republikaner, deren Popularität auch unter den jungen Wählern Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre wegen des starken Andrangs von Asylbewerbern gewachsen sei. Seit die Asylgesetze geändert worden und die Asylbewerberzahlen zurückgegangen seien, habe die Partei an Zuspruch verloren – auch unter Jungwählern. Daher gibt Falter sich hoffnungsvoll, dass sich die Rechtstendenz bei der Jugend wieder umkehren kann.

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