Nach Lobby-Affäre: Philipp Amthor ist zurück

Im Abgeordnetenhaus des Bundestags sind Schüler zu Besuch. Als sie Philipp Amthor sehen – er kommt gerade im Nadelstreifenanzug die Treppe hinunter –, bitten sie um ein Foto mit ihm. Er willigt gerne ein. Sie drängen sich um ihn. Dann muss Amthor weiter. Es ist Sitzungswoche, er hat viel zu tun. Am Vortag war er bei einer Talkshow, es ging um Bürgergeld und Leitkultur, an diesem Abend steht gleich der nächste Fernsehauftritt an, Thema Flüchtlingspolitik, am nächsten Tag spricht er im Bundestag in der Aktuellen Stunde zur AfD, am Tag darauf ist der Auftakt des Kommunalwahlkampfs in seiner mecklenburgischen Heimat.

Amthor ist wieder da. Seine politische Karriere gleicht einer Achterbahnfahrt, dabei ist er erst 31 Jahre alt. Am Anfang ging es steil bergauf: einer der jüngsten Abgeordneten im Bundestag, fulminante Reden im Plenum, Nachwuchshoffnung der CDU. Dann folgte der Abstieg. Nach dem Bekanntwerden seiner Lobbyarbeit für eine dubiose IT-Firma wurde es still um ihn. Nun ist die Zeit seiner Zurückhaltung offenkundig vorbei. Amthor sei in der Lage, sich wie Münchhausen immer wieder selbst aus dem Sumpf zu ziehen, sagt einer aus seiner Partei.

Amthor wuchs in Torgelow auf, seine Mutter war alleinerziehend, arbeitete in einem Callcenter. Mit 16 trat er in die CDU ein, studierte Jura, arbeitete bei einem CDU-Bundestagsabgeordneten. Gegen den putschte er vor der Bundestagswahl 2017, auch wenn Amthor das im Gespräch anders ausdrückt. „Es gab an der Parteibasis einen großen Veränderungswunsch und eine Orientierungslosigkeit, auch wegen der Migrationskrise.“ Von vielen sei der Wunsch nach „neuem Schwung, neuem Mut“ an ihn herangetragen worden. Er gewann den Wahlkreis, zog mit nur 24 Jahren in den Bundestag ein.

In Berlin fiel Amthor auf, schon durch seinen Kleidungsstil: oft im Dreiteiler, die Haare stets sauber gekämmt. Aber auch, weil er lautstark konservative Positionen vertrat. Das war in der liberalen Merkel-CDU ungewöhnlich. Mit 25 Jahren hielt er im Bundestag eine starke Rede gegen die AfD. Spätestens da war klar: Amthor ist eloquent, hat Witz und kann mit seiner sehr konservativen Linie vielleicht einen Weg gegen Rechtspopulisten weisen. 2020 war Amthor auf dem Höhepunkt und kurz davor, CDU-Landesvorsitzender in seiner Heimat zu werden.

Auf Instagram veröffentlichte er Fotos von sich aus der weiten Welt: New York, Mittelmeer, Sankt Moritz. Amthor reiste im Auftrag von Augustus Intelligence, einer IT-Firma mit Sitz in New York, von der bis heute nicht ganz klar ist, was sie eigentlich machte. Dann folgte der Absturz, als herauskam, dass er als Abgeordneter für die Firma Lobbyarbeit betrieben hatte, auf dem Briefpapier des Bundestags. Gehalt hatte er keines erhalten, aber Aktienoptionen. Die Firma ging später in die Insolvenz, es gab Ermittlungen wegen Betrugs, nicht aber gegen Amthor.

„Ich habe einen Fehler gemacht“

Zu der Affäre sagt Amthor: „Ich habe einen Fehler gemacht, und dieses Kapitel war mir eine bittere Lehre.“ Viele Politiker neigten dazu, Fehler nicht zuzugeben. „Ich habe mich damals für das Gegenteil entschieden.“ Jetzt gehe es darum, „in Demut Reflexion daraus zu ziehen“. Aber viel zu der Affäre sagen will er nicht mehr. Er habe in der Partei großen Rückhalt erfahren, sei danach im Wahlkreis fast einstimmig wieder nominiert worden. In der Politik, sagt Amthor, gebe es einen Hang dazu, den Eindruck von Makellosigkeit zu verbreiten. Das sei richtig, doch gelte es auch eine gewisse Leidenschaft und Offenheit zu bewahren. „Wer leidenschaftlich Politik macht und Ecken und Kanten hat, der langt auch mal daneben. Wer hingegen nur Stromlinienförmigkeit sucht, schafft keine Begeisterungsfähigkeit.“

In der Partei heißt es zu der Affäre, Amthor habe damals „mit den Großen pinkeln wollen“. Dass das falsch gewesen sei, habe er kapiert. So sagt es einer aus dem Bundesvorstand, der Amthor schätzt. Ein anderes CDU-Mitglied, das Amthor sehr skeptisch sieht, gesteht ihm zu, dass er immerhin Durchhaltevermögen habe.

Mit Friedrich Merz könne er gut, sagt Philipp Amthor – hier nach seiner Wahl zum neuen Landes-Generalsekretär der CDU in Mecklenburg-Vorpommern.
Mit Friedrich Merz könne er gut, sagt Philipp Amthor – hier nach seiner Wahl zum neuen Landes-Generalsekretär der CDU in Mecklenburg-Vorpommern.dpa

Amthor polarisiert, in seiner Partei, vor allem aber im Netz. Auf Instagram hat er mehr als 110.000 Follower. Aber es gibt auf der Plattform auch Unzählige, die Witze über ihn machen. Vielen Linken dient er als Karikatur eines Konservativen – womit er wiederum spielt. „Mit zunehmender Anzahl von Shitstorms immunisiert man sich. Franz Josef Strauß und Herbert Wehner hätten heute jeden Tag einen Shitstorm“, sagt er. In seiner Partei gibt es einerseits regelrechte Amthor-Fans, die ihn – sollte Friedrich Merz Kanzler werden – irgendwo vorne sehen. Amthor sei frisch, witzig und ein brillanter Redner, sagt einer. Ein anderer nennt ihn „gerade und authentisch“. Es sind meist Merz-Anhänger, die das sagen. Die aus dem liberalen Lager sehen Amthor skeptisch. Er sei ein „Komiker“ und ein „Schlauberger“, der sich benehme, als sei er „frühvergreist“, sagt ein CDU-Mann.

Im Regal hinter Amthors Schreibtisch stehen sauber aufgereiht die Bücher. Nur eines steht gut sichtbar quer. Es ist von Merz. Das habe er oft bei Videokonferenzen hinter sich stehen gehabt, als Merz noch nicht Parteivorsitzender gewesen sei, als „Zeichen der Unterstützung“, sagt Amthor. Er hat zu vielem eine Geschichte parat, meist geht es dabei auch um ihn selbst. Merz und er verstünden sich sehr gut, dieser sei schon oft bei ihm in Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Merz habe die Union mit Teamwork gestärkt und zentrale politische Debatten wieder ins Parlament gebracht. Auch sein Verhältnis zu Angela Merkel, von der er politisch weit entfernt ist, beschreibt Amthor als sehr gut, nennt sie eine „inspirierende, hochintelligente Politikerin“. „Gleichzeitige Wertschätzung für Angela Merkel und Friedrich Merz ist kein unauflöslicher Widerspruch.“

Amthor will weiter nach oben

Bei den CDU-Regionalkonferenzen trat Amthor als eine Art Vorband für Merz auf – zusammen mit dem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. „Philipp, in 15 Jahren bist du Kanzler“, sagte der. Auf dem CDU-Parteitag kommende Woche will Amthor für den Bundesvorstand kandidieren. In der Bundes-CDU verfüge er über ein „enormes Standing“, schrieb kürzlich seine Heimatzeitung, der „Nordkurier“. Na ja, sagt dazu einer aus dem Bundesvorstand, Amthor werde schon belächelt. Zugleich schätze man ihn. Weil er polarisiere und weil er bei jungen Leuten bekannt sei.

In Mecklenburg-Vorpommern hatte die CDU in den vergangenen vier Jahren vier Parteivorsitzende. Als unlängst der Posten wieder frei wurde, winkte Amthor ab, obwohl er das Amt einst wollte. Er ließ Daniel Peters den Vortritt und wurde mit 94 Prozent Zustimmung zum Generalsekretär gewählt. Aber Amthor will nicht in die Landespolitik, sein Platz sei in Berlin, sagte er. Der Posten diene ihm dazu, bei der Bundestagswahl auf Listenplatz eins zu stehen, heißt es dazu in Schwerin.

Mit Peters und Amthor rückt die CDU im Land nach rechts. Peters ist in Migrationsfragen ein Hardliner, zuweilen klingt er dabei nicht anders als die AfD. Von den linken Parteien in Schwerin wird die neue CDU-Spitze als Krawalltruppe abgetan. Amthor wiederum wirft der rot-roten Regierung Arroganz vor. Für das Erstarken der AfD sei vor allem das schlechte Regieren der linken Parteien verantwortlich, sagt er. In Mecklenburg-Vorpommern ist Anfang Juni Kommunalwahl. Derzeit steht die AfD bei rund 30 Prozent.

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