Klingbeil zum Angriff in Dresden: „Alle müssen laut werden“

interview

Stand: 04.05.2024 21:53 Uhr

SPD-Chef Klingbeil zeigt sich schockiert von dem Angriff auf seinen Parteifreund Ecke in Dresden. Im Gespräch mit tagesschau.de fordert er mehr Schutz für Politiker – und konsequentes Vorgehen gegen Feinde der Demokratie.

tagesschau.de: Attacken auf Wahlkämpfende nehmen zu – ist das eine neue Qualität von Gewalt im Wahlkampf?

Lars Klingbeil: Wir sind alle zutiefst geschockt von der Nachricht, dass Matthias Ecke angegriffen wurde, dass er jetzt im Krankenhaus liegt, dass er operiert werden muss. Für mich ist das eine neue Qualität. Deswegen muss jetzt schnell aufgeklärt werden: Diejenigen, die diesen Angriff zu verantworten haben, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir müssen jetzt sehr klar machen, dass alle, die für Demokratie unterwegs sind, geschützt werden.

tagesschau.de: Was bedeutet das konkret?

Klingbeil: Es braucht eine klare, unmissverständliche Antwort des Rechtsstaates. Da sind die Innenministerinnen und Innenminister der Länder jetzt auch mit in der Pflicht, zu überlegen, wie man Demokratinnen und Demokraten in den gerade stattfindenden Wahlkämpfen unterstützen und schützen kann. Und auch zu zeigen, dass konsequent gegen die Feinde der Demokratie vorgegangen wird: gegen diejenigen, die Menschen davon abhalten wollen, friedlich Werbung für demokratische Parteien zu machen. Da braucht es jetzt wirklich einen Ruck, der durch das Land geht. Und alle müssen laut werden, die wollen, dass unsere Demokratie verteidigt wird.

tagesschau.de: Wie erklären Sie sich die steigende Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker?

Klingbeil: Wir erleben seit geraumer Zeit Verschärfungen dieser Art. Ich glaube, dass wir da als Staat Antworten darauf geben müssen. Dass wir den Schutz der Politikerinnen und Politiker hochfahren müssen – und zwar gerade derjenigen, die ehrenamtlich unterwegs sind. Und diejenigen müssen dingfest gemacht werden, die dafür verantwortlich sind – egal, ob sie diejenigen sind, die auf der Straße angreifen. Oder ob sie diejenigen sind, die mit Worten dafür sorgen, dass es ein gesellschaftliches Klima gibt, das so einen Vorfall wie vergangene Nacht eben doch befördert.

tagesschau.de: Was hat sich geändert, dass es vermehrt zu solchen Vorfällen kommt?

Klingbeil: Wir erleben seit einigen Jahren, dass auch politische Kräfte herablassend, herabwürdigend, diskriminierend, über Politik, über Demokratie reden, dass ein Klima der Angst geschaffen wird. Dass es Vertreterinnen und Vertreter beispielsweise auch der AfD gibt, die offen dazu auffordern, andere Politiker zu jagen. Und dann sind das vielleicht nicht diejenigen, die so eine Tat unmittelbar zu verantworten haben.

Aber es wird ein gesellschaftliches Klima geschaffen, in dem Hass und Hetze auf einmal normal werden. Ein Klima, in dem Menschen sich aufgestachelt fühlen, gegen Politikerinnen und Politiker vorzugehen. Das wird gezielt von Rechtsextremen, von rechtspopulistischen Kräften geschaffen. Man muss sich das einmal deutlich machen: Es wurden in der Nacht in Dresden lediglich Wahlplakate für eine demokratische Partei aufgehängt – das war der Grund für diese Attacke.

tagesschau.de: Wo ist diese Entwicklung für die SPD als Partei spürbar?

Klingbeil: Wir merken das in der Parteizentrale, dass sich bei uns immer wieder Kolleginnen und Kollegen melden und berichten, attackiert, bedroht oder verfolgt worden zu sein. Und das erleben die anderen demokratischen Parteien ja auch. Es gab vergangene Woche Angriffe auch auf Vertreterinnen und Vertreter der Grünen – es gibt das bei allen demokratischen Parteien. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Und deswegen braucht es eine gesellschaftliche Antwort.

tagesschau.de: Die Zahlen von Angriffen gegen die Politik sind im vergangenen Jahr konstant gestiegen. Was kann zum Schutz von Politikerinnen und Politikern vor Ort getan werden?

Klingbeil: Da müssen verschiedene Maßnahmen zusammenkommen. Da geht es um Polizeischutz bei Veranstaltungen. Da geht es auch um die Frage, an wen sich Menschen, die bedroht sind, wenden können. Wenn etwas passiert, wie schnell und konsequent wird das aufgeklärt? Das alles muss jetzt sehr schnell auch unter den Innenministern der Bundesländer besprochen werden. Aber heute, an einem Tag, wo diese schockierende Nachricht uns erreicht hat, geht es erst einmal um Solidarität. Geht es auch darum klarzumachen, wir verurteilen diesen Angriff aufs Schärfste. Nicht, dass so etwas in unserem Land passiert und man das vielleicht schulterzuckend hinnimmt.

tagesschau.de: Wie ist die Stimmung insgesamt an der Basis, Gibt es Ängste?

Klingbeil: Ich kann bisher nicht feststellen, dass das Engagement schwindet. Aber natürlich machen sich die Wahlkämpfenden Sorgen und Gedanken: Wenn man unterwegs ist, wenn man Wahlplakate auffängt und an Infoständen bedroht wird. Junge Kommunalpolitikerinnen und -politiker erzählen mir, in dem Moment, wo sie beispielsweise etwas bei einer Wahlkampfveranstaltung gegen die AfD sagen, haben sie am nächsten Tag einen Galgen gemalt auf Papier im Briefkasten. Das verändert unsere demokratische Kultur. Und genau deswegen ist es so wichtig, dass wir das nicht hinnehmen, dass wir nicht schweigen, dass wir das nicht einfach akzeptieren, dass es diese Verrohung der politischen Sitten gibt. Sondern dass alle Demokratinnen und Demokraten jetzt laut sind und aufstehen. Und dass wir gemeinsam etwas gegen diese politische Gewalt und die Einschüchterungsversuche tun.

Die Fragen stellte Corinna Emundts, tagesschau.de

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