Präsidentschaftswahl: Panamas Demokratie-Dilemma

Stand: 05.05.2024 08:41 Uhr

Ein zu Haft verurteilter Ex-Präsident, der aus dem Botschaftsasyl Wahlkampf für seinen Stellvertreter macht: Die Lage vor der Präsidentschaftswahl in Panama ist verworren – und wirft auch rechtliche Fragen auf.

Kurz vor der Präsidentschaftswahl in Panama herrscht Chaos: Der eigentliche Favorit, Ex-Präsident Ricardo Martinelli, hat sich ins Asyl in die Botschaft von Nicaragua geflüchtet. Er ist wegen Geldwäsche zu mehr als zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Rechtspopulist war bereits von 2009 bis 2014 Präsident. Obwohl die Menschen die Nase voll haben von der weit verbreiteten Korruption, sehen die Wählerinnen und Wähler ihn aber auch als einen Kandidaten, der für Jahre des Wohlstands gesorgt hat.

Nun macht Martinelli munter weiter Wahlkampf für José Raúl Mulino, der eigentlich sein Vizepräsident werden sollte, nun aber an seiner Stelle antreten soll – und in den Umfragen vorne liegt, erklärt der Politologe Daniel Zovatto vom Wilson Center: „Mulino wird eindeutig mit Martinelli identifiziert, so dass die Leute eigentlich für ihn stimmen, wenn sie Mulino wählen. Sie wissen, dass Mulino die volle Unterstützung von Martinelli hat.“

Lange war aber auch seine Kandidatur unsicher, er drohte ebenfalls von der Wahlliste gestrichen zu werden, weil er nicht dem Wahlgesetz konform aufgestellt wurde. Erst am Freitag segnete die Justiz die Kandidatur von Mulino nun ab.

José Raúl Mulino ist als Favorit anstelle von Ex-Präsident Ricardo Martinelli in den Wahlkampf eingetreten – ob er wirklich kandidieren darf, hat das oberste Gericht noch gar nicht entschieden.

Lösungen für vorher geschürte Sorgen

Er konkurriert mit sieben weiteren Kandidaten um das Präsidentenamt. Dazu gehören der parteilose Kandidat Ricardo Lombana, ein Anwalt, der in Umfragen mit etwa 15 Prozent an zweiter Stelle liegt, und Martinellis Vorgänger Martín Torrijos mit 13 Prozent.

Geprägt wurde der Wahlkampf von Themen wie Korruption und Migration. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung ist groß. Im vergangenen Jahr wurde öffentlich, wie die derzeitige und frühere Regierungen Gelder, die für die Bildung vorgesehen waren, zur finanziellen Unterstützung von Familien und Freunden nutzten, die ihrerseits enge Verbindungen zu politischen und wirtschaftlichen Eliten pflegen.

Auch mit dem Thema Migration wurde im Wahlkampf Stimmung gemacht. Durch Panama führt ein Teil der weltweit gefährlichsten Migrationsroute durch den Darién-Dschungel, den allein im vergangenen Jahr 500.000 Menschen durchquert haben. Diverse Kandidaten haben für eine Schließung der Route geworben, darunter auch Mulino. Ein sicherlich unrealistischer Vorschlag, denn in einem Dschungel wird es immer Schlupflöcher geben; die Route allerdings würde dadurch noch tödlicher. Doch mit der Polarisierung des Themas wird an den Patriotismus appelliert – und den Bürgern Panamas werden Lösungen für vorher geschürte Sorgen versprochen.

Kaum mehr Vertrauen in die Demokratie

Die hohen Lebenshaltungs- und Medikamentekosten, die Trinkwasserkrise und die Folgen der Pandemie haben viele Menschen in jüngsten Jahren belastet. Laut einer Studie des Internationalen Zentrums für politische und soziale Studien hat die prekäre Situation vieler Menschen Auswirkungen auf ihr Vertrauen in die Demokratie und die Institutionen.

Claire Nevache hat an der Studie mitgearbeitet. „Es hat sich gezeigt, dass die Menschen, die die Demokratie am wenigsten unterstützen, diejenigen sind, die den geringsten Zugang zu grundlegenden Gütern und Dienstleistungen haben“, berichtet sie. „Solange wir eine Bevölkerung haben, in der 25 Prozent nicht 24 Stunden am Tag Zugang zu Wasser haben, in der die Mehrheit die öffentlichen Güter wie Trinkwasser, Gesundheit, Bildung, Elektrizität, Transport als mangelhaft, unzureichend, von schlechter Qualität bewertet, wird es sehr schwierig sein, diese Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Demokratie für sie nützlich ist.“

Auch die jährliche Umfrage der Nichtregierungsorganisation Latinobarómetros bestätigt diese Tendenz. 83 Prozent der Befragten in Panama sagten 2023, dass sie mit der Demokratie und den Institutionen unzufrieden seien. Insbesondere ein Gesetz, das unter anderem den Weiterbetrieb der größten Mine für Kupfer und Gold in Mittelamerika, die von einem kanadischen Unternehmen betrieben wurde, für bis zu 40 Jahre legalisieren sollte, provozierte in Panama. Im ganzen Land gingen Menschen auf die Straße, bis das höchste Gericht das Gesetz für verfassungswidrig erklärte.

In diesem Klima finden nun Wahlen statt. Keiner der Kandidaten hat eine Antwort auf die drängenden Probleme im Land, die zunehmende Verarmung. Laut Wahlprognosen wird Mulino die Wahlen gewinnen.

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