Fico nach Not-OP offenbar bei Bewusstsein

„Soweit ich weiß, ist die Operation gut verlaufen – und ich glaube, dass er am Ende überleben wird“, sagte Taraba am späten Abend der BBC. Der Nachrichtendienst Aktuality.sk zitierte eine mit der Angelegenheit vertraute Person mit den Worten, Fico befinde sich nach der Operation in stabilem Zustand.

Laut weiteren Medienberichten soll Fico wieder bei Bewusstsein sein. Allerdings machten weder der Fernsehsender TA3 noch die Zeitung „Dennik“ (Onlineausgabe) in der Nacht auf Donnerstag nähere Angaben über den Gesundheitszustand Ficos. Eine neue Stellungnahme oder Erklärung der Regierung gab es seitdem nicht.

Fünf Schüsse abgegeben

Verteidigungsminister Robert Kalinak hatte wenige Stunden zuvor gesagt, Ficos Zustand sei außerordentlich ernst. Der Ministerpräsident habe „nach mehreren Schussverletzungen ein schweres Polytrauma erlitten“, so Kalinak. Eine Kugel sei durch Ficos Magen gedrungen, eine zweite habe ein Gelenk getroffen. Insgesamt dürfte er von drei Kugeln getroffen worden sein.

Auch Innenminister Matus Sutaj Estok sprach von einer lebensbedrohlichen Situation. Laut Estok gab der Angreifer fünf Schüsse ab. Sutaj Estok sprach von einem politisch motivierten Attentat. Fico wurde nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova angeschossen.

Eine Sprecherin eines Krankenhauses in der Stadt schrieb Reuters per E-Mail, Fico sei bei der Einlieferung ansprechbar gewesen. Nach Angaben des Regierungsbüros wurde er zur weiteren Behandlung nach Banska Bystrica geflogen, da der Transport nach Bratislava angesichts der akuten Situation zu lange gedauert hätte.

Mutmaßlicher Schütze ist 71-jähriger Schriftsteller

Der mutmaßliche Täter konnte unmittelbar nach den Schüssen überwältigt werden. Bestätigte Angaben zum Täter und dem Motiv lagen nicht vor. Nach Angaben des slowakischen Senders TV JOJ handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen 71-jährigen Mann, der im Besitz eines Waffenscheins ist. Auf die Frage, ob es sich bei dem mutmaßlichen Schützen um einen Schriftsteller aus dem Zentrum der Slowakei handle, sagte Sutaj Estok am Mittwochabend: „Ich glaube, ich kann das bestätigen, ja.“

Mutmaßlicher Schütze nach seiner Verhaftung in Handlova

Reuters/Radovan Stoklasa
Nach dem Attentat wurde ein Mann festgenommen

Slowakische Medien berichteten, der Schütze sei ein ehemaliger Wachmann in einem Einkaufszentrum, Autor von drei Gedichtbänden und Mitglied des slowakischen Schriftstellerverbandes. Aktuality.sk zitierte seinen Sohn mit den Worten, sein Vater sei legal im Besitz eines Waffenscheins. Auf die Frage, ob sein Vater Hass auf Regierungschef Fico verspüre, antwortete er: „Er hat ihn nicht gewählt, mehr kann ich dazu nicht sagen.“

Trotz eines Informationsembargos gelangte der Sender TA3 an eine Videoaufnahme aus einer Klinik, in der mutmaßliche Attentäter, der bei seiner Festnahme verletzt wurde, behandelt wird. Darin sagte der benommen wirkende Mann zu seiner Motivation: „Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu.“ Als konkretes Beispiel nannte er mit undeutlicher Stimme die von der Regierung geplante Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS, gegen die seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren.

Demo gegen Reform von Rundfunk abgesagt

Der Nationalrat werde bis nächste Woche nicht tagen und seine Sicherheitsvorkehrungen verschärfen, so Vizeparlamentspräsident Peter Ziga. Nach Bekanntwerden des Angriffs sagte die größte Oppositionspartei eine für Mittwochabend geplante Demonstration gegen die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ab.

Fico hatte erst vor wenigen Tagen der liberalen Opposition vorgeworfen, ein „Klima der Feindschaft“ gegen die Regierung zu schaffen. Es sei nicht auszuschließen, dass es in einem solchen Klima irgendwann zu einer Gewalttat komme, so Fico.

Präsidentin verurteilt Angriff

Die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova verurteilte laut Reuters den „brutalen und rücksichtslosen“ Angriff auf Fico. „Ich bin schockiert“, sagte Caputova. Der designierte slowakische Präsident Peter Pellegrini verurteilte den Anschlag als eine „noch nie da gewesene Gefährdung der slowakischen Demokratie“. „Wenn wir andere politische Meinungen mit Pistolen auf den Plätzen ausdrücken und nicht in den Wahllokalen, gefährden wir alles, was wir in den 31 Jahren der slowakischen Unabhängigkeit gemeinsam aufgebaut haben“, so der sozialdemokratische Politiker.

Ermittler am Tatort

Reuters/Radovan Stoklasa
Am Tatort wurden Spuren gesichert

Sutaj Estok schrieb auf Facebook, man werde alles dafür tun, dass der Anschlag auf den Ministerpräsidenten so schnell wie möglich aufgeklärt werde. „Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, die Verbreitung von politischem Hass sofort zu stoppen. Emotionen werden ganz natürlich aufgepeitscht, aber es wäre sehr schlecht, diese gefährliche Situation noch weiter eskalieren zu lassen“, so Sutaj Estok.

Fico feierte im Herbst Comeback

Der Parteichef der Smer – Slowakische Sozialdemokratie (Smer – SSD) und frühere Langzeitregierungschef hatte bei der Parlamentswahl im Herbst ein Comeback gefeiert. Seither sorgte die Regierung des linkspopulistischen Fico mit umstrittenen Entscheidungen für Aufsehen. Mitte April wurde die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt RTVS aufgelöst. Die Koalitionsparteien warfen der RTVS-Führung vor, „nicht objektiv“ zu berichten und der liberalen Opposition zu nahezustehen.

Archivfoto von Robert Fico

Reuters/Nadja Wohlleben
Fico feierte im Herbst sein Comeback

Die Dreiparteienregierung nahm am Mittwoch den umstrittenen Gesetzesvorschlag der nationalistischen Kulturministerin Martina Simkovicova an. Noch während der Debatte kam es zu Anschuldigungen: Vizeparlamentspräsident Andrej Danko machte die Medien für das Attentat auf Fico verantwortlich und bezeichnete Redakteure der regierungskritischen Zeitung „Dennik N“ als „Schweine“.

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