US-Wahlkrimi – So gefährlich ist die E-Mail-Falle für Hillary Clinton

Nach erneuten Ermittlungen gegen Hillary Clinton in der E-Mail-Affäre wird dem FBI Parteilichkeit vorgeworfen. Das hilft Trump, in Umfragen holt er auf. Doch seine Konkurrentin hat einen Vorteil.

Am Freitag schrieb FBI-Chef James Comey seinen Brief an den US-Kongress, der den Endspurt zur Wahl am 8. November nun zu einer Achterbahnfahrt macht. Darin hatte er neue Ermittlungen gegen Hillary Clinton angekündigt, in der eigentlich abgeschlossenen E-Mail-Affäre, weil neue E-Mails von Clintons Server aufgetaucht waren. In neusten Umfragen führt Clinton jetzt nur noch ganz knapp vor Trump. Die Hillary-Kampagne ist nun in heller Aufregung und hat auf Krisenmodus umgestellt. Und viele Demokraten stellen die bange Frage, ob die FBI-Ankündigung Hillary den Wahlsieg kosten könnte.

Clinton erklärte am Montag, sie wolle sich nicht herausreden, dass sie eine persönliche E-Mail-Adresse während ihrer Zeit als Außenministerin verwendet habe. Auf einer Wahlkampfkundgebung in Kent im US-Staat Ohio versprach sie ihren Anhängern jedoch, dass das FBI bei der Untersuchung der neuen Mails zu demselben Ergebnis kommen werde wie im Juli – damals hatte die US-Bundespolizei sich gegen eine Strafverfolgung Clintons wegen ihres Umgangs mit geheimen Informationen ausgesprochen.

Das FBI fand die Mails im Zuge einer ganz anderen Untersuchung – nämlich der gegen den Ex-Politiker Anthony Weiner, der einer Minderjährigen Sexfotos geschickt hatte. Weiner ist mit Clintons engster Beraterin Huma Abedin verheiratet, die sich im August von Weiner getrennt hatte. Das fragliche Notebook, auf dem die Mails von Clintons Server gefunden wurden, wurde offenbar von beiden Ehepartnern benutzt. Und damit ist das Rennen um die Präsidentschaft wieder offen.

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FBI-Chef Comey muss weiterhin heftige Kritik einstecken, weil er gegen etablierte FBI-Regeln verstieß. Danach sollte die Institution in solch einem frühen Stadium von Ermittlungen nicht an die Öffentlichkeit gehen und vor allem keine Schritte unternehmen, die eine Wahl beeinflussen könnten.

Auf welch dünnem Eis Comey wandelte, wurde am Wochenende deutlich, als das FBI bekannt gab, nun eine richterliche Verfügung erhalten zu haben, um das Notebook auch auf Clinton-Mails zu untersuchen. Comey hatte in einem Brief bereits am Freitag von den E-Mails berichtet, also bevor überhaupt eine richterliche Genehmigung vorlag. Möglicherweise hat das FBI damit auch gegen den vierten Verfassungszusatz verstoßen, weil es in Weiners Sex-Fall nach Informationen gesucht hat, die nichts mit dem Fall und der dafür vorliegenden richterlichen Genehmigung zu tun hatten.

„Gegen die Interessen der Gerechtigkeit“

Comey, der früher als Republikaner registriert war und schon mehrfach in seiner Karriere gegen die Clintons ermittelte, sieht sich nun mit heftigen Vorwürfen der Parteilichkeit konfrontiert. Am deutlichsten wurde der scheidende demokratische Minderheitenführer im Senat, Harry Reid. „Mit ihren parteilichen Handlungen haben Sie das Gesetz gebrochen“, schrieb Reid in einem Brief an Comey. Und er warf dem FBI-Chef vor, brisante Informationen über Donald Trump zurückzuhalten. „In meinen Kontakten mit Ihnen und anderen Top-Offiziellen in der nationalen Geheimdienst-Community wurde deutlich, dass Sie über exklusive Informationen zu engen Verbindungen und politischer Koordination zwischen Donald Trump, seinen Top-Beratern und der russischen Regierung verfügen“, schrieb Reid und forderte Comey auf, diese Informationen ebenfalls zu veröffentlichen.

Die Republikaner hingegen verteidigen Comey. Die Trump-Kampagne wittert nun die Chance, doch noch an Clinton vorbeizuziehen. Allerdings gibt es auch bei den Konservativen Justiz-Profis, die Comeys Vorgehen bedenklich finden. Larry Thompson etwa, der unter George W. Bush stellvertretender Justizminister war, warf Comey in einem Leitartikel in der „Washington Post“ vor, mit seiner Erklärung gegen lange etablierte Regeln und Traditionen des FBI verstoßen zu haben. Dass Comey nun mit seinem Daumen die Wahlwaage beeinflusse, sei „gegen die Interessen der Gerechtigkeit“, und es „beschädigt unsere Demokratie“.

Allerdings zeigen jüngste Enthüllungen des „Wall Street Journal“ und der „Washington Post“, dass es auch Beispiele gibt, in denen die FBI-Führung sich im Sinne Clintons entschieden hat. So soll es zu erheblichen internen Konflikten gekommen sein, weil mehrere lokale FBI-Büros der Meinung waren, die Clinton Foundation müsste intensiver untersucht werden wegen des Verdachts, Spender auch aus dem Ausland hätten über Zahlungen an die gemeinnützige Stiftung politischen Einfluss ausgeübt. In dieser Angelegenheit wurde jedoch vom Justizministerium abgewiegelt.

Der Trend lief auch davor schon gegen Clinton

Clinton hat nun das offensichtliche Problem, sich gegen einen erneuten Verdacht zur Wehr setzen zu müssen, ohne dass es bisher irgendwelche substanziellen Vorwürfe gäbe, weil die fraglichen Mails noch gar nicht durchgearbeitet wurden. Neueste Umfragen zeigen jedenfalls, dass es wieder knapp ist zwischen den beiden Spitzenkandidaten. Eine Befragung von „Washington Post“ und dem TV-Sender ABC sieht Clinton landesweit nur einen Prozentpunkt vor Trump.

Bevor es eine richterliche Genehmigung zur Untersuchung gab, ist FBI-Chef James Comey schon damit an die Öffentlichkeit gegangen. (Foto: Getty Images)

Man wird weitere Umfragen in dieser Woche abwarten müssen, um den Einfluss von Comeys Ankündigung auf das Wählerverhalten besser abschätzen zu können. Denn der Trend lief auch davor schon gegen Clinton, Trump hatte mit einem gewissen zeitlichen Abstand zu seinem Sex-Video-Skandal den Abstand zu seiner Konkurrentin wieder verringern können.

Die Hoffnung der Clinton-Anhänger ruht nun auf zwei Säulen. Einmal hat Clinton in einigen Swing States, auf die es wegen des Mehrheitswahlrechts in den USA ankommt, weiter einen ausreichenden Vorsprung.

Zum anderen haben ein Viertel der Wähler in manchen entscheidenden Staaten ihre Stimme schon abgegeben – überwiegend bevor der Umfragetrend sich wieder gegen Clinton wandte. Und die Daten zeigen, dass es den Demokraten bisher besser gelungen ist als den Republikanern, ihre Anhänger in die Wahllokale zu bringen.

Die Clinton-Kampagne ist generell deutlich besser organisiert als die Trumps. Auch in der verbleibenden Woche vor der Wahl dürfte es ihr besser gelingen, ihre Anhänger zu mobilisieren.

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