So redet Gabriel über die SPD: „Wenn der Verein im Keller ist, ist der Trainer dran“

© dpa Victory-Zeichen vor der Fraktionssitzung: ein offenbar erleichterter Sigmar Gabriel am Dienstag in Berlin

Der Paukenschlag hätte nicht dröhnender ausfallen können: Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel verzichtet auf die Kanzlerkandidatur und will auch vom Parteivorsitz zurücktreten, stattdessen soll der frühere EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Kanzlerkandidat und Parteichef werden. Gabriel selbst will Frank-Walter Steinmeier als Außenminister beerben, seine Staatssekretärin Brigitte Zypries soll an seiner Stelle Wirtschaftsministerin werden.

Gabriels Entscheidung hat in der SPD für heftige Aufregung gesorgt; nur die engste Parteispitze war informiert. In einem Interview mit der Zeitschrift „Stern“ hat Gabriel über die Gründe für seinen Rückzug gesprochen – FAZ.NET dokumentiert die wichtigsten Aussagen.

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Gabriel über seinen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur

Martin Schulz habe „die eindeutig besseren Wahlchancen“, sagt Gabriel. „Deshalb werde ich ihn vorschlagen. Viele Menschen, die sich vorstellen können, SPD zu wählen, wollen einen Neuanfang. Und ich stehe – ob mir das nun gefällt oder nicht – für die Große Koalition mit CDU und CSU. Martin Schulz dagegen steht für einen Neuanfang. Und darum geht es bei der Bundestagswahl.“

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„Die Partei muss an den Kandidaten glauben und sich hinter ihm versammeln. Und der Kandidat selbst muss es mit jeder Faser seines Herzens wollen. Er muss es sozusagen als seine Lebensaufgabe ansehen, Kanzler zu werden. Beides trifft auf mich nicht in ausreichendem Maße zu.“

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„Die Entscheidung fällt mir auch nicht leicht. Ich bin mit aller Leidenschaft Vorsitzender der SPD. Und natürlich geht es in der Politik auch immer um persönliche Ambitionen. Aber mit Blick auf die SPD hat der Vorsitzende vor allem die Aufgabe, der Partei zu dienen und ihr eine gute Perspektive zu eröffnen. Und die Auswahl eines Kanzlerkandidaten ist eben eine Auftragsarbeit für die SPD. Persönliche Motive sind dafür nachrangig. Man darf nicht zuallererst über seine eigenen Wünsche und Eitelkeiten nachdenken, sondern muss bedenken, was das Beste für Deutschland und für die SPD ist.“

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„Die SPD braucht einen Kanzlerkandidaten, hinter dem sich die ganze SPD versammelt und für ihn und die gemeinsamen Ziele kämpft. Ohne Wenn und Aber. Und bei mir fühlen viele die Reibungen und manchmal auch den Schwermut der Großen Koalition.“

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„Die letzten Jahre musste ich fast jeden Konflikt in der SPD alleine durchkämpfen. Manchmal war das so wie auf dem Hochseil: Alle anderen stehen unten und schauen zu, ob man runterfällt und wie tief. Und manchmal rüttelt sogar noch einer am Seil und schaut mal, ob er oben bleibt. Damit ist jetzt Schluss. Alle müssen aus der Deckung und Verantwortung übernehmen. Und keiner kann sagen, wir warten mal ab, was bei der Bundestagswahl 2017 geschieht. Alle müssen ran.“

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„Diese Auseinandersetzungen haben eben auch viel Kraft gekostet. Und wenn man wie ich mehr als sieben Jahre Vorsitzender der SPD ist, dann bringen solche Konflikte auch Reibungsverluste mit sich. Und wenn dann ein unübersehbarer Teil der Partei unzufrieden ist, dann muss man die Ehrlichkeit haben zu sagen: Das, was ich bringen konnte, hat nicht gereicht. Und da wir Gott sei Dank mehr als eine gute Führungspersönlichkeit haben, kann und muss ich Platz machen.“

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