Belgische Einigung räumt große Hürde für CETA aus dem Weg

Man habe sich auf einen Text geeinigt, der den Kritikpunkten der Wallonie und der Region Brüssel Rechnung trage, sagte Ministerpräsident Charles Michel. Wird der innerbelgische Kompromiss von den übrigen 27 EU-Partnern akzeptiert, könnte der Weg für einen verspäteten Abschluss des Handelsvertrags frei sein.

Michel sagte, die nun gefundene innerbelgische Übereinkunft ermögliche es, die nächsten Schritte auf regionaler Ebene mit den Parlamenten und auf EU-Ebene mit den zuständigen Instanzen zu beginnen. Bis Freitag um Mitternacht sollen die belgischen Regionalparlamente Rückmeldung zu der ausgehandelten Einigung geben. Im belgischen Nationalparlament werde der Text am Donnerstagnachmittag diskutiert.

Als bedeutsame Punkte der Einigung hob der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Oliver Paasch, die Landwirtschaft und das Investitionsgericht hervor. „Wir haben von Anfang an gesagt: Wir wollen keine privaten Schiedsgerichtsverfahren mehr haben – nicht mit Kanada und überhaupt nicht im weltweiten Handel“, sagte er im Radiosender BRF. Stattdessen soll ein öffentliches Investitionsgericht geschaffen werden.

„Wir haben jetzt hinzugefügt, dass es von unabhängigen Berufsrichtern besetzt sein muss, die Vollzeit beschäftigt sein müssen, von der öffentlichen Hand bezahlt und einem strengen Verhaltenskodex unterworfen sein werden – die also in jeglicher Form unabhängig zu sein haben“, sagte Paasch. Die Regionen wollen auch den Europäischen Gerichtshof anrufen und klären lassen, ob Investitionsgerichte mit europäischem Recht zu vereinbaren sind.

Für die Landwirtschaft sollen die Regionen Schutzmechanismen für die Bauern aktivieren können, „wenn sie durch massive Importe bedroht werden, wenn Preise in Gefahr geraten, und vieles andere mehr“, sagte Paasch. Er betonte, dass alles, was in der Einigung festgehalten wurde, als Gesamttext verbindlich sein werde. „Das ist auch ganz entscheidend.“

Auch der Ministerpräsident der Wallonie, Paul Magnette, zeigte sich zufrieden. „Die Wallonie ist extrem glücklich darüber, dass unsere Forderungen wahrgenommen wurden.“Vor allem die Wallonie, die Hauptstadtregion Brüssel und die französischsprachige Gemeinschaft hatten sich gegen CETA gestellt und damit eine Zustimmung der belgischen Zentralregierung verhindert. Das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada muss aber von allen EU-Mitgliedsländern angenommen werden.

Die kanadische Regierung sprach von einer positiven Entwicklung, doch bleibe noch einiges zu tun. Sie bekundete aber ihre grundsätzliche Bereitschaft, den Vertrag zu unterschreiben, sobald die EU dazu in der Lage sei. „Wenn sich das konkretisiert, ist das eine hervorragende Nachricht“, sagte unterdessen der kanadische Außenminister Stephane Dion in Paris, wo er an einer Konferenz teilnahm.

Auf EU-Ebene rief die slowakische Ratspräsidentschaft den ständigen Rat der EU-Botschafter der 28 Mitgliedstaaten zu einer Sitzung am Nachmittag zusammen. Sie müssen die Vereinbarkeit der belgischen Einigung mit dem CETA-Text klären. EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte betont vorsichtig, er werde den kanadischen Regierungschef Justin Trudeau erst dann kontaktieren, wenn alle Prozeduren auf EU-Ebene abgeschlossen seien.

„Ich bin sehr zurückhaltend, einen konkreten Zeitplan für den weiteren Verlauf zu benennen“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström twitterte optimistisch: „Endlich weißer Rauch über CETA. Ich hoffe, dass bald ein Datum gefunden werden kann, um das EU-Kanada-Abkommen zu unterzeichnen.“

Mit „habemus Cetam“ kommentierte EU-Kommissar Johannes Hahn bei seinem Oberösterreich-Besuch am Donnerstag die Einigung in Belgien über das EU-Kanada-Handelsabkommen. Wenngleich er das Verhalten der Provinz Wallonien nicht gut heiße. Erst nach dem Abschluss jahrelanger Verhandlungen zu sagen „Ich hab da noch was“, sei der falsche Weg, kritisierte Hahn.

Außerdem appellierte er in einer in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) in Linz an die EU-Mitgliedsstaaten, davon „Abstand zu nehmen, nationale, innenpolitische Auseinandersetzungen mit internationalen Themen zu verknüpfen“. Wie sich an dem aktuellen Beispiel gezeigt habe, brauche die EU als „machtvolle Struktur auch entsprechende Werkzeuge“. Derzeit könne die Europäische Union nur reagieren und nicht agieren. Konkret meint der EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, dass in Fragen der Außenpolitik „Mehrheitsentscheidungen adäquat“ seien und man vom Einstimmigkeitsprinzip abrücken solle.

Die Einigung der belgischen Volksvertretungen über CETA sei „eine gute Nachricht für Europa und eine gute Nachricht für die Exportnation Österreich“, schrieb WKÖ-Vizepräsident Jürgen Roth in einer Aussendung. Nun müsse das Abkommen „unbedingt wie geplant mit Anfang 2017 vorläufig, also ohne Investitionsschutz, in Kraft gesetzt werden. Die EU habe „eine Totalblamage gerade noch einmal abgewendet“.

Ganz anders sieht die Umweltorganisation Global 2000 die Einigung in Belgien. „Unter welchen Bedingungen dieses Ja erzwungen wurde, ist unfassbar. Mehrere Ersuchen der Wallonie um mehr Zeit wurden in den Wind geschlagen, Nächte durchverhandelt. Das ist kein seriöses Vorgehen, das ist einfach nur ein Armutszeugnis für die EU. Die einzig demokratisch legitimierten Institutionen, nämlich Parlamente, werden so lange unter Druck gesetzt, bis aus einem Nein ein Ja wird. Die Anliegen von Millionen von EuropäerInnen werden mit Füßen getreten“, so Heidemarie Porstner von Global 2000.

Druck sieht auch der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas – allerdings auf der anderen Seite: „Die Erpressbarkeit der EU muss beendet werden“, schreibt er und fordert, dass der EU-Kanada-Gipfel zur Unterzeichnung des Abkommens nun möglichst rasch stattfinden solle. „Die EU ist haarscharf an einer belgischen Blamage vorbeigeschrammt. Die EU ist mehr als die Summe ihrer Teile. CETA ist im gesamteuropäischen und im österreichischen Interesse“, so Karas.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*