Trumps rätselhafte Drohgebärde an Syriens Machthaber Assad

Zwischen Washington und dem syrischen Ort Chan Scheichun liegen fast zehntausend Kilometer. Schon lange sind die Schrecken des syrischen Bürgerkrieges in der US-Hauptstadt in den Hintergrund geraten. Es brauchte diese Bilder von toten Kindern, um das zu ändern.

Kinder mit Schaum vor dem Mund und mit starren Augen. Die Opfer eines mutmaßlichen Giftgaseinsatzes in Chan Scheichun. Auch Donald Trump hat sie gesehen, sie haben eine Wirkung auf ihn gehabt. Mehrmals spricht er am Mittwoch über sie, über die toten Babys. Er sagt, dass das eine abscheuliche Tat sei, die man nicht hinnehmen werde.

Der Präsident verschärft seinen Ton gegenüber der Regierung von Baschar al-Assad, den er für den Giftgaseinsatz verantwortlich macht. „Für mich sind damit eine ganze Reihe von Linien überschritten worden“, so Trump beim Treffen mit Jordaniens König Abdullah. Er deutet Konsequenzen an. Er sagt, dass die syrische Regierung ein Zeichen erhalten werde. Er lässt offen, was er damit meint.

Und Trump sagt, dass sich seine Einstellung zu Assad geändert habe. Plötzlich steht wieder die Frage von US-Militärschlägen gegen die syrische Regierung im Raum.

Wende in der Syrien-Politik

Das klang beim Besuch von Außenminister Rex Tillerson in der Türkei in der vergangenen Woche noch ganz anders. Das Schicksal von Syriens Präsident werde vom syrischen Volk entschieden werden, sagte Trumps Chefdiplomat da.

Was sich wie eine Selbstverständlichkeit anhörte, markierte tatsächlich nichts anderes als eine Wende in der amerikanischen Syrien-Politik. Denn es ist eine Wortwahl, die seit langem auch Assad selbst und seine Anhänger verwenden – und die sie als Chiffre für die Aussage benutzen, dass Syriens Präsident an der Macht bleibt.

Aber dann sah sich die US-Regierung in der unbequemen Situation, erklären zu müssen, wie sie diese Haltung vertreten und gleichzeitig den jüngsten mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien verurteilen kann.

Trumps Antwort: Er vollzieht eine erneute Wende, droht Assad. Die Frage ist, was er tatsächlich tun kann. Der Einfluss des Westens auf die Syrien-Krise ist gering, markige Worte hin oder her.

Auch Außenminister Tillerson geht nun in diese Richtung. Nach Trumps Rede rief er Russland dazu auf, dessen Unterstützung für Assad zu überdenken. Die USA hätten „keine Zweifel“ daran, dass die syrische Regierung für die „schreckliche Attacke“ verantwortlich sei, sagte er bei einem Treffen mit dem mexikanischen Außenminister Luis Videgaray.

Wortgefechte zwischen Diplomaten

Eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates am selben Tag vergeht ohne Ergebnis. Es kommt zu Wortgefechten zwischen den Diplomaten, zu gegenseitigen Schuldvorwürfen.

Die Botschafterin der USA, Nikki Haley, deutet anschließend einen Alleingang ihres Landes an. „Wenn die Vereinten Nationen durchgehend bei ihrer Aufgabe scheitern, gemeinsam zu Handeln, gibt es Zeiten im Bestehen von Staaten, bei denen wir zu eigenen Maßnahmen gezwungen sind.“

Bisher stand für Trump und seine Administration der Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Vordergrund. Assads Schicksal war für sie nur zweitrangig.

Die Gemengelage am Boden ist zu kompliziert, Trump hat kein gutes Blatt in der Hand. Mit einer militärischen Intervention gegen Assad würde er Russland und den Iran provozieren, die wichtigsten Verbündeten der syrischen Regierung.

USA und Europa schauen hilflos zu

Und auf diplomatischer Ebene sind die USA in der Syrien-Frage zu einem zahnlosen Tiger verkommen, das musste schon Obama immer wieder schmerzhaft erfahren.

Schon in der jüngsten und erneut ergebnislosen Runde der Genfer Verhandlungen über ein Ende des Bürgerkriegs zeigte sich sehr deutlich, dass Washington und Europa nur Zaungäste sind, die dem Geschehen mehr oder weniger hilfslos zuschauen.

Die USA fielen als Gegengewicht zu Syriens mächtigem Verbündeten Russland mittlerweile völlig aus, sagt ein europäischer Diplomat. „Es gibt wenig Zeichen, die einen glauben lassen, dass es in Washington eine Strategie für Syrien gibt. Die US-Diplomaten haben oft noch nicht einmal eine Linie oder Sprache, an die sie sich halten können.“

Europa würde im Syrien-Konflikt gerne eine gewichtigere Rolle spielen. Allein, es fehlen die Druckmittel. Als langjähriger Unterstützer der Opposition hat die EU kaum noch Zugang zur Regierung in Damaskus. Auch militärisch kann sie keine Drohkulisse aufbauen. Bleiben nur Sanktionen und finanzielle Anreize für Assad als Lockmittel, um Einfluss geltend machen zu können.

Hilfsgelder für Kriegsopfer

Die Teilnehmer der internationalen Syrien-Geberkonferenz in Brüssel einigten sich am Mittwoch immerhin darauf, für das laufende Jahr insgesamt sechs Milliarden Dollar (5,6 Milliarden Euro) an Hilfsgeldern für die Opfer des Bürgerkrieges zu sammeln.

Bedarf für finanzielle Hilfe besteht, und das nicht zu knapp. Nach mehr als sechs Jahren Bürgerkrieg sind große Teile des Landes völlig zerstört. Der Wiederaufbau könnte nach Schätzungen bis zu 200 Milliarden Dollar kosten, die dem wirtschaftlich ausgelaugtem Land fehlen.

Massiven Hilfsbedarf gibt es vor allem in den Gebieten unter Kontrolle der Opposition. Hier ist die humanitäre Lage oft prekär, wie in der Rebellenenklave Ost-Ghouta an der Grenze zur Hauptstadt Damaskus. Rund 400.000 Menschen leben in dem Gebiet nach UN-Angaben seit Monaten unter Belagerung, etliche fast täglich Kämpfen und Luftangriffen ausgesetzt.

Assad sieht Macht gesichert

Ohne Zustimmung der Regierung in Damaskus wird solche Gebiete keine Hilfe von außen erreichen. Assad sieht seine Macht nach militärischen Erfolgen gegen die Rebellen gleichzeitig fest gesichert.

Angesichts dessen empfiehlt der Syrien-Fachmann des European Council on Foreign Relations (ECFR), Julien Barnes-Decay, nun die „Geldkarte in Syrien auszuspielen“. Trotz Sorgen, Assad zu stärken, sollte Europa die Chance ergreifen, „einen realen, positiven Einfluss auf das Leben einer traumatisieren Bevölkerung“ auszuüben, empfiehlt er.

Möglich wäre das jedoch nur, wenn die EU ihre harte Anti-Assad-Haltung abschwächen würde. Barnes-Decay will dafür Bedingungen stellen. Unterstützung für Syrien soll es nur geben, wenn die Waffenruhe hält. Und die Hilfe solle mehr über lokale Akteure und die UN abgewickelt werden als über Regierungsinstitutionen.

Unklar ist allerdings, ob und zu welchem Preis Assad das zulassen würde. Anfang Februar wies er jede Rolle der EU beim Wiederaufbau seines Landes zurück. „Man kann diese Rolle nicht spielen, während man Syrien zerstört“, sagte er und warf Europa vor, den Terror zu unterstützen: „Sie können nicht gleichzeitig zerstören und aufbauen.“

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