Kommentar über Laschets Rückzug: Partei der Gescheiterten

Die CDU/CSU macht einen gespenstischen Eindruck. Nach der Rücktrittsankündigung Armin Laschets sind vielleicht doch noch Jamaika-Verhandlungen möglich. Aber niemand weiß, wer am Ende Kanzler dieser Koalition werden sollte. Laschet? Nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Söder? Schon eher, aber dennoch sehr unwahrscheinlich. Jemand anderes? Der neue Parteivorsitzende, den es zu diesem Zeitpunkt womöglich noch gar nicht gibt? Wie sollte das gehen? Das werden sich auch Grüne und FDP sagen. Sie werden kein gutes Gefühl bei dem Gedanken haben, dass Olaf Scholz die Sackgasse, die sich da auftut, für seine Zwecke ausnutzen könnte.

Grund für die Depression der CDU sind gescheiterte Machtwechsel an deren Spitze, eine höchst konfrontative Nominierung des Kanzlerkandidaten und eine Schwesterpartei, die tatkräftig dabei half, aus diesen mehrfachen Belastungen ein Debakel in der Bundestagswahl werden zu lassen. Zur gespenstischen Lage der Union gehört vor allem dies: Die CDU ist nicht nur Opfer ihrer selbst, nicht nur Opfer des politischen Gegners, sondern auch Spielball der CSU. Die Schmutzeleien gegen Laschet sind ein Tiefpunkt dieser Zweierbeziehung. Der CSU-Vorsitzende wollte oder nahm billigend in Kauf, dass es so kam. Das wird das Verhältnis beider Parteien dauerhaft und schwer belasten.

Die CDU ist zerfallen in Lager gescheiterter Kandidaten

Gespenstisch aber auch das: Über allem schwebt die ehemalige CDU-Vorsitzende, die schon im Wahlkampf über weite Strecken im Kanzleramt so tat, als gehe sie das alles nichts mehr an.

Es ist nun schon der zweite Anlauf für eine neue CDU-Spitze, der kläglich scheitert. In beiden Fällen war die Nachfolge Angela Merkels nicht wirklich geklärt. Das jeweils unterlegene Lager fand sich mit der Niederlage nur schwer oder gar nicht ab. Annegret Kramp-Karrenbauer gab auf, weil innerparteiliche Gegner auf der Lauer lagen und ihre Vorgängerin den Versuch abwehrte, aus dem Amt gedrängt zu werden. Kramp-Karrenbauer scheiterte nicht nur an der Thüringer CDU, nicht nur an sich selbst, sondern maßgeblich an der Trennung von Vorsitz und Kanzleramt.

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Für Armin Laschet ergab sich dieses Problem nicht, weil die Zeit bis zur Wahl einfach zu kurz war. Dennoch oder gerade deshalb war seine Lage am Ende ausweglos. Nicht nur musste er die Gräben im Blick haben, die nach der Wahl von Kramp-Karrenbauer ausgehoben worden waren. Seine Wahl brachte neue Enttäuschungen, die durch die Nominierung zum Kanzlerkandidaten noch einmal verstärkt wurden. Fatal war, dass eine ganze Partei, die CSU, gegen ihn stand. Nun gab es nicht mehr nur das Merz-Lager, das Röttgen-Lager, das Spahn-Lager, die Anhänger Kramp-Karrenbauers, Anhänger und Gegner Angela Merkels, sondern auch noch die Söderianer. Die Laschet-Anhänger waren, eingeschüchtert durch Umfragewerte, auf verlorenem Posten.

Die Namen spielen auch jetzt wieder eine Rolle. Nur einen Tag nach dem Auftritt Laschets melden sich die alten Kämpen zu Wort, jeweils mit Vorschlägen zum Verfahren, die darauf schließen lassen, wo sie den Erfolg für sich versprechen. Merz hat dem „Establishment“ durch die Blume schon wieder den Kampf angesagt, auch Röttgen verspricht sich von der Basis mehr Unterstützung als von den Gremien, Carsten Linnemann taucht als neuer Bewerber auf, Spahn hält sich bedeckt, und alle miteinander machen die Rechnung vielleicht ohne den derzeit mächtigsten Mann in der CDU, den Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus.

Für alle Beteiligten müsste sich die Frage stellen: Hat sich das bisherige Vorgehen für die Partei bewährt? Das Schaulaufen mehrerer Kandidaten, das jeweils als Ausweis demokratischer Tugenden gelobt wurde, hat die Partei nicht befriedet. Im Gegenteil. Auch Mitgliederbefragungen wie in der SPD oder in der CDU Baden-Württembergs müssten eigentlich abschreckend wirken. Die CDU im Südwesten hat sich bis heute nicht von den Zerwürfnissen erholt, die sich durch Mitgliederbefragungen über konkurrierende Bewerber ergaben. Und die SPD? Sie kann froh sein, dass Olaf Scholz nicht das Handtuch warf, als Mitglieder und Funktionäre gegen ihn waren. Kanzlerkandidat wurde er im viel geschmähten Hinterzimmer.

Laschet will es ganz anders machen, was aber in gewisser Weise bedeutet, es allen recht machen zu wollen. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, er falle zurück in Zeiten der Kungelei und Hinterzimmer, wird er sich einer Beteiligung der Mitglieder nicht verschließen können. Um aber nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, muss es auf einen Kandidaten, ob Frau oder Mann, hinauslaufen, der nicht in das Schema passt, das die Konfrontationslinien der Merkel-Nachfolge in der Partei bislang hinterlassen haben.

Ob die NRW-CDU dafür die Blaupause liefern kann, ist fraglich. Zwar ist der Landesverband eine komplizierte Großveranstaltung, aber im Bundesverband haben andere Autoritäten das Sagen als in Düsseldorf. Laschet hatte dort noch die Kontrolle, als er seinen Nachfolger aushandeln ließ. In der Bundes-CDU hat er sie nicht mehr. Die Kontrolle übernimmt nun wieder der Wahlkalender: Im März und im Mai 2022 sind Landtagswahlen, in denen es für die CDU um viel geht: im Saarland, in Schleswig-Holstein, in NRW.

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