Zum Ampelbündnis gibt es jetzt nur noch eine Alternative

Verständlich ist es ja, dass die Grünen, dass auch die FDP und sogar ein – immer kleiner werdender – Teil der Union die Option einer Jamaika-Koalition als Grundlage einer künftigen Bundesregierung noch nicht ganz aus der Hand geben mögen. FDP und Grüne wären schlechte Verhandler, würden sie dieses einzige Hintertürchen, das sie theoretisch noch haben, abschließen, bevor sicher ist, dass die Luft vorne tatsächlich rein ist: sie also weitgehend unbeschadet und mit vernünftiger Vier-Jahres-Perspektive eine Koalition mit Olaf Scholz und seiner gerade erst wieder zum Leben erweckten SPD schließen können.

In der CDU benötigen zumindest die gemäßigten, nicht vollständig auf Krawall gebürsteten Kräfte die Resthoffnung auf ein Jamaika-Bündnis, um die Wochen bis zu einem Parteitag oder einer andersgearteten Klärung ihrer zerrütteten Verhältnisse überhaupt irgendwie zu überstehen.

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Jamaika mag also noch einen Zweck haben, eine Perspektive hat Jamaika nicht. Es wäre auch niemandem zu erklären, warum sich Grüne und FDP in einem Bündnis mit der Union wieder zusammenraufen könnten, nachdem sie zuvor bei der Bildung einer Koalition mit den Sozialdemokraten gescheitert wären.

Die SPD jedenfalls, davon darf man getrost ausgehen, wird alles ihr Mögliche dafür tun, Olaf Scholz ins Kanzleramt zu bringen. Denn das ist – dazu reicht ein kurzer Blick in die jüngere Vergangenheit – eine letzte, fast unverhoffte Chance vor dem Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit. So viele glückliche Umstände wie im zurückliegenden Wahlkampf werden für die Sozialdemokraten so schnell nicht noch einmal zusammenkommen.

So geht es mit den Sondierungen weiter

Die möglichen Koalitionspartner befinden sich alle weiterhin auf Schnupperkurs. Wer kann mit wem? Für die kommende Woche sind vertiefende Gespräche vereinbart worden.

Quelle: WELT/ Sebastian Plantholt

Rot-grün-gelbe Koalitionsverhandlungen werden deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht an den Sozialdemokraten scheitern; die Partei wird FDP und Grünen sehr weit entgegenkommen. Wenn überhaupt, dann scheitert die Ampel daran, dass Grüne und FDP sich am Ende doch nicht einigen können auf die konkreten Inhalte ihres „Fortschrittsbündnisses“. Oder daran, dass Robert Habeck und Christian Lindner vielleicht zusammen wollen, aber eben doch nicht zusammen können. Ein Umstand, an dem der Austausch des Verhandlungspartners, also ein Wechsel von der Ampel zu Jamaika, rein gar nichts ändern würde.

Also bräuchte die Union, bräuchte ein potenzieller Unionskanzler, wenn Jamaika doch noch irgendwie ins Spiel gebracht werden soll, noch mehr politischen Spielraum als Olaf Scholz ihn derzeit hat. Dafür spricht nichts, außer der Vermutung, dass CDU und CSU, nur um sich an der Macht zu halten, auch noch die eigene Großmutter verkaufen würden. Das werden sie nicht tun. Der Preis, und das ist nur das eklatanteste Beispiel, den allein die Christsozialen dafür zu zahlen bereit sein müssten, wäre viel zu hoch.

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Kurs auf Ampel-Koalition

Hinzu kommt, dass ein Bündnis von CDU, CSU, Grünen und FDP den Wählern nach dem Verlauf des Wahlkampfs und dem Scheitern des Unionskanzlerkandidaten ebenso wenig vermittelbar wäre wie eine Wieder-Wieder-Wiederauflage der Großen Koalition von SPD und Union. Es gibt also genau zwei Möglichkeiten für die nähere Zukunft dieser Republik: ein Ampelbündnis oder Neuwahlen. An letzteren könnten eventuell Markus Söder und Robert Habeck ein Interesse haben. Aber selbst für diese beiden bisher verhinderten Kanzlerkandidaten wären Neuwahlen ein Manöver mit höchst ungewissem Ausgang.

Es bleibt also bei der Ampel-Koalition als einzigem aus dem Wahlergebnis vom 26. September heraus plausibel, nachvollziehbar und vielleicht sogar stabil zu bildendem Regierungsbündnis. Alle Beteiligten tun gut daran, einer solchen Koalition in den kommenden Wochen zügig ein solides Fundament zu verschaffen. Die kargen, aber klaren Worte der drei Generalsekretäre nach dem ersten langen Sondierungsgespräch deuten darauf hin, dass SPD, Grüne und FDP sich dieser Verantwortung bewusst sind.

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