Wie Donald Trump mit allen Mitteln Präsident bleiben wollte

Einen versuchten „Coup“ nennen etliche Medien Donald Trumps Verhalten nach seiner Wahlniederlage im vergangenen November. Der Verlierer der amerikanischen Präsidentenwahl verbreitete Lügen über vermeintlichen „Wahlbetrug“ und versuchte, Vizepräsident Mike Pence und seine Minister dazu zu bewegen, die Niederlage ungeschehen zu machen.

Nun veröffentlichte der Justizausschuss im Senat einen ausführlichen Bericht über Trumps Versuche, das Wahlergebnis nicht nur anzuzweifeln, sondern auch umzukehren. Demnach soll der damalige Präsident allein das Justizministerium neun Mal aufgefordert haben, Wege dafür zu finden.

Der Wahlverlierer und sein damaliger Stabschef Mark Meadows sollen einen Juristen im Ministerium immer wieder unter Druck gesetzt haben, unbelegten Vorwürfen von „Wahlbetrug“ nachzugehen. Trump habe auch versucht, den damaligen amtierenden Justizminister Jeffrey Rosen nach der Wahl zu entlassen und durch Jeffrey Clark zu ersetzen, einen Ministerialbeamten, der die Verschwörungstheorien des abgewählten Präsidenten unterstützte. Pat Cipollone, bis dahin loyaler Rechtsberater im Weißen Haus, soll laut dem Bericht deswegen im Januar 2021 mit Rücktritt gedroht haben.

„Ihr verfolgt das nicht so genau wie ich“

Der Bericht stützt sich auf Befragungen ehemaliger Mitarbeiter des Justizministeriums, die Trump damals zu Erfüllungsgehilfen seiner Lügen machen wollte. Auch Trumps letzter Justizminister Rosen sprach mit den Senatoren. Trump habe dem Ministerium Berichte über vermeintlichen Wahlbetrug weitergeleitet und gesagt: „Ihr Leute verfolgt das im Internet eben nicht so genau wie ich das tue.“ Rosen habe dem Verlierer selbst erklärt, das Ministerium könne die Wahl nicht einfach rückgängig machen. Der abgewählte Präsident habe daraufhin verlangt, dass der Minister offiziell erklären solle, dass die Abstimmung korrumpiert worden sei – dann solle man „den Rest mir und den Kongressmitgliedern überlassen“, so zitiert ihn der Bericht.

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Die Ausschussmitglieder stellen fest, dass Trump den demokratischen Prozess missachtet und seine Macht missbraucht habe. Die acht Monate andauernden Ermittlungen belegten einmal mehr, wie ernst es dem damaligen Präsidenten mit seinen Versuchen war, die Wahl umzukehren, gemeint habe. Der Ausschussvorsitzende, Demokrat Dick Durbin aus Illinois, sagte, dass das Land nur knapp einer ernsten Verfassungskrise entgangen sei.

Trump habe diese Krise, so Durbin, in drei Schritten beschworen: Erst sei er vor Gericht gegangen. Als er dort mit seinen Lügen vom „Wahlbetrug“ gescheitert sei, habe er versucht, die Kontrolle über das Justizministerium zu übernehmen. Zudem setzte er Justiz- und Innenminister der Bundesstaaten wie Brad Raffensperger in Georgia unter Druck, die die regionalen Wahlergebnisse untersuchen und nicht bestätigen sollten. „Der dritte Schritt war, den Mob loszulassen und auf das Kapitol zu hetzen, wo wir an dem Tag die Stimmen zählten“, sagte Durbin gegenüber CNN über den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar, als der Kongress das Wahlergebnis in einem sonst kaum beachteten formalen Verfahren zu bestätigen hatte.

Republikaner veröffentlichen alternative Version

Die Republikaner wollen den Bericht des Justizausschusses derweil nicht gelten lassen. Senator Chuck Grassley, ranghöchster Republikaner in dem Gremium, veröffentlichte am Donnerstag eine alternative Version. Darin heißt es, Trump habe stets auf seine politischen Berater und Mitarbeiter gehört. Er habe nicht versucht, das Justizministerium zur Umkehrung des Wahlergebnisses zu benutzen. Trump sei besorgt gewesen, weil es Berichte über „Straftaten“ im Zusammenhang mit der Wahl gegeben habe, heißt es in dem Text, der dem Wahlverlierer und seinen Anhängern damit abermals folgt. Die Republikaner behaupten darin auch, dass das Justizministerium unter Präsident Joe Biden die Ermittlungen beeinflusst habe.

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In der Abgeordnetenkammer befasst sich derweil der Sonderausschuss zum Angriff auf das Kapitol am 6. Januar unter anderem mit der Frage, wie groß der Einfluss Trumps auf seine randalierenden Anhänger war. Der frühere Präsident kündigte an, dass er versuchen will, im Nachhinein sein „executive privilege“, also sein exekutives Immunitätsprivileg, zu nutzen. So könnte er die Ermittlungen um den Angriff auf das Kapitol behindern.

Ein Anwalt Trumps soll mehreren Zeugen geschrieben haben, die Vorladungen vom Untersuchungsausschuss erhalten hatten. In den Briefen sei die Rede von Trumps Absicht, sich auf das Exekutiv-Privileg zu berufen, berichtete das Magazin Politico. Der damalige kommissarische Verteidigungsminister Christopher Miller soll ebenso ein solches Schreiben erhalten haben wie Trumps damaliger Stabschef Mark Meadows und sein früherer Chefstratege Steve Bannon. Laut der Zeitung Washington Post seien sie auch gebeten worden, in der Untersuchung des Abgeordnetenhauses nicht zu kooperieren.

Der Demokrat Pete Aguilar, der in dem Sonderausschuss sitzt, sagte am Abend, es sei nicht Trumps Recht, sich auf ein exekutives Privileg zu berufen. Konservative Juristen ziehen diese Ansicht in Zweifel und meinen, Trump könne dies für Vorgänge aus seiner Amtszeit tun. Ein einfacherer Weg ist wahrscheinlicher: Die Vorgeladenen können die Aussage verweigern, falls sie sich durch Auskünfte selbst belasten würden.

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