„Für Grüne wirklich bitter“

Im „Standard“-Bericht am Dienstag wurden Vorwürfe zu Schillings Umgang mit der Wahrheit erhoben. Zitiert wurde unter anderem eine Unterlassungserklärung, dass die Kandidatin bestimmte Äußerungen über die Beziehungsprobleme einer Freundin nicht mehr machen dürfe. Schilling und die mit ihr zur Verteidigung am Mittwoch geschlossen ausgerückte Parteispitze wiesen die Vorwürfe zurück.

Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler sprach von einer „Schmutzkübelkampagne“ und „Gefurze“, von dem man sich nicht einschüchtern lassen werde. Die Parteispitze und Schilling verwiesen darauf, dass es dabei um den höchstpersönlichen Bereich Schillings gehe, nicht um sie als Politikerin.

„Was hat die Parteispitze verpasst?“

Genau eine solche Trennung in politisch und privat vorzunehmen gehe beim Thema Glaubwürdigkeit aber nicht, so Stainer-Hämmele. Das gelte erst recht für eine Spitzenkandidatin. Offensichtlich komme ein Teil der Vorwürfe ja aus der grünen Partei und dem Aktivistenumfeld selbst. Es stelle sich die Frage: „Was hat die Parteispitze da verpasst?“

Ganz ähnlich auch Filzmaiers Einschätzung: Es gebe ja nur zwei Möglichkeiten – entweder die Vorwürfe stimmten, und Schilling nehme es mit der Wahrheit nicht so genau; oder es sei eine Intrige, „die aber von intern kommt“. Beides sei schlecht. Beide betonten aber auch, es sei zu früh, um die Vorwürfe inhaltlich einordnen zu können.

Für die Grünen sei die Veröffentlichung jedenfalls „wirklich bitter“, so Stainer-Hämmerle. Denn sie hätten mit Schilling einen echten „Joker, das genau Gegenprogramm zu allen anderen Kandidaten“ gehabt. Außerdem habe die Quereinsteigerin sehr schnell gelernt.

Stainer-Hämmerle sieht „Sexismus“

Sehr wohl recht hätten die Grünen aber, wenn sie einen anderen Umgang mit jungen Frauen oder Frauen generell in der Politik beklagten. „Bei Frauen wird ein gesunder Umgang mit Macht anders rezipiert“, so Stainer-Hämmerle, die hier zumindest „etwas Sexismus“ ortet. Aufzusteigen und Macht zu halten, das könne man jedem Politiker vorwerfen. Dass man dabei andere Leute ausspiele, gehöre einfach dazu, so Stainer-Hämmerle.

„Betonieren nach innen“

In ihrer Reaktion gingen die Grünen inhaltlich auf die Vorwürfe in keiner Weise ein. Ob dieses „Betonieren“ funktioniere, hänge nun wesentlich davon ab, „ob sich das Bild verdichtet und Kritikerinnen und Kritiker aus der Deckung kommen“ – oder ob es sich als „Kampagne ohne viel Grundlage“ entpuppe. Letztlich stelle sich wie in einem Gerichtsverfahren die Frage, wem mehr geglaubt werde.

Gefragt, ob die Parteispitze mehr nach außen oder eher nach innen betoniere, meinte Filzmaier, das Signal richte sich wohl vor allem nach innen: Geschlossenheit werde signalisiert, um die Parteibasis für den Wahlkampf zu motivieren; es sei zugleich an alle internen Kritiker das Signal: „Wir lassen sie (Schilling, Anm.) uns nicht rausschießen.“

Stainer-Hämmerle glaubt freilich nicht, dass Mauern alleine reichen wird. Die Partei müsse auch inhaltlich auf die Vorwürfe reagieren.

Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne), EU-Wahl-Spitzenkandidatin Lena Schilling (Grüne), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Landesrat Stefan Kaineder (Grüne)

APA/Tobias Steinmaurer
Klubchefin Maurer, Schilling, Parteichef Kogler und seine Vizes Gewessler und Kaineder (v. l. n. r.)

„Foto, das sie nicht mehr loswerden“

Für Filzmaier war der geschlossene Auftritt der Parteispitze mit Schilling „logisch“ und die „einmalige Sofortaktion“ eine Demonstration der Geschlossenheit. Allerdings habe man gleich beim ersten Mal mit „größtmöglicher Personenkraft“ reagiert. Eine Steigerung, so Filzmaier implizit, ist da nicht mehr möglich.

Nun müssten die Grünen hoffen, dass dieser Auftritt über die nächsten Wochen bis zur Wahl trage. Mit dem gemeinsamen Auftritt bei der Pressekonferenz habe die Parteispitze – durchaus bewusst – ein „gemeinsames Foto“ geschaffen, „das sie nicht mehr loswerden“.

Jedenfalls würden die Grünen den Rucksack jetzt bis zur Wahl mitschleppen. Denn „Wahlkampf ist ein Themenwettbewerb“, und das Thema Klima als zentrales Thema zu setzen werde wohl „nicht mehr klappen“, so der Politologe.

„Interessanter Zeitpunkt“

Sowohl Stainer-Hämmerle als auch Filzmaier betonten, dass der Zeitpunkt „interessant“ sei. Die Veröffentlichung finde genau zum Beginn des Intensivwahlkampfes statt, so Filzmaier. Stainer-Hämmerle verwies darauf, das das Timing vom „Standard“ entschieden worden sei. Dass die Vorwürfe vom „Standard“ berichtet würden, komme da erschwerend dazu.

Filzmaier betonte aber, die Grünen müssten nach dem sehr guten Ergebnis vom letzten Mal ohnehin mit einem schlechteren Ergebnis rechnen. Vor allem für die Koalition mit der ÖVP würden sie wohl Streichungen kassieren.

Das sieht auch Stainer-Hämmerle ähnlich, die meinte, es sei schon ein besonders Pech für die Grünen. Sie würden ja auch dafür abgestraft, wenn eine andere Partei – konkret der Koalitionspartner ÖVP – einen Skandal habe. Wählerinnen und Wähler der Grünen würden Parteiskandale und Fehlverhalten in der Politik einfach grundsätzlich viel kritischer sehen.

„Interessierte Beobachter“ SPÖ und NEOS

Dass es angesichts der Vorwürfe zu einem Solidarisierungseffekt mit Schilling kommen könnte, schloss Filzmaier nicht aus. Wie sich eine emotionale Debatte über einen Kandidaten oder eine Kandidatin für diese beim Zielpublikum negativ auswirke oder es zu einem „Mitleidseffekt“ komme, sei nicht vorhersehbar. Klar, so Filzmaier, sei jedenfalls, dass SPÖ und NEOS potenziell davon profitieren könnten und diese die Entwicklungen um Schilling „mit besonderem Interesse“ verfolgen würden.

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