Psychische Gesundheit: Neue Hilfs-App für junge Menschen vorgestellt

Die Stigmata rund um psychische Erkrankungen verschlechtern die Behandlungschancen für Betroffene massiv, hieß es am Mittwoch bei einer Pressekonferenz des Psychosozialen Diensts (PSD-Wien). Außerdem leiden besonders viele junge Wienerinnen und Wiener an psychischen Problemen.

Mit Unterstützung für Medienschaffende sowie neuen Angeboten wie einer digitalen Gesundheitsanwendung und einer neuen Hotline soll dem entgegengewirkt werden.

Unterstützungsbedarf seit Pandemie gestiegen

Seit 2020 ist der Unterstützungsbedarf wegen psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Wien gestiegen, wobei auch schon davor nicht deckend behandelt wurde, erklärte Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien. 

Die Folgen der Corona-Pandemie sowie vor allem die finanzielle Situation der Eltern im Rahmen der Teuerung belaste die Psyche der Jugendlichen. Zwar werde im Rahmen der aktuellen Krisen mehr über psychische Gesundheit gesprochen, aber schwere Erkrankungen, unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten und soziale Dimensionen seien noch immer nicht sichtbar genug.

Es wird zu viel geschwiegen

„Gerade über jene Erkrankungen, die bei Betroffenen und in der Gesellschaft massive Probleme verursachen, wie etwa Schizophrenie, Suchterkrankungen oder auch schwere soziale Problematiken, wird noch zu wenig oder eben sehr stigmatisierend gesprochen“, erklärte Lochner. 

Ähnlich tendiere man eher dazu, über Psychotherapie zu sprechen, als über psychiatrische Behandlungen, die oft mit Medikamentengabe zusammenhängen.

Entstigmatisierung mit Influencern

Einen ganz entscheidenden Schritt zur Entstigmatisierung stellt für Lochner die Zusammenarbeit mit Influencerinnen und Influencern dar: „Da geht es um das Vermeiden von Ferndiagnosen, Laienpsychologie, Stigmatisierung und den Umgang mit Erfahrungsexpertinnen und Experten, also Menschen die von psychischen Problemen betroffen sind oder waren“, so Lochner. 

Bei einer Veranstaltung sollen diejenigen, die Content produzieren, für die Verantwortung beim Sprechen über psychische Erkrankungen sensibilisiert werden. Für den Umgang mit kritischen Direktnachrichten und Hilfsansuchen wird außerdem eine „Toolbox“ zur Verfügung gestellt.

Digitale Hilfe als Pilotprojekt

Im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie wird mit der digitale Anwendung in der Kinder und Jugendpsychiatrie (diGa) zusammen mit der Medizinischen Universität Wien ein Pilotprojekt gestartet, das sowohl bei Behandlung und Betreuung unterstützen als auch als Selbsthilfe-Tool fungieren, aber die Behandlung nicht ersetzen soll. 

So können Betroffenen etwa kontinuierlich Kontakt aufnehmen, auch wenn zwischen den realen Behandlungsterminen ein bis zwei Wochen vergehen. Dadurch will man Rückfälle möglichst früh erkennen und im Optimalfall verhindern. Außerdem gehe es auch um das Vermeiden der Chronifizierung von Erkrankungen, weil für junge Menschen, die noch kein sehr schwerwiegendes Erkrankungsniveau erreicht haben, niederschwellig und digital Hilfe zur Verfügung steht, sagte Lochner.

Weiters stellt diGa Selbsthilfe-Tools wie etwa das Führen eines Tagebuchs zur Verfügung. Damit können auch die behandelnden Personen einen besseren Überblick über den Gesundheitszustand der Betroffenen gewinnen. 

Zuletzt gebe es eine Erinnerungsfunktion im Bereich der Medikamenteneinnahme. „Es handelt sich um ein längeres Projekt, das als Medizinprodukt ISO-zertifiziert ist – nach dem Pilotprojekt und der Evaluation durch die MedUni Wien sehen wir, in welchen Bereichen diGa in Zukunft konkret eingesetzt wird“, so Lochner. Es bestehe jedenfalls auch die Hoffnung, durch das digitale Format auch jene Betroffenen zu erreichen, die noch nicht im Behandlungssystem sind.

Neue Hotline startet im Juli

Ab dem 1. Juli bietet das PSD-Wien mit dem“First-Level-Support“ für Kinder und Jugendliche zudem eine zusätzliche Hotline an. „Als Clearing-Stelle mit täglicher, niederschwelliger Erreichbarkeit wollen wir eine wichtige Lücke in der Versorgung schließen und eine Brückenfunktion für Kinder und Jugendliche übernehmen“, ergänzte Ardjana Gashi, klinische Psychologin und Leiterin der Psychosozialen Information und Sorgenhotline Wien. 

Die professionellen Ansprechpartner werden junge Menschen und ihre Bezugspersonen beraten und an adäquate Versorgungsmöglichkeiten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, psychosozialen Angeboten und Psychotherapie weiterleiten. Geplant sind auch Online-Chat-Beratung sowie Videotelefonie.

Hilfe können Betroffene außerdem über: https://darueberredenwir.at/ oder über die Sorgenhotline Wien (erreichbar unter 01 4000 53000) erhalten.

Berichterstattung über psychische Krankheiten

Außerdem wird 2024 zum siebenten Mal der Stephan-Rudas-Preis für fundierte Berichterstattung über psychische Erkrankungen vergeben, bei dem Medienschaffende ausgezeichnet werden, denen es gelingt, entstigmatisierend über psychische Erkrankungen zu berichten. Er wird in den Kategorien Print, Online-Magazine, Rundfunk, Podcasts und Vlogs und im Bereich der Erfahrungsexpertinnen und Erfahrungsexperten verliehen und ist mit jeweils 300 Euro dotiert.

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