Kommentar zum CDU-Parteitag: Die Herausforderung für die Merz-CDU ist groß

Zwei Jahre hat es beim vorigen Mal auch gedauert. 1998 endete die Kanzlerschaft von Helmut Kohl. Im Jahr 2000 war die CDU nicht nur in der Opposition angekommen, sondern hatte sich eine Vorsitzende gewählt, deren Führung sich als stabil erweisen sollte. Allerdings hatte die Partei durch ihre Spendenaffäre eine politische Erd­bebenzone betreten. Gemessen daran ist die innerparteiliche Lage der CDU zwei Jahre nach der Ära Merkel ein Naherholungsgebiet.

Dennoch ist die Herausforderung für die Merz-CDU noch größer. Die Selbstverständlichkeit, mit der es im größten Land der EU zwei dominierende Parteien gibt, die im Wechsel den Kanzler stellen, droht verloren zu gehen. Dass eine Kanzlerpartei nach nicht einmal drei Jahren an der Macht in den Umfragen bei einem sehr kleinen zweistelligen Ergebnis steht und damit unklar ist, welche Rolle sie künftig bei Regierungsbildungen noch spielen kann, lässt die Endlichkeit der bisherigen Stabilität im Parteiensystem erahnen.

Gerhard Schröder war 1998 nicht nur mit einer innerparteilichen Zerrüttung gestartet, sondern hatte den Kosovokrieg und die Folgen der Terroranschläge vom 11. September zu bewältigen. Dennoch stand die SPD nach zweieinhalb Jahren an der Macht immer noch bei etwa 40 Prozent in den Umfragen, die Union bei 35 plus.

Parteiensystem weniger berechenbar

Unabhängig von der Frage, welche Partei den Kanzler stellt, war das Parteiensystem berechenbar. Daher ist es jenseits des parteipolitischen Eigeninteresses so wichtig, dass sich die CDU als tragende Kraft einer Kanzlerschaft nach einer wackeligen Übergangszeit am Ende der Ära Merkel wieder stabilisiert. Obwohl sich das abzeichnet, steckt die CDU in den Umfragen bei einer Größenordnung von 30 Prozent fest.

Friedrich Merz hat es im dritten Anlauf geschafft, Vorsitzender der CDU zu werden, und ist nach zwei Jahren mit fast 90 Prozent im Amt bestätigt worden. Das bedeutet nicht, dass neun von zehn Delegierten des Parteitags in Berlin oder gar neun von zehn Mitgliedern inzwischen Merz-Fans geworden wären. Am Montag reihte sich zwar ein christdemokratischer Ministerpräsident nach dem anderen hinter Merz ein. Kurz zuvor hatte es aber aus den Reihen ebendieser Regierungschefs noch Nörgeleien gegeben.

Die schärfste Kritik kam von Ministerpräsident Daniel Günther aus Kiel, der sich kurz vor dem Parteitag dagegen gewandt hatte, dass die CDU einen gleichgroßen Abstand zu AfD und Linkspartei halten müsse. Ein Hinweis des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst in einem Gastbeitrag für die F.A.Z., das Herz der CDU schlage in der Mitte, hatte Merz im vorigen Sommer so erzürnt, dass er noch in einer erst kürzlich ausgestrahlten Fernsehdokumentation sagte, er sei angefasst gewesen. Wie angefasst wäre ein Bundeskanzler Merz wohl, wenn ein amerikanischer Präsident Trump vor laufenden Kameras auch nur beim Händeschütteln einen seiner gefürchteten Scherze machen würde? Als Kanzler hätte Merz nicht die Zeit, sich über jede Attacke monatelang aufzuregen.

Milde Merz-Rede

Doch für den Moment ist die CDU stabilisiert. Deswegen ist Friedrich Merz auf den Parteitag den nächsten Schritt gegangen. Er hat eine Rede gehalten, die schon als staatstragend angekündigt worden war. Er erwähnte Dinge wie die Leitkultur, zog das Thema aber nicht hoch. Er warnte vor allem vor rechtsextrem motivierter Gewalt und erwähnte die Gefahr des politischen Islamismus eher beiläufig.

Emotional wurde er erst, als er sich wuchtig gegen die AfD stellte und es als Aufgabe der CDU beschrieb, den Kampf gegen die Partei vom rechten Rand zu führen. Aber kühne Versprechungen von ehedem, unter seiner Führung würden die AfD-Werte halbiert, verkniff er sich. Merz, der scharfzüngige Redner, formulierte milde, um deutlich zu machen, dass er mehr ist als das. Dass er nicht nur seine Partei in der Breite mitnehmen kann, sondern auch die Wählerschaft. Merz konnte aus der Nähe verfolgen, wie Angela Merkel mit marktliberalen Positionen bei ihrer ersten Bundestagswahl fast gescheitert wäre.

Nun beginnt für den CDU-Chef der nächste Test. Akzeptieren seine Anhänger, dass der Klare-Kante-Merz um des Machtgewinns und Machterhalts willen allmählich vermerkeln muss? Das wird sich daran zeigen, ob es der CDU gelingt, weitgehende Versprechen erfüllen zu können – etwa die Rückkehr zur Wehrpflicht mit Einführung eines verpflichtenden Dienstjahres oder die Verlagerung von Asylverfahren in sichere Drittstaaten – und die breite Mitte mitzunehmen. Merz machte deutlich, dass das neue Grundsatzprogramm auf Wechselwähler ziele, die überzeugt werden sollten. Gelingt das, ist das zugleich der nächste Schritt zu der so dringenden Stabilisierung des Parteiensystems. Die schwierigen Wahlen dieses Jahres werden Antworten geben.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*