Streit um Sparbefehl – Wie viel Geld Sie verlieren, wenn die Ampel ihr Milliarden-Loch stopft

Vor gut vier Monaten hat sich die Ampel-Regierung auf den Haushalt für das laufende Jahr geeinigt. Denn im Vorjahr grätschte das Bundesverfassungsgericht in die Parade. Die Richter hatten eine Umwidmung von Corona-Krediten von 60 Milliarden Euro aus dem Haushalt 2021 in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt. Daraufhin legte die Ampel-Bundesregierung ein heftiges Sparprogramm für die Haushaltsplanung 2024 auf.

Nun stehen die Verhandlungen für das Jahr 2025 an. Und anders als im Vorjahr sind sämtliche Reserven des Bundes aufgebraucht. Bis zum 2. Mai müssen die Ressorts ihren Bedarf beim Bundesfinanzministerium anmelden und gleichzeitig entsprechende Sparvorhaben festlegen. Die Inventur soll zeigen, wie viel Geld der Bund im kommenden Jahr braucht.

Die Verhandlungen werden wohl nicht ohne Streit zwischen den Koalitionspartnern ablaufen. Lindner sagte am Montagabend in der ZDF-Sendung „Wie geht’s, Deutschland?“, einige Ressorts hätten „die ökonomischen Realitäten noch nicht verinnerlicht“. Am Dienstag wurde bekannt, dass es zu einer Verzögerung beim Rentenpaket II kommen wird. Während sich SPD und Grüne mit dem Entwurf, der im Mai ins Kabinett eingebracht werden soll, zufrieden zeigten, ging er der FDP nicht weit genug.

So hoch ist das Milliardenloch der Bundesregierung

In der Haushaltsplanung für das kommende Jahr klafft eine riesige Lücke. Manche sprechen von 15 Milliarden, andere eher von 25 oder mehr. Wie hoch die Finanzierungslücke genau ist, weiß nur das Bundesfinanzministerium – dort spricht man von einem „zweistelligen Milliardenbetrag“. Die Summe müssen die Ministerien einsparen.

Einzige Ausnahme scheint das Bundesverteidigungsministerium zu sein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) plant, dass Bundeswehrinvestitionen künftig nicht mehr aus dem Sondervermögen, sondern aus dem regulären Haushalt finanziert und der Verteidigungsetat dafür sogar aufgestockt werden soll. Der Bundesrechnungshof mahnt unterdessen, dass es keinen Risikopuffer gibt. Die Bundesregierung habe nicht mehr ausreichend Spielraum und müsse nun die Notbremse ziehen.

Die Grunde für das hohe Defizit sind unterschiedlich. Der Krieg in der Ukraine wirkt immer noch nach, die Konjunktur lahmt, aber auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im vergangenen Jahr Milliarden aus einem Sondertopf für den Klimaschutz gestrichen hat, sitzt tief. Zudem steigen durch die hohen Zinsen auch die Sonderausgaben des Bundes. Im Jahr 2024 werden neue Kredite rechnerisch fast ausschließlich für Zinszahlungen benötigt – etwa 37 Milliarden Euro. Vor zwei Jahren waren es noch 15,7 Milliarden.

Wo will die Bundesregierung den Rotstift ansetzen?

Konkrete Maßnahmen stehen noch nicht fest. Das Umweltbundesamt hat Ende des Jahres den Subventionsabbau ins Spiel gebracht. Gleichzeitig steht die Kindergrundsicherung, die Rente und die Subventionen für die Energiewende auf dem Sparplan. Ob SPD und Grüne diese Themen wirklich anpacken, ist allerdings mehr als fraglich.

So könnte der Sparplan aussehen:

Kindergrundsicherung

Die geplante Kindergrundsicherung könnte sich verzögern. Denn die Verwaltung ist nicht klar darauf eingestellt, es droht ein hoher bürokratischer Aufwand, der am Ende auch die Haushaltsplanungen sprengen könnte. In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag sollen darin gebündelt werden. Sie gilt als das sozialpolitische Prestigeprojekt der Grünen

Bürgergeld

Rund 18 Jahre nach dem Start von Hartz IV (Arbeitslosengeld II) hat das Bürgergeld zum 1. Januar 2023 die bisherigen Regeln für Arbeitslose in Deutschland abgelöst. Mit der Einführung wurde die Berechnung an die aktuelle Inflation gekoppelt. Steigt diese, gibt es mehr Geld für die Empfänger. Das könnte sich ändern. Für 2024 droht den Empfängern eine Null-Runde.

Alleinstehenden stehen aktuell 563 Euro zu. Erwachsene, die mit einem Partner zusammenleben, erhalten 506 Euro. Für Jugendliche von 15 bis unter 18 Jahren gibt es 471 Euro. Kinder vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres erhalten 390 Euro.

Rentenbeiträge

Die erweiterte Haltelinie fällt mit dem Rentenpaket II. Sie sieht bisher vor, dass der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigt. Damit ebnet die Regierung den Weg für Beitragserhöhungen. Bisher müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber insgesamt 18,6 Prozent in die Deutsche Rentenversicherung einzahlen.

Um die Rentenfinanzierung zu sichern, plant die Regierung zunächst, auf die Reserven der Rentenversicherung sowie auf erhöhte Beitragszahlungen zurückzugreifen. Der Beitragssatz soll bis zum Jahr 2027 bei 18,6 Prozent stabil bleiben. Ab dem Jahr 2028 ist eine Erhöhung auf 20 Prozent vorgesehen, die bis 2035 weiter auf 22,3 Prozent ansteigen soll. Die Bundesregierung könnte diese Pläne vorziehen.

  • Rechenbeispiel: Bei einem durchschnittlichen Bruttolohn von 45.358 Euro fließen monatlich grob gerechnet 703 Euro über den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber in die Rentenversicherung. Bei einer Beitragserhöhung auf 20 Prozent wären es bei gleichbleibendem Gehalt 755 Euro. Aufs Jahr gerechnet ist das eine Steigerung um 635 Euro.

Es ist zu betonen, dass es sich bei diesen Zahlen um vorläufige Schätzungen der Regierung handelt, die je nach den künftigen Entwicklungen noch angepasst werden können. Der Beitragssatz – aktuell bei 18,7 Prozent – wird voraussichtlich bis 2037 auf 21,1 Prozent steigen, ohne ein Eingreifen der Politik.

Steuerklassen-Kombi III und V wird abgeschafft

Und auch bei den Steuerklassen plant das Bundesfinanzministerium massive Änderungen. Die unterschiedlichen Steuerklassen (III und V) für Ehepaare sollen abgeschafft werden. Stattdessen soll es nur noch eine Steuerklasse geben.

Bisher wird der Gutverdiener nach Steuerklasse III besteuert, der Geringverdiener nach Steuerklasse V. Während der Besserverdiener dadurch weniger Steuern zahlt und somit mehr Netto auf dem Konto hat, muss der Geringverdiener mehr Steuern zahlen und hat somit weniger Netto. Nach Einreichung der Steuererklärung gibt es in der Regel und je nach Höhe des zu versteuerten Einkommens Geld vom Fiskus zurück.

Durch die Abschaffung der Steuerklassen III und V zahlt der Geringverdiener dann weniger Steuern, der Besserverdiener wiederum mehr. Unter dem Strich soll für das Paar keine Mehrbelastung entstehen. Allerdings zeigen Rechnungen: In einigen Fällen kommt es dann doch zu einer Mehrbelastung. Und das kommt dem Staat zugute.

Wegfall von Subventionen

Das Bundesfinanzministerium könnte außerdem den ermäßigten Steuersatz für Kulturgüter abschaffen. Dies hätte massive Folgen für die Kulturwirtschaft, die Künstler und auch die Verbraucher. Denn ähnlich wie in der Gastronomie, wo der ermäßigte Steuersatz für Speisen zu Jahresbeginn abgeschafft wurde, hätte dies Auswirkungen auf die Preise in Kinos, Theatern, Konzerten und Museen. Auch im Stadion würden dann nicht mehr 7 Prozent, sondern 19 Prozent auf die Eintrittskarten fällig.

Das Bundesfinanzministerium könnte auch sämtliche Steuerbegünstigungen für Sonn- Feiertag- und Nachtzuschläge stark zurückfahren. Sollte die Steuerbegünstigung wegfallen, müssen Arbeitnehmer Steuern auf diese zusätzlichen Einkommensteile zahlen, was zu einer höheren Gesamtsteuerlast führt. Denn von den Zuschlägen würde dann der volle Steuersatz abgezogen werden, dadurch sinkt das Nettoeinkommen der Arbeitnehmer. Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit könnte sich dann für viele Menschen gar nicht mehr lohnen.

Deutschland-Ticket

Unklar ist, ob das Deutschland-Ticket bleibt oder ob der Preis kräftig steigt. Laut Regionalisierungsgesetz zahlt der Bund bis 2025 im Jahr 1,5 Milliarden Euro – ebenso wie die Länder insgesamt. Über die Verteilung der Kosten wurde in den vergangenen Monaten immer wieder hart gerungen. Anfang April klaffte beim Deutschland-Ticket eine Finanzierungslücke von 350 Millionen Euro.  „Der Verkaufspreis für das Deutschlandticket wird regelmäßig geprüft“, heißt es in einem Eckpunktebeschluss eines Gipfeltreffens der Verkehrsminister der Länder. Für 2025 muss der Bund knapp 1,5 Milliarden Euro beisteuern , wenn der Preis bei 49 Euro bleiben soll. Die restlichen 1,5 Milliarden kommen von den Kommunen. 

Voller Steuersatz für Hotels?

Eine große deutsche Hotelkette bereitet sich offenbar bereits auf einen Steuerschock im Gastgewerbe vor. Demnach könnte das Bundesfinanzministerium die Abschaffung der 2009 eingeführten Steuerermäßigung für die Hotellerie in die Wege leiten. Betroffen wären Hotels, Ferienwohnungen und Campingsplätze. Wer in Deutschland ein Hotelzimmer bucht, zahlt bisher sieben Prozent Mehrwertsteuer. Die FDP hatte sich damals für die Anpassung stark gemacht. Mit dem Wegfall des Steuerprivilegs müssten Reisende, Pendler und Hotelgäste dann nicht mehr sieben, sondern 19 Prozent für Übernachtungen zahlen.

Im vergangenen Jahr hatte das zuständige Ministerium ausrechnen lassen, was die Erhöhung bringen würde. Rund 720 Millionen Euro würde der höhere Steuersatz in die Staatskasse spülen. Die Zahlen basieren allerdings auf dem Optionspapier aus dem Vorjahr. Damals ging es darum, das Haushaltsdefizit im Jahr 2024 auszugleichen.

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