Konjunkturbericht: Erholung ohne Investitionen ist blutleer und kraftlos

Es ist die Zeit der konjunkturellen Zuversicht für Deutschland. Die Wachstumsaussichten hellen sich ein wenig auf. Unternehmen und Verbraucher äußern sich in Konjunkturumfragen zuversichtlicher oder zumindest weniger pessimistisch. Selbst die größten Wachstumsskeptiker geben klein bei. Die Volkswirte der Commerzbank etwa, die der deutschen Wirtschaft mit minus 0,3 Prozent schon seit Monaten ein zweites Rezessionsjahr prognostiziert hatten, erwarten jetzt nur noch eine Stagnation. Die Ökonomen der Deutschen Bank, die eine Schrumpfung des realen Bruttoinlandsprodukts um 0,2 Prozent voraussahen, rechnen jetzt mit einem Zuwachs von 0,3 Prozent.

Zwischen null und 0,4 Prozent – das ist in etwa die Spanne, in der die Konjunkturprognosen für Deutschland in den vergangenen Monaten zusammengelaufen sind. Die noch im Herbst gehegten hehren Hoffnungen auf ein Wachstum von mehr als einem Prozent waren schon länger dahin. Dutzende Volkswirte von Banken prognostizieren im Durchschnitt der Bloomberg-Umfrage ein Wachstum von 0,1 Prozent, die Bundesregierung von 0,3 Prozent. Jetzt keimt die Hoffnung, dass es tatsächlich so – und nicht noch schlimmer – kommen könnte.

Beschleunigtes Mini-Wachstum erwartet

In der öffentlichen Diskussion setzt sich allmählich die Formulierung Mini-Wachstum durch. Doch die schwachen Zahlen für das Gesamtjahr verbergen die Hoffnung auf eine ansehnliche Wachstumsbeschleunigung im zweiten Halbjahr. Die Deutsche Bank etwa setzt für das zweite Halbjahr Quartalswachstumsraten von 0,4 Prozent an. Auf ein Jahr hochgerechnet wäre das ein Wachstum von jeweils 1,6 Prozent. Das wäre weit mehr als das derzeit in Deutschland übliche Normalmaß, das Ökonomen Wachstumspotential nennen.

Die Wachstumshoffnungen gründen vorerst in den Erwartungen. In den Konjunkturumfragen eilen die positiven Einschätzungen der künftigen Entwicklung den Bewertungen der aktuellen Lage deutlich voraus. Die harten Wirtschaftsdaten zeigen ein sehr gemischtes Bild.

Der Blick in die Industrie

Im verarbeitenden Gewerbe stieg die Produktion im ersten Quartal um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal, nachdem sie zuvor drei Quartale nacheinander stark geschrumpft war. Doch die Aussichten für eine schnelle und kräftige Erholung sind vorerst begrenzt. Der Auftragseingang ging bis zuletzt weiter zurück, der 2022 begonnene Abwärtstrend ist ungebrochen.

Wieder gesunkene Energiepreise stützen eine beginnende Erholung der energieintensiven Branchen, deren Produktion im ersten Quartal um 4,8 Prozent zulegte. Volkswirte warnen aber, ein Teil der energieintensiven Produktion dürfte mit dem Preisschock der vergangenen Jahre unwiederholbar ins Ausland abgewandert sein.

Dienstleister mit Kluft gerade im Bau

Besser als in der Industrie läuft es bei den Dienstleistern, deren Produktion in den ersten beiden Monaten um 1,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal zulegte. Wie schon in den vergangenen Jahren scheinen die Dienstleistungen sich im Trend weit besser zu entwickeln als die Industrieproduktion. Weil das Winterwetter im ersten Quartal ungewöhnlich mild war, erlebte das krisengeschüttelte Baugewerbe ein Zwischenhoch. Die Produktion stieg um 3,9 Prozent.

Doch die Kluft zwischen dem robusten Tiefbau, der von öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur profitiert, und dem Hochbau mit dem schwachen Wohnungsbau ist tief. Der Tiefbau meldete im ersten Quartal ein Plus von 8,2 Prozent, der Hochbau von nur 0,9 Prozent. Mit einem Auftragseingang im Hochbau, der so niedrig liegt wie zu Beginn der Zehnerjahre, ist ein Ende der Baukrise noch lange nicht in Sicht.

Wachstum im ersten Quartal erwartet

Alles zusammen schätzen die Statistiker das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal auf 0,2 Prozent, nach einem tiefen Einbruch am Jahresende 2024 um 0,5 Prozent. Das unerwartete Wachstumsplus von Januar bis März gründet im Zwischenhoch des Baugewerbes und im Exportzuwachs, wobei die Detailangaben noch ausstehen.

Der Export dürfte nach allgemeiner Erwartung in diesem Jahr einen Beitrag zum Wachstum liefern, weil die Weltwirtschaft recht stabil expandieren soll. Die globale Nachfrage könnte sich auch wieder hin zu deutschen Vorteilen verschieben, vermuten die Volkswirte der Deutschen Bank. In den Exporterwartungen der Unternehmen ist das aber bislang nicht ablesbar.

Die privaten Konsumausgaben gingen nach Angaben des Statistischen Bundesamts im ersten Quartal zurück. Das liegt schwer auf dem Wachstumsausblick für dieses Jahr, der sich überwiegend auf eine Erholung des Konsums stützt. Die Realeinkommen steigen mit den kräftigen Lohnerhöhungen und der niedrigeren Inflation. Die Verbraucherumfragen deuten indes darauf hin, dass die privaten Haushalte immer noch die finanziellen Notreserven auffüllen, die mit dem Inflationsschub der vergangenen Jahre schrumpften. Ob und wann die erhöhte Sparquote der Haushalte wieder auf Normalmaß zurückgehen wird, ist offen.

In diesem Konjunkturausblick und für einen robusten Aufschwung fehlen die Ausrüstungsinvestitionen privater Unternehmen. Die Ökonomen erwarten eine wirtschaftliche Erholung, die weitgehend auf dem Konsum und ein wenig auf dem Export beruht, die aber mit bestenfalls schwachen Investitionen in Deutschland einhergeht. Entsprechend mau fallen in Umfragen die Investitionspläne der Unternehmen aus.

Eine solche Erholung ohne Investitionen ist blutleer. Es sei nicht die Mischung, die eine Rückkehr zu den Potentialwachstumsraten von vor der Pandemie verspreche, notieren die Volkswirte der Deutschen Bank. Nach ihrer Einschätzung liefert die konsumgetriebene zyklische Erholung nicht genug Schub für starkes Wachstum im Jahr 2025. Sie löse auch das mittelfristige deutsche Wachstumsproblem nicht, dass nämlich eine alternde Bevölkerung mit einem alternden Kapitalstock arbeite.

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