Wie es zu der Flut an Wahlärzten kommen konnte

Wahlärzte sind Mediziner ohne Kassenvertrag. Patienten, die sich von ihnen behandeln lassen, müssen die Rechnung selbst bezahlen und bekommen nur einen Teil von der Kasse rückerstattet. 

Was gegen die Flut an Wahlärzten hilft

Doch wie konnte es zu dieser Schieflage kommen? Und wie lässt sie sich wieder beseitigen? Der KURIER hat mit einem Gesundheitsexperten gesprochen. 

Für den IHS-Gesundheitsökomonem Thomas Czypionka sind vor allem zwei Faktoren für den Zuwachs der Wahlarzt-Rate verantwortlich. „Ein wichtiger Faktor ist die gesetzliche Verkürzung der Ärzte-Arbeitszeit in den Spitälern. Damit wurden Zeit-Kapazitäten freigesetzt, die es Medizinern ermöglicht, neben ihren Spitalsjob eine Wahlarzt-Ordination zu betreiben.“

Zugleich seien laut Experten die Arbeitsbedingungen in den Kassen-Ordinationen in den vergangenen Jahren immer unattraktiver geworden: Trotz steigender Zahl an Patienten durch die wachsende Bevölkerung sei es im Interesse der Ärztekammer, die Zahl der Kassenordinationen nicht mitwachsen zu lassen. Diese Verknappung würde den einzelnen Ärzten weiterhin höhere Einkommen trotz niedrig bleibender Kassentarife ermöglichen.

Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Kassenarzt so viele Patienten wie möglich behandelt. Folge seien laut Czypionka eine enorme Arbeitszeit-Verdichtung und die berüchtigte Drehtür-Medizin, in der der Arzt für den einzelnen Patienten kaum noch Zeit hat. 

Junge Ärzte kehren Kassen-System den Rücken

„Viele junge Ärzte, die auf eine Work-Life-Balance Wert legen, wollen aber nicht mehr in so einem System arbeiten“, sagt der Experte. Sie würden lieber eine Wahlarzt-Ordination eröffnen, auch wenn sie dort weniger verdienen würden als ihre Kollegen mit Kassenvertrag. Dafür könnten sie ihre Arbeit viel freier gestalten, müssten etwa bei der Urlaubsplanung keine Rücksicht auf Kollegen nehmen. 

Eine einzelne Maßnahme, um das Kassensystem wieder zu stärken, gebe es laut Czypionka nicht. „Klassische Landärzte, der 24 Stunden zur Verfügung stehen, wird es künftig nicht mehr so viele wie bisher geben.“ 

Mehr Kompetenzen für Nicht-Ärzte

Um trotzdem die Versorgung aufrecht zu erhalten, müssten andere Gesundheitsberufe mehr Kompetenzen bekommen und die Ärzte sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Heißt in der Praxis: Wenn der Patient in die Ordination kommt, wird er nicht mehr so häufig wie jetzt auch tatsächlich vom Arzt betreut.

Vielversprechende Ansätze sieht Czypionka in der jüngsten Gesundheitsreform, wobei noch völlig unklar ist, wie und in welcher Form sie in der Praxis umgesetzt werden. „Die Patientensteuerung soll verbessert werden, was grundsätzlich der richtige Weg ist. Der Zielsteuerungsvertrag ist aber noch in Verhandlung“, gibt der Experte zu bedenken. 

Experte gegen Zwangsmaßnahmen

Zu befürchten sei, dass die einzelnen Beteiligten im Gesundheitssystem auch weiter selbst bestimmen wollen, wie sie die zur Verfügung gestellten Mittel einsetzen. „Das bedeutet aber weiterhin eine Fragmentierung des Systems, dabei wäre aber eine Koordinierung notwendig.“

Wenig hält Czypionka hingegen von den jüngst von verschiedenen Seiten ventilierten diversen Ideen, Ärzte zu Versorgungsdiensten im öffentlichen System zu verpflichten. „Dies stünde im Konflikt mit der Erwerbsfreiheit. Zudem würde man das Signal aussenden, dass der Arztberuf ein Job zweiter Klasse ist, wenn mit Verpflichtungen gearbeitet werden muss.“ 

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