Osram beleuchtet den Petersplatz – und verhandelt seine Zukunft

Für ein Prestige-Projekt reist der Chef der Münchner Traditionsfirma nach Rom. Daheim stellt sich derzeit wohl nur eine Frage: Gehört auch der Rest des Unternehmens bald Chinesen?

Von Thomas Fromm

Als Michelangelo Anfang des 16. Jahrhunderts im Auftrag von Papst Julius II. seine Fresken in die Sixtinische Kapelle malte, da konnte er natürlich nicht ahnen, dass ein paar Hundert Jahre später eine Münchner Lichtfirma kommen und die Kirche mit modernen LED-Lampen ausleuchten würde. Michelangelo musste sich seinerzeit auf Tageslicht und Kerzen verlassen, er kannte ja noch nicht einmal normale Glühbirnen. Die wiederum sind heute schon wieder so altmodisch, dass der Osram-Konzern, der vor zwei Jahren die LED-Technik in die Kapelle brachte und dort Kunst und Fresken aus ihrem jahrhundertealten Schatten holte, sie in diesem Sommer an chinesische Investoren verkaufte.

Michelangelo also wäre wohl froh gewesen, wenn er auch nur ein paar dieser altmodischen Glühbirnen gehabt hätte, um das unter die Decke malen, was er sich damals unter der Schöpfungsgeschichte vorstellte. Jene Szene etwa, in der Adam mit Hilfe des ausgestreckten göttlichen Fingers erschaffen wurde. Der Beginn von allem.

In der modernen Wirtschaft würden Manager das, was hier gemalt wurde, heute wahrscheinlich „Masterplan“ nennen. Den Plan aller Pläne. Der Beginn von allem. Insofern passt es eigentlich ganz gut, dass der Chef jenes Osram-Konzerns, der schon 2014 die Sixtinische Kapelle in künstliches LED-Licht setzte, am Donnerstagabend mal wieder in Rom vorbeischaute, um diesmal den Petersplatz mit neuem, modernem Licht zu fluten. Denn auch für ihn könnte es ja nun um einen Masterplan gehen – wenn auch nicht um die Frage, wer hier wen nach welchem Plan erschafft, sondern wer hier wen wann schluckt.

18 000 Patente nach China?

Denn nach dem traditionellen Lampengeschäft könnte bald auch der Rest von Osram an Chinesen gehen. Für Tausende von Mitarbeiter würde dies eine Menge Fragen aufwerfen, aber auch für die Politik: Will man wirklich, dass nach dem Roboterhersteller Kuka jetzt auch noch die 110 Jahre alte Münchner Lichtfirma mit ihren 18 000 Patenten nach China geht? Und vor allem: Wer spricht hier schon mit wem und wann gibt es eine Entscheidung?

Während Osram-Chef Olaf Berlien an diesem Donnerstagabend mitten auf dem Petersplatz steht und der versammelten Vatikan-Prominenz erklärt, wie seine 132 LED-Fluter mit 70 Prozent weniger Energieaufwand ab sofort den alten Platz ausleuchten, passiert hinter den Kulissen gerade eine Menge. Und noch ist schwer zu sagen, ob die Sache für Osram unbedingt gut ausgehen muss.

Es begann vor einiger Zeit mit Gerüchten, die chinesischen Firmen San’an Optoelectronics und Go Scale würden eine Übernahme der Münchner Lichtfirma ausloten. Das Ganze wird dadurch noch pikanter, dass das Verhältnis zwischen Osram und seiner früheren Mutter, dem Siemens-Konzern, ziemlich zerrüttet ist. Oder sollte man sagen: Eigentlich ist es vor allem das Verhältnis zwischen Osram-Chef Berlien und Siemens-Boss Joe Kaeser, das ziemlich zerrüttet ist?

Siemens hält noch immer 17,5 Prozent an Osram, und seit die China-Gerüchte die Runde machen, ist der Aktienkurs von Osram kräftig gestiegen – und das Siemens-Paket wertvoller wie selten zuvor. Wird der Großkonzern, dem ohnehin nichts mehr an seiner langjährigen Tochter liegt, also verkaufen? Wird er die fremde Macht hereinlassen und davon kräftig profitieren? Ist alles nur noch eine Frage des Preises, zum Beispiel von 70 Euro, die die Chinesen angeblich pro Osram-Aktie auf den Tisch legen wollen? Natürlich, Siemens könnte einen solchen Deal auch blockieren und Osram vor dem Zugriff der fremden Mächte schützen. Aber daran glaubt niemand, schon gar nicht Siemens.

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