Kommentar zur Bundestagswahl 2017 – Putins Hacker haben Deutschland im Visier

Für einen Eingriff in den Wahlkampf braucht Putin mehr als Gerüchte – aber er kennt Deutschland und nutzt das geschickt. Die Deutschen sollten es Russland nicht so einfach machen wie Clinton.

Angst vor Datenlecks, Angst vor Gerüchten, Angst vor Putin? Will Wladimir Putin 2017 mithilfe des Internets Angela Merkel stürzen, so wie er es möglicherweise 2016 mit Hillary Clinton getan hat? Ein paar gestohlene digitale Dokumente, die Zweifel säen, ein paar Halbwahrheiten, die die Zweifel verstärken, könnten Merkel entscheidende Prozentpunkte kosten.

Die SED hat 1968 mit Bundespräsident Heinrich Lübke vorexerziert, wie so etwas geht. Sie spielte Westmedien echte Unterlagen über Lübkes Kriegstätigkeit als Baracken-Bauleiter des V2-Raketenprogramms zu – ergänzt um ein gefälschtes Deckblatt, auf dem das Wort KZ auftauchte. Die Original-Bauzeichnungen enthielten keinen Verweis auf Konzentrationslager, sie konnten auch Wehrmachtsunterkünfte sein.

Prompt wurde Lübke zum „KZ-Baumeister“, und weil das V2-Programm zum Schluss eine KZ-Todesmaschinerie war, erschien das glaubhaft. Die Manipulation flog nur auf, weil die Stasi auf dem Deckblatt ein falsches Unterschriftenkürzel und einen falschen Schrifttypus verwendet hatte. Das herauszufinden dauerte aber Wochen. Und Wochen sind im Wahlkampf eine lange Zeit.

Das Internet macht es einfach, Originale zu stehlen, wenn man nicht aufpasst. Es macht es auch einfach, Gerüchte zu verbreiten. Zum Beispiel in der Richtung: Man habe in Moskau etwas über Merkels DDR-Zeit gefunden. Oder es gibt einen Hackerangriff auf deutsche Medienunternehmen, wie im November 2014 auf die Sony-Filmstudios, angeblich durch Nordkoreaner. Oder es tauchen interne Dokumente über CDU-Intrigen auf, wie kürzlich von Parteifreunden des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber.

Heikles gehört nicht in Mails

Das allerdings setzt voraus, dass deutsche Politiker nicht aufpassen und denselben Fehler machen wie Clintons Stab – nämlich schriftlich Themen zu erörtern, die nicht aufgeschrieben gehören, und auf verdächtige Mails hereinzufallen. Clintons Mitarbeiter haben Mails geöffnet, in denen Google um Rücksetzung des Passworts bat – ohne vorher bei Google nachzufragen.

Sie schickten Mails mit zornigen Werturteilen über einen misslungenen Clinton-Auftritt herum, und sie tauschten sich in unzureichend gesicherten Computern schriftlich darüber aus, wie man dem Mitbewerber Bernie Sanders schaden könnte.

Clintons Leute haben es Putin wirklich leicht gemacht. Nur dadurch bekam die Einmischung in den Wahlkampf Gewicht. Nichts politisch oder menschlich Heikles gehört in ein internetfähiges System oder gar in Mails. Angreifbare Technik, die nur der Bequemlichkeit dient, zum Beispiel drahtlose Büro-Computernetze, haben in gefährdeten Bereichen nichts zu suchen.

Trumps großer Deal mit Putin

Solche Computer müssen zudem durch eine Weiße Liste gegen Viren-Mails geschützt sein – nur Mails von autorisierten Absendern werden überhaupt durchgelassen. Jede trotzdem verdächtige Mail geht ungeöffnet an die Sicherheitsbehörden. Wer sich anders verhält, öffnet Hackern die Tore.

Aber es ist ja auch noch gar nicht sicher, dass Wladimir Putin tatsächlich zum Angriff bläst. Zwar schadet Merkel durch ihr Beharren auf EU-Strafsanktionen wegen der Krim seinen Zielen. Sie beharrt eisern darauf, die Krim-Annexion untergrabe das UN-Völkerrecht, und sie beschuldigt Moskau der Kriegsverbrechen in Aleppo.

Aber Putin muss erst wissen, was Donald Trump wirklich will und wie Merkel darauf reagiert. Der Milliardär deutet an, mit Russland einen großen Deal anzustreben, über die Krim und den Nahen Osten. Eine rot-rot-grüne Bundesregierung stünde diesem Ziel weniger im Weg als Merkel. Aber vielleicht fände Putin es hilfreicher, wenn Trump und Merkel sich über das Thema zerstreiten und so die Nato schwächen.

Es braucht mehr als Gerüchte

Dann braucht er gar nichts zu unternehmen, dann hat der Wahlkampf schon das Thema, nach dem AfD und Linkspartei suchen – und an Russlands Westgrenze wächst zugleich die Ungewissheit über Washingtons Beistandswillen. Bis zum G-20-Gipfel in Hamburg könnte darüber Klarheit herrschen.

Ein Internetangriff lohnt sich nur, wenn man ihn gewinnen kann. Für einen erfolgreichen verdeckten Angriff braucht Putin mehr als nur Gerüchte. Er kennt Deutschland. Er weiß, dass viele Angst vor einem neuen Kalten Krieg haben, und nutzt das geschickt. Aber Deutschland ist nicht Amerika.

Putin weiß vermutlich, dass die Bundeskanzlerin bei etlichen Wählern viel Herzensgefühl mobilisiert, dass sie gerade gegenüber Moskau als prinzipienfeste Vermittlerin gilt und dass die Losung „Merkel muss weg“ nicht die Mehrheitsmeinung ist. Wenn Russland wie in alten Zeiten offen Druck ausübt, würden so manche konservative CDU-Wähler ihre Zweifel hintanstellen.

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